Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

gegenüber sich verhalten und in allen andern Beziehungen
ein sanftes Lamm sein, jeder Laune des Gebieters fol-
gend? Wer gut zu regieren versteht, weiß selten gut zu
gehorchen.

Güte, die nicht mit Energie und Strenge gepaart
ist, versteht das beste Dienstmädchen ganz und gar nicht.
Eine schüchterne, sanfte Frau kommt ihr ziemlich ver-
ächtlich vor.

Die derben prosaischen Kinder des Volks lauschen
nicht den Harfentönen eines zartbesaiteten Gemüths, das
ewig Weibliche zieht sie nicht hinan, nur einer charakter-
vollen Persönlichkeit unterwerfen sie sich.

Zur Jllustrirung dieser Behauptung möchte ich mei-
nen Lesern einen kleinen drastischen Vorfall aus meinem
eigenen Leben, der sich erst vor wenigen Wochen ereignet
hat, mittheilen. Jch hatte eine Köchin, die von uns mit
einer unglaublichen Huld und Liebenswürdigkeit behan-
delt wurde. So z. B. hatten wir sie in einer längeren
Krankheit wie ein Kind des Hauses gepflegt. Unsere
Wohnung war förmlich zu einem Hotel für ihre Ver-
wandtschaft geworden: ein Schwager und ein diabolischer
Bube von Sohn genossen wochenlang unsere Gast-
freundschaft.

Trotz alledem wurde unser Gustchen von Tag zu
Tag unverschämter und schließlich erreichte ihre Unver-

gegenüber sich verhalten und in allen andern Beziehungen
ein sanftes Lamm sein, jeder Laune des Gebieters fol-
gend? Wer gut zu regieren versteht, weiß selten gut zu
gehorchen.

Güte, die nicht mit Energie und Strenge gepaart
ist, versteht das beste Dienstmädchen ganz und gar nicht.
Eine schüchterne, sanfte Frau kommt ihr ziemlich ver-
ächtlich vor.

Die derben prosaischen Kinder des Volks lauschen
nicht den Harfentönen eines zartbesaiteten Gemüths, das
ewig Weibliche zieht sie nicht hinan, nur einer charakter-
vollen Persönlichkeit unterwerfen sie sich.

Zur Jllustrirung dieser Behauptung möchte ich mei-
nen Lesern einen kleinen drastischen Vorfall aus meinem
eigenen Leben, der sich erst vor wenigen Wochen ereignet
hat, mittheilen. Jch hatte eine Köchin, die von uns mit
einer unglaublichen Huld und Liebenswürdigkeit behan-
delt wurde. So z. B. hatten wir sie in einer längeren
Krankheit wie ein Kind des Hauses gepflegt. Unsere
Wohnung war förmlich zu einem Hôtel für ihre Ver-
wandtschaft geworden: ein Schwager und ein diabolischer
Bube von Sohn genossen wochenlang unsere Gast-
freundschaft.

Trotz alledem wurde unser Gustchen von Tag zu
Tag unverschämter und schließlich erreichte ihre Unver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="107"/>
gegenüber sich verhalten und in allen andern Beziehungen<lb/>
ein sanftes Lamm sein, jeder Laune des Gebieters fol-<lb/>
gend? Wer gut zu regieren versteht, weiß selten gut zu<lb/>
gehorchen.</p><lb/>
          <p>Güte, die nicht mit Energie und Strenge gepaart<lb/>
ist, versteht das beste Dienstmädchen ganz und gar nicht.<lb/>
Eine schüchterne, sanfte Frau kommt ihr ziemlich ver-<lb/>
ächtlich vor.</p><lb/>
          <p>Die derben prosaischen Kinder des Volks lauschen<lb/>
nicht den Harfentönen eines zartbesaiteten Gemüths, das<lb/>
ewig Weibliche zieht sie nicht hinan, nur einer charakter-<lb/>
vollen Persönlichkeit unterwerfen sie sich.</p><lb/>
          <p>Zur Jllustrirung dieser Behauptung möchte ich mei-<lb/>
nen Lesern einen kleinen drastischen Vorfall aus meinem<lb/>
eigenen Leben, der sich erst vor wenigen Wochen ereignet<lb/>
hat, mittheilen. Jch hatte eine Köchin, die von uns mit<lb/>
einer unglaublichen Huld und Liebenswürdigkeit behan-<lb/>
delt wurde. So z. B. hatten wir sie in einer längeren<lb/>
Krankheit wie ein Kind des Hauses gepflegt. Unsere<lb/>
Wohnung war förmlich zu einem Hôtel für ihre Ver-<lb/>
wandtschaft geworden: ein Schwager und ein diabolischer<lb/>
Bube von Sohn genossen wochenlang unsere Gast-<lb/>
freundschaft.</p><lb/>
          <p>Trotz alledem wurde unser Gustchen von Tag zu<lb/>
Tag unverschämter und schließlich erreichte ihre Unver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0115] gegenüber sich verhalten und in allen andern Beziehungen ein sanftes Lamm sein, jeder Laune des Gebieters fol- gend? Wer gut zu regieren versteht, weiß selten gut zu gehorchen. Güte, die nicht mit Energie und Strenge gepaart ist, versteht das beste Dienstmädchen ganz und gar nicht. Eine schüchterne, sanfte Frau kommt ihr ziemlich ver- ächtlich vor. Die derben prosaischen Kinder des Volks lauschen nicht den Harfentönen eines zartbesaiteten Gemüths, das ewig Weibliche zieht sie nicht hinan, nur einer charakter- vollen Persönlichkeit unterwerfen sie sich. Zur Jllustrirung dieser Behauptung möchte ich mei- nen Lesern einen kleinen drastischen Vorfall aus meinem eigenen Leben, der sich erst vor wenigen Wochen ereignet hat, mittheilen. Jch hatte eine Köchin, die von uns mit einer unglaublichen Huld und Liebenswürdigkeit behan- delt wurde. So z. B. hatten wir sie in einer längeren Krankheit wie ein Kind des Hauses gepflegt. Unsere Wohnung war förmlich zu einem Hôtel für ihre Ver- wandtschaft geworden: ein Schwager und ein diabolischer Bube von Sohn genossen wochenlang unsere Gast- freundschaft. Trotz alledem wurde unser Gustchen von Tag zu Tag unverschämter und schließlich erreichte ihre Unver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/115
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/115>, abgerufen am 24.11.2024.