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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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den Geschlechtern zu verringern und wer das Jdeal
der gegenseitigen Beziehungen der Geschlechter in einem
pikanten Gegensatz sieht, in der Darstellung eines
effektvollen Bildes, einer überraschenden Antithese,
der hat Recht, jeder Aenderung der bestehenden Verhält-
nisse zu widerstreben, er hätte auch Recht sich für
orientalische Zustände zu begeistern, denn dort treten
die Geschlechtsunterschiede am schärfsten hervor, sind
die Gegensätze am frappantesten. Nach solchen Auf-
fassungen wäre die passendste Gattin für einen Gottes-
leugner eine bigotte Frau - um des Contrastes willen.
Ein blinder Naturdrang müßte einen Blondin zu einer
Brünetten ziehen - um des Contrastes willen. Ein
Adler im Reich der Wissenschaft müßte einem Gänschen,
ein Jähzorniger einer Taube oder einem Lamm und
ein Wohlbeleibter einer hageren Dame sich zugesellen
- Alles um des Contrastes willen. Das klingt äußerst
outrirt, nicht wahr? Und doch werden wir in Wirklich-
keit oft mit Ansichten über dasselbe Thema erquickt,
die hinter dieser paradoxen Ausführung kaum zurück-
bleiben. Einer meiner Bekannten, ein junger gescheuter
und begabter Künstler, hatte sich mit einem schönen
und klugen Mädchen verlobt. Eines Tages sprach ihm
eine Verwandte ihre Verwunderung darüber aus, daß
er grade diesem jungen Mädchen seine Neigung zuge-

den Geschlechtern zu verringern und wer das Jdeal
der gegenseitigen Beziehungen der Geschlechter in einem
pikanten Gegensatz sieht, in der Darstellung eines
effektvollen Bildes, einer überraschenden Antithese,
der hat Recht, jeder Aenderung der bestehenden Verhält-
nisse zu widerstreben, er hätte auch Recht sich für
orientalische Zustände zu begeistern, denn dort treten
die Geschlechtsunterschiede am schärfsten hervor, sind
die Gegensätze am frappantesten. Nach solchen Auf-
fassungen wäre die passendste Gattin für einen Gottes-
leugner eine bigotte Frau – um des Contrastes willen.
Ein blinder Naturdrang müßte einen Blondin zu einer
Brünetten ziehen – um des Contrastes willen. Ein
Adler im Reich der Wissenschaft müßte einem Gänschen,
ein Jähzorniger einer Taube oder einem Lamm und
ein Wohlbeleibter einer hageren Dame sich zugesellen
– Alles um des Contrastes willen. Das klingt äußerst
outrirt, nicht wahr? Und doch werden wir in Wirklich-
keit oft mit Ansichten über dasselbe Thema erquickt,
die hinter dieser paradoxen Ausführung kaum zurück-
bleiben. Einer meiner Bekannten, ein junger gescheuter
und begabter Künstler, hatte sich mit einem schönen
und klugen Mädchen verlobt. Eines Tages sprach ihm
eine Verwandte ihre Verwunderung darüber aus, daß
er grade diesem jungen Mädchen seine Neigung zuge-

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[135/0143] den Geschlechtern zu verringern und wer das Jdeal der gegenseitigen Beziehungen der Geschlechter in einem pikanten Gegensatz sieht, in der Darstellung eines effektvollen Bildes, einer überraschenden Antithese, der hat Recht, jeder Aenderung der bestehenden Verhält- nisse zu widerstreben, er hätte auch Recht sich für orientalische Zustände zu begeistern, denn dort treten die Geschlechtsunterschiede am schärfsten hervor, sind die Gegensätze am frappantesten. Nach solchen Auf- fassungen wäre die passendste Gattin für einen Gottes- leugner eine bigotte Frau – um des Contrastes willen. Ein blinder Naturdrang müßte einen Blondin zu einer Brünetten ziehen – um des Contrastes willen. Ein Adler im Reich der Wissenschaft müßte einem Gänschen, ein Jähzorniger einer Taube oder einem Lamm und ein Wohlbeleibter einer hageren Dame sich zugesellen – Alles um des Contrastes willen. Das klingt äußerst outrirt, nicht wahr? Und doch werden wir in Wirklich- keit oft mit Ansichten über dasselbe Thema erquickt, die hinter dieser paradoxen Ausführung kaum zurück- bleiben. Einer meiner Bekannten, ein junger gescheuter und begabter Künstler, hatte sich mit einem schönen und klugen Mädchen verlobt. Eines Tages sprach ihm eine Verwandte ihre Verwunderung darüber aus, daß er grade diesem jungen Mädchen seine Neigung zuge-  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/143>, abgerufen am 28.04.2024.