ten Staate bleiben, aber sie sind es nicht bis auf unsere Zeit geblieben. Es fragt sich also, ob es sich der Mühe verlohne, die Probe mit ihnen zu machen? Freylich könnte man sie für Geld von Kriegsdiensten dispensiren; aber Leben und Geld sind sich nicht gleich am Werthe. Haben die Juden erst alle bürgerliche Rechte, so wird jeder ihrer Mitbürger auch von ih- nen erwarten, daß sie alle bürgerliche Lasten in Na- tura mit ihnen gemeinschaftlich tragen, und sauer darzu sehen, wenn die Juden sich für Geld frey kau- fen können. Die Instanz von den Quäkern ent- scheidet hier nichts, sie sind nach Proportion, was die Juden mit der Zeit der Anzahl nach seyn können, nur eine Handvoll Leute, die im Ganzen nicht be- merkt werden.
Freylich würde die Bevölkerung zusehends ge- winnen, wenn den Juden das Heyrathen nicht er- schwert würde, da der Jude aus Religion gern früh heyrathet, um vielleicht, wenn das Glück gut geht, der Vater des Messias zu werden. Aber es fragt sich, ob dem Staate mit einer solchen Bevölkerung gedient sey? Ich setze voraus, daß der Ackerbau und der Militärstand recht gut ohne Juden bestehen könne, daß wir an Handwerkern eher Ueberfluß als Mangel haben, und daß sich die Christen, wenig-
stens
ten Staate bleiben, aber ſie ſind es nicht bis auf unſere Zeit geblieben. Es fragt ſich alſo, ob es ſich der Muͤhe verlohne, die Probe mit ihnen zu machen? Freylich koͤnnte man ſie fuͤr Geld von Kriegsdienſten diſpenſiren; aber Leben und Geld ſind ſich nicht gleich am Werthe. Haben die Juden erſt alle buͤrgerliche Rechte, ſo wird jeder ihrer Mitbuͤrger auch von ih- nen erwarten, daß ſie alle buͤrgerliche Laſten in Na- tura mit ihnen gemeinſchaftlich tragen, und ſauer darzu ſehen, wenn die Juden ſich fuͤr Geld frey kau- fen koͤnnen. Die Inſtanz von den Quaͤkern ent- ſcheidet hier nichts, ſie ſind nach Proportion, was die Juden mit der Zeit der Anzahl nach ſeyn koͤnnen, nur eine Handvoll Leute, die im Ganzen nicht be- merkt werden.
Freylich wuͤrde die Bevoͤlkerung zuſehends ge- winnen, wenn den Juden das Heyrathen nicht er- ſchwert wuͤrde, da der Jude aus Religion gern fruͤh heyrathet, um vielleicht, wenn das Gluͤck gut geht, der Vater des Meſſias zu werden. Aber es fragt ſich, ob dem Staate mit einer ſolchen Bevoͤlkerung gedient ſey? Ich ſetze voraus, daß der Ackerbau und der Militaͤrſtand recht gut ohne Juden beſtehen koͤnne, daß wir an Handwerkern eher Ueberfluß als Mangel haben, und daß ſich die Chriſten, wenig-
ſtens
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ten Staate bleiben, aber ſie ſind es nicht bis auf
unſere Zeit geblieben. Es fragt ſich alſo, ob es ſich
der Muͤhe verlohne, die Probe mit ihnen zu machen?
Freylich koͤnnte man ſie fuͤr Geld von Kriegsdienſten
diſpenſiren; aber Leben und Geld ſind ſich nicht gleich
am Werthe. Haben die Juden erſt alle buͤrgerliche
Rechte, ſo wird jeder ihrer Mitbuͤrger auch von ih-
nen erwarten, daß ſie alle buͤrgerliche Laſten in Na-
tura mit ihnen gemeinſchaftlich tragen, und ſauer
darzu ſehen, wenn die Juden ſich fuͤr Geld frey kau-
fen koͤnnen. Die Inſtanz von den Quaͤkern ent-
ſcheidet hier nichts, ſie ſind nach Proportion, was
die Juden mit der Zeit der Anzahl nach ſeyn koͤnnen,
nur eine Handvoll Leute, die im Ganzen nicht be-
merkt werden.
Freylich wuͤrde die Bevoͤlkerung zuſehends ge-
winnen, wenn den Juden das Heyrathen nicht er-
ſchwert wuͤrde, da der Jude aus Religion gern fruͤh
heyrathet, um vielleicht, wenn das Gluͤck gut geht,
der Vater des Meſſias zu werden. Aber es fragt
ſich, ob dem Staate mit einer ſolchen Bevoͤlkerung
gedient ſey? Ich ſetze voraus, daß der Ackerbau
und der Militaͤrſtand recht gut ohne Juden beſtehen
koͤnne, daß wir an Handwerkern eher Ueberfluß als
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/114>, abgerufen am 25.11.2024.
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