Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Wohlfahrt des Staatslebens. Den Beweis dieses An-
tagonismus zwischen Staatsleben und Frauenrechten
haben wir zu fordern. Man wird uns darauf warten
lassen bis zum jüngsten Tag und sich inzwischen auf
das Gottesgericht berufen, welches die Frau durch den
Mangel eines Bartes als unpolitisches Wesen gekenn-
zeichnet hat.

Die Voraussetzung, daß eine Menschenklasse, welche
die Lasten der Bürgerschaft trägt, kein Recht habe be-
stimmend auf diese Lasten einzuwirken, die Voraus-
setzung, daß eine Menschenklasse Gesetzen unterworfen
sein soll, an deren Abfassung sie keinen Antheil gehabt,
hat auf die Dauer nur für einen despotischen Staat
Sinn und Möglichkeit. Die Zulassung eines solchen
Prinzips ist Tyrannei in allen Sprachen der Welt und
für jedes Geschlecht, für den Mann sowohl wie für die
Frau.

Der Anspruch politischer Gleichheit der Geschlechter
in der Kammer und auf der Tribüne erscheint den
Männern als ein sittlicher Frevel und setzt sie der Ge-
fahr eines Lachkrampfes aus. Eine politische Gleich-
heit aber erkennen sie bereitwillig an: die Gleichheit
vor dem Schaffot
. Warum lachten Sie nicht, meine
Herren, als Marie Antoinette's und Madame Roland's
Haupt unter der Guillotine fiel?

Dohm, Zur Frauenfrage. 11

Wohlfahrt des Staatslebens. Den Beweis dieses An-
tagonismus zwischen Staatsleben und Frauenrechten
haben wir zu fordern. Man wird uns darauf warten
lassen bis zum jüngsten Tag und sich inzwischen auf
das Gottesgericht berufen, welches die Frau durch den
Mangel eines Bartes als unpolitisches Wesen gekenn-
zeichnet hat.

Die Voraussetzung, daß eine Menschenklasse, welche
die Lasten der Bürgerschaft trägt, kein Recht habe be-
stimmend auf diese Lasten einzuwirken, die Voraus-
setzung, daß eine Menschenklasse Gesetzen unterworfen
sein soll, an deren Abfassung sie keinen Antheil gehabt,
hat auf die Dauer nur für einen despotischen Staat
Sinn und Möglichkeit. Die Zulassung eines solchen
Prinzips ist Tyrannei in allen Sprachen der Welt und
für jedes Geschlecht, für den Mann sowohl wie für die
Frau.

Der Anspruch politischer Gleichheit der Geschlechter
in der Kammer und auf der Tribüne erscheint den
Männern als ein sittlicher Frevel und setzt sie der Ge-
fahr eines Lachkrampfes aus. Eine politische Gleich-
heit aber erkennen sie bereitwillig an: die Gleichheit
vor dem Schaffot
. Warum lachten Sie nicht, meine
Herren, als Marie Antoinette's und Madame Roland's
Haupt unter der Guillotine fiel?

Dohm, Zur Frauenfrage. 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0169" n="161"/>
Wohlfahrt des Staatslebens. Den Beweis dieses An-<lb/>
tagonismus zwischen Staatsleben und Frauenrechten<lb/>
haben wir zu fordern. Man wird uns darauf warten<lb/>
lassen bis zum jüngsten Tag und sich inzwischen auf<lb/>
das Gottesgericht berufen, welches die Frau durch den<lb/>
Mangel eines Bartes als unpolitisches Wesen gekenn-<lb/>
zeichnet hat.</p><lb/>
        <p>Die Voraussetzung, daß eine Menschenklasse, welche<lb/>
die Lasten der Bürgerschaft trägt, kein Recht habe be-<lb/>
stimmend auf diese Lasten einzuwirken, die Voraus-<lb/>
setzung, daß eine Menschenklasse Gesetzen unterworfen<lb/>
sein soll, an deren Abfassung sie keinen Antheil gehabt,<lb/>
hat auf die Dauer nur für einen despotischen Staat<lb/>
Sinn und Möglichkeit. Die Zulassung eines solchen<lb/>
Prinzips ist Tyrannei in allen Sprachen der Welt und<lb/>
für jedes Geschlecht, für den Mann sowohl wie für die<lb/>
Frau.</p><lb/>
        <p>Der Anspruch politischer Gleichheit der Geschlechter<lb/>
in der Kammer und auf der Tribüne erscheint den<lb/>
Männern als ein sittlicher Frevel und setzt sie der Ge-<lb/>
fahr eines Lachkrampfes aus. <hi rendition="#g">Eine</hi> politische Gleich-<lb/>
heit aber erkennen sie bereitwillig an: <hi rendition="#g">die Gleichheit<lb/>
vor dem Schaffot</hi>. Warum lachten Sie nicht, meine<lb/>
Herren, als Marie Antoinette's und Madame Roland's<lb/>
Haupt unter der Guillotine fiel?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Dohm</hi>, Zur Frauenfrage. 11</fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0169] Wohlfahrt des Staatslebens. Den Beweis dieses An- tagonismus zwischen Staatsleben und Frauenrechten haben wir zu fordern. Man wird uns darauf warten lassen bis zum jüngsten Tag und sich inzwischen auf das Gottesgericht berufen, welches die Frau durch den Mangel eines Bartes als unpolitisches Wesen gekenn- zeichnet hat. Die Voraussetzung, daß eine Menschenklasse, welche die Lasten der Bürgerschaft trägt, kein Recht habe be- stimmend auf diese Lasten einzuwirken, die Voraus- setzung, daß eine Menschenklasse Gesetzen unterworfen sein soll, an deren Abfassung sie keinen Antheil gehabt, hat auf die Dauer nur für einen despotischen Staat Sinn und Möglichkeit. Die Zulassung eines solchen Prinzips ist Tyrannei in allen Sprachen der Welt und für jedes Geschlecht, für den Mann sowohl wie für die Frau. Der Anspruch politischer Gleichheit der Geschlechter in der Kammer und auf der Tribüne erscheint den Männern als ein sittlicher Frevel und setzt sie der Ge- fahr eines Lachkrampfes aus. Eine politische Gleich- heit aber erkennen sie bereitwillig an: die Gleichheit vor dem Schaffot. Warum lachten Sie nicht, meine Herren, als Marie Antoinette's und Madame Roland's Haupt unter der Guillotine fiel? Dohm, Zur Frauenfrage. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/169
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/169>, abgerufen am 02.05.2024.