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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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affichirten Geschmack finden wir in ihrer
Naivetät.

Des deutschen Mannes ganze Frauenkenntniß be-
schränkt sich im allgemeinen darauf, anzunehmen, daß
Schönheit, Jugend, Anmuth, Munterkeit und pikantes
Geplauder hinreichende Gewähr sind für den Besitz
aller weiblichen Vorzüge. Ein rosa Hut über einem
blonden Lockenköpfchen ist ihm stets eine Aureole der
Tugend, und eine graziöse Gestalt der Aufenthalt einer
edlen Seele.

Dagegen ist er sehr geneigt, vermagerten alten
Jungfern oder corpulenten älteren Frauen den Besitz
eines bissigen Charakters und eine gemeine Denkungs-
art zuzutrauen. Von würdigen, gescheuten Männern
habe ich oft genug hübsche, junge Damen als Muster
von Unschuld und Herzensgüte preisen hören, die ich
als vollkommen corrumpirte Jndividuen kannte, und
die sich nicht einmal besondere Mühe gaben, ihre
eigentliche Natur zu maskiren. Mögen die deutschen
Männer, wie man es seit 1871 anzunehmen pflegt,
die Männer aller andern Nationen an Jntelligenz
überragen, - in Bezug auf Frauenkenntniß stehen sie
denen der übrigen civilisirten Welt nach. Jhre naive
Unkenntniß geht so weit, daß, wenn man ihnen die-
selben Frauen, die ihnen im wirklichen Leben be-

affichirten Geschmack finden wir in ihrer
Naivetät.

Des deutschen Mannes ganze Frauenkenntniß be-
schränkt sich im allgemeinen darauf, anzunehmen, daß
Schönheit, Jugend, Anmuth, Munterkeit und pikantes
Geplauder hinreichende Gewähr sind für den Besitz
aller weiblichen Vorzüge. Ein rosa Hut über einem
blonden Lockenköpfchen ist ihm stets eine Aureole der
Tugend, und eine graziöse Gestalt der Aufenthalt einer
edlen Seele.

Dagegen ist er sehr geneigt, vermagerten alten
Jungfern oder corpulenten älteren Frauen den Besitz
eines bissigen Charakters und eine gemeine Denkungs-
art zuzutrauen. Von würdigen, gescheuten Männern
habe ich oft genug hübsche, junge Damen als Muster
von Unschuld und Herzensgüte preisen hören, die ich
als vollkommen corrumpirte Jndividuen kannte, und
die sich nicht einmal besondere Mühe gaben, ihre
eigentliche Natur zu maskiren. Mögen die deutschen
Männer, wie man es seit 1871 anzunehmen pflegt,
die Männer aller andern Nationen an Jntelligenz
überragen, – in Bezug auf Frauenkenntniß stehen sie
denen der übrigen civilisirten Welt nach. Jhre naive
Unkenntniß geht so weit, daß, wenn man ihnen die-
selben Frauen, die ihnen im wirklichen Leben be-

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[40/0048] affichirten Geschmack finden wir in ihrer Naivetät. Des deutschen Mannes ganze Frauenkenntniß be- schränkt sich im allgemeinen darauf, anzunehmen, daß Schönheit, Jugend, Anmuth, Munterkeit und pikantes Geplauder hinreichende Gewähr sind für den Besitz aller weiblichen Vorzüge. Ein rosa Hut über einem blonden Lockenköpfchen ist ihm stets eine Aureole der Tugend, und eine graziöse Gestalt der Aufenthalt einer edlen Seele. Dagegen ist er sehr geneigt, vermagerten alten Jungfern oder corpulenten älteren Frauen den Besitz eines bissigen Charakters und eine gemeine Denkungs- art zuzutrauen. Von würdigen, gescheuten Männern habe ich oft genug hübsche, junge Damen als Muster von Unschuld und Herzensgüte preisen hören, die ich als vollkommen corrumpirte Jndividuen kannte, und die sich nicht einmal besondere Mühe gaben, ihre eigentliche Natur zu maskiren. Mögen die deutschen Männer, wie man es seit 1871 anzunehmen pflegt, die Männer aller andern Nationen an Jntelligenz überragen, – in Bezug auf Frauenkenntniß stehen sie denen der übrigen civilisirten Welt nach. Jhre naive Unkenntniß geht so weit, daß, wenn man ihnen die- selben Frauen, die ihnen im wirklichen Leben be-  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/48>, abgerufen am 29.11.2024.