Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Die unmittelbaren, praktischen Folgen des Stimm-
rechts sind vielleicht nicht die wichtigsten. Die Haupt-
sache aber ist dies: die Gewährung des Stimmrechts
ist der Schritt über den Rubikon. Erst mit dem Stimm-
recht der Frauen beginnt die Agitation für jene groß-
artigen Reformen, die das Ziel unserer Bestrebungen
sind. Die Theilnahme am politischen Leben macht alle
anderen Fragen zu offenen.

Die Frauen fordern das Stimmrecht als
ihr Recht
. Warum soll ich erst beweisen, daß ich ein
Recht dazu habe? Jch bin ein Mensch, ich denke, ich
fühle, ich bin Bürgerin des Staats, ich gehöre nicht
zur Kaste der Verbrecher, ich lebe nicht von Almosen,
das sind die Beweise, die ich für meinen Anspruch
beizubringen habe. Der Mann bedarf, um das Stimm-
recht zu üben, eines bestimmten Wohnsitzes, eines be-
stimmten Alters, eines Besitzes, warum braucht die Frau
noch mehr? Warum ist die Frau gleichgestellt Jdioten
und Verbrechern? nein, nicht den Verbrechern. Der
Verbrecher wird nur zeitweise seiner politischen Rechte
beraubt, nur die Frau und der Jdiot gehören in die-
selbe politische Kategorie.

Die Gesellschaft hat keine Befugniß, mich meines
natürlichen politischen Rechts zu berauben, es sei denn,
daß dieses Recht sich als unvereinbar erwiese mit der

Die unmittelbaren, praktischen Folgen des Stimm-
rechts sind vielleicht nicht die wichtigsten. Die Haupt-
sache aber ist dies: die Gewährung des Stimmrechts
ist der Schritt über den Rubikon. Erst mit dem Stimm-
recht der Frauen beginnt die Agitation für jene groß-
artigen Reformen, die das Ziel unserer Bestrebungen
sind. Die Theilnahme am politischen Leben macht alle
anderen Fragen zu offenen.

Die Frauen fordern das Stimmrecht als
ihr Recht
. Warum soll ich erst beweisen, daß ich ein
Recht dazu habe? Jch bin ein Mensch, ich denke, ich
fühle, ich bin Bürgerin des Staats, ich gehöre nicht
zur Kaste der Verbrecher, ich lebe nicht von Almosen,
das sind die Beweise, die ich für meinen Anspruch
beizubringen habe. Der Mann bedarf, um das Stimm-
recht zu üben, eines bestimmten Wohnsitzes, eines be-
stimmten Alters, eines Besitzes, warum braucht die Frau
noch mehr? Warum ist die Frau gleichgestellt Jdioten
und Verbrechern? nein, nicht den Verbrechern. Der
Verbrecher wird nur zeitweise seiner politischen Rechte
beraubt, nur die Frau und der Jdiot gehören in die-
selbe politische Kategorie.

Die Gesellschaft hat keine Befugniß, mich meines
natürlichen politischen Rechts zu berauben, es sei denn,
daß dieses Recht sich als unvereinbar erwiese mit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0168" n="160"/>
        <p>Die unmittelbaren, praktischen Folgen des Stimm-<lb/>
rechts sind vielleicht nicht die wichtigsten. Die Haupt-<lb/>
sache aber ist dies: die Gewährung des Stimmrechts<lb/>
ist der Schritt über den Rubikon. Erst mit dem Stimm-<lb/>
recht der Frauen beginnt die Agitation für jene groß-<lb/>
artigen Reformen, die das Ziel unserer Bestrebungen<lb/>
sind. Die Theilnahme am politischen Leben macht alle<lb/>
anderen Fragen zu offenen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die Frauen fordern das Stimmrecht als<lb/>
ihr Recht</hi>. Warum soll ich erst beweisen, daß ich ein<lb/>
Recht dazu habe? Jch bin ein Mensch, ich denke, ich<lb/>
fühle, ich bin Bürgerin des Staats, ich gehöre nicht<lb/>
zur Kaste der Verbrecher, ich lebe nicht von Almosen,<lb/>
das sind die Beweise, die ich für meinen Anspruch<lb/>
beizubringen habe. Der Mann bedarf, um das Stimm-<lb/>
recht zu üben, eines bestimmten Wohnsitzes, eines be-<lb/>
stimmten Alters, eines Besitzes, warum braucht die Frau<lb/>
noch mehr? Warum ist die Frau gleichgestellt Jdioten<lb/>
und Verbrechern? nein, nicht den Verbrechern. Der<lb/>
Verbrecher wird nur zeitweise seiner politischen Rechte<lb/>
beraubt, nur die Frau und der Jdiot gehören in die-<lb/>
selbe politische Kategorie.</p><lb/>
        <p>Die Gesellschaft hat keine Befugniß, mich meines<lb/>
natürlichen politischen Rechts zu berauben, es sei denn,<lb/>
daß dieses Recht sich als unvereinbar erwiese mit der<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0168] Die unmittelbaren, praktischen Folgen des Stimm- rechts sind vielleicht nicht die wichtigsten. Die Haupt- sache aber ist dies: die Gewährung des Stimmrechts ist der Schritt über den Rubikon. Erst mit dem Stimm- recht der Frauen beginnt die Agitation für jene groß- artigen Reformen, die das Ziel unserer Bestrebungen sind. Die Theilnahme am politischen Leben macht alle anderen Fragen zu offenen. Die Frauen fordern das Stimmrecht als ihr Recht. Warum soll ich erst beweisen, daß ich ein Recht dazu habe? Jch bin ein Mensch, ich denke, ich fühle, ich bin Bürgerin des Staats, ich gehöre nicht zur Kaste der Verbrecher, ich lebe nicht von Almosen, das sind die Beweise, die ich für meinen Anspruch beizubringen habe. Der Mann bedarf, um das Stimm- recht zu üben, eines bestimmten Wohnsitzes, eines be- stimmten Alters, eines Besitzes, warum braucht die Frau noch mehr? Warum ist die Frau gleichgestellt Jdioten und Verbrechern? nein, nicht den Verbrechern. Der Verbrecher wird nur zeitweise seiner politischen Rechte beraubt, nur die Frau und der Jdiot gehören in die- selbe politische Kategorie. Die Gesellschaft hat keine Befugniß, mich meines natürlichen politischen Rechts zu berauben, es sei denn, daß dieses Recht sich als unvereinbar erwiese mit der  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/168
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/168>, abgerufen am 02.05.2024.