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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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deutet Erhöhung des geistigen Niveau's der Frau über-
haupt, sie bedeutet ihre geistige und materielle Selbst-
ständigkeit.

Je enger der Kreis ist, auf den sich ein Mensch
mit seiner Thätigkeit angewiesen sieht, je unbedeutender
die Jnteressen, denen er sein Leben zu widmen ge-
zwungen wird, je dürftiger wird sein Geistesleben sich
gestalten. Wenn man den menschlichen Körper in
seiner Kindheit in ein bestimmtes Futteral zwängte,
so würde er nur insoweit wachsen, als der Umfang
des Futterals es ihm gestattet, und der Körper, der
sich nicht entwickeln kann, müßte verkrüppeln. Mit der
menschlichen Jntelligenz verhält es sich ähnlich. Wo
durch autoritative Richtung die befriedigende Ausübung
der Fähigkeiten unterdrückt wird, da kann von keinem
naturgemäßen Wachsthum der Jndividualität die Rede
sein. Aber nicht nur die Abnahme intellektueller
Energie und eine traurige Monotonie der Situationen
und Geistesrichtungen wird das Resultat einer solchen
Absperrung sein, sondern auch eine Schwächung des
moralischen Charakters ist dabei fast immer unaus-
bleiblich.

Eitelkeit und Ehrgeiz gehören zu den Haupttrieben
der menschlichen Natur, sie sind oder scheinen wenig-
stens unausrottbar. Es gilt also, sie in ihr richtiges

deutet Erhöhung des geistigen Niveau's der Frau über-
haupt, sie bedeutet ihre geistige und materielle Selbst-
ständigkeit.

Je enger der Kreis ist, auf den sich ein Mensch
mit seiner Thätigkeit angewiesen sieht, je unbedeutender
die Jnteressen, denen er sein Leben zu widmen ge-
zwungen wird, je dürftiger wird sein Geistesleben sich
gestalten. Wenn man den menschlichen Körper in
seiner Kindheit in ein bestimmtes Futteral zwängte,
so würde er nur insoweit wachsen, als der Umfang
des Futterals es ihm gestattet, und der Körper, der
sich nicht entwickeln kann, müßte verkrüppeln. Mit der
menschlichen Jntelligenz verhält es sich ähnlich. Wo
durch autoritative Richtung die befriedigende Ausübung
der Fähigkeiten unterdrückt wird, da kann von keinem
naturgemäßen Wachsthum der Jndividualität die Rede
sein. Aber nicht nur die Abnahme intellektueller
Energie und eine traurige Monotonie der Situationen
und Geistesrichtungen wird das Resultat einer solchen
Absperrung sein, sondern auch eine Schwächung des
moralischen Charakters ist dabei fast immer unaus-
bleiblich.

Eitelkeit und Ehrgeiz gehören zu den Haupttrieben
der menschlichen Natur, sie sind oder scheinen wenig-
stens unausrottbar. Es gilt also, sie in ihr richtiges

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[174/0182] deutet Erhöhung des geistigen Niveau's der Frau über- haupt, sie bedeutet ihre geistige und materielle Selbst- ständigkeit. Je enger der Kreis ist, auf den sich ein Mensch mit seiner Thätigkeit angewiesen sieht, je unbedeutender die Jnteressen, denen er sein Leben zu widmen ge- zwungen wird, je dürftiger wird sein Geistesleben sich gestalten. Wenn man den menschlichen Körper in seiner Kindheit in ein bestimmtes Futteral zwängte, so würde er nur insoweit wachsen, als der Umfang des Futterals es ihm gestattet, und der Körper, der sich nicht entwickeln kann, müßte verkrüppeln. Mit der menschlichen Jntelligenz verhält es sich ähnlich. Wo durch autoritative Richtung die befriedigende Ausübung der Fähigkeiten unterdrückt wird, da kann von keinem naturgemäßen Wachsthum der Jndividualität die Rede sein. Aber nicht nur die Abnahme intellektueller Energie und eine traurige Monotonie der Situationen und Geistesrichtungen wird das Resultat einer solchen Absperrung sein, sondern auch eine Schwächung des moralischen Charakters ist dabei fast immer unaus- bleiblich. Eitelkeit und Ehrgeiz gehören zu den Haupttrieben der menschlichen Natur, sie sind oder scheinen wenig- stens unausrottbar. Es gilt also, sie in ihr richtiges  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/182>, abgerufen am 02.05.2024.