sie thun, oder wir müssen die alten Bewohner emi- griren lassen, um den Juden Platz zu machen. Aber es giebt noch Länder gnug, wo Raum, mehr Raum als bey uns ist, und unsere Segenswünsche sollen ihnen folgen, wenn sie dort eine bessere Auf- nahme finden werden. Ich glaube in der That von unserm Zeitalter, daß das Elend der Juden am längsten gewährt hat, und eine tolerantere Den- kungsart, die immer mehr Land gewinnt, wird auch sie in Schutz nehmen. Es kommt nur sehr auf das gute Betragen der Juden selbst an, ihr Glück fest zu gründen, wenn ihnen die Sonne aufgeht; sonst trift sie das alte Elend wieder, wenn erst un- sern erleuchteten Fürsten schwächere folgen sollten, deren Ohr die neidische Bigotterie eher haben dürfte, und dis müssen sie in katholischen Staaten beson- ders fürchten.
Der Herr Kriegesrath Dohm hat seine Mey- nung gesagt und zwar mit recht vieler Einsicht, und, was noch besser ist, mit einer edlen Absicht. Ich habe die meinige auch gesagt, und gewiß mit einem warmen Mitleiden für eine unglückliche Nation, der ich von Herzen ein besseres Schicksal wünschen mögte. Aber großen Trost konnt' ich ihr nicht geben, wenigstens nicht so große Erwartungen, als Herr
Dohm.
ſie thun, oder wir muͤſſen die alten Bewohner emi- griren laſſen, um den Juden Platz zu machen. Aber es giebt noch Laͤnder gnug, wo Raum, mehr Raum als bey uns iſt, und unſere Segenswuͤnſche ſollen ihnen folgen, wenn ſie dort eine beſſere Auf- nahme finden werden. Ich glaube in der That von unſerm Zeitalter, daß das Elend der Juden am laͤngſten gewaͤhrt hat, und eine tolerantere Den- kungsart, die immer mehr Land gewinnt, wird auch ſie in Schutz nehmen. Es kommt nur ſehr auf das gute Betragen der Juden ſelbſt an, ihr Gluͤck feſt zu gruͤnden, wenn ihnen die Sonne aufgeht; ſonſt trift ſie das alte Elend wieder, wenn erſt un- ſern erleuchteten Fuͤrſten ſchwaͤchere folgen ſollten, deren Ohr die neidiſche Bigotterie eher haben duͤrfte, und dis muͤſſen ſie in katholiſchen Staaten beſon- ders fuͤrchten.
Der Herr Kriegesrath Dohm hat ſeine Mey- nung geſagt und zwar mit recht vieler Einſicht, und, was noch beſſer iſt, mit einer edlen Abſicht. Ich habe die meinige auch geſagt, und gewiß mit einem warmen Mitleiden fuͤr eine ungluͤckliche Nation, der ich von Herzen ein beſſeres Schickſal wuͤnſchen moͤgte. Aber großen Troſt konnt’ ich ihr nicht geben, wenigſtens nicht ſo große Erwartungen, als Herr
Dohm.
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ſie thun, oder wir muͤſſen die alten Bewohner emi-
griren laſſen, um den Juden Platz zu machen.
Aber es giebt noch Laͤnder gnug, wo Raum, mehr
Raum als bey uns iſt, und unſere Segenswuͤnſche
ſollen ihnen folgen, wenn ſie dort eine beſſere Auf-
nahme finden werden. Ich glaube in der That von
unſerm Zeitalter, daß das Elend der Juden am
laͤngſten gewaͤhrt hat, und eine tolerantere Den-
kungsart, die immer mehr Land gewinnt, wird
auch ſie in Schutz nehmen. Es kommt nur ſehr auf
das gute Betragen der Juden ſelbſt an, ihr Gluͤck
feſt zu gruͤnden, wenn ihnen die Sonne aufgeht;
ſonſt trift ſie das alte Elend wieder, wenn erſt un-
ſern erleuchteten Fuͤrſten ſchwaͤchere folgen ſollten,
deren Ohr die neidiſche Bigotterie eher haben duͤrfte,
und dis muͤſſen ſie in katholiſchen Staaten beſon-
ders fuͤrchten.
Der Herr Kriegesrath Dohm hat ſeine Mey-
nung geſagt und zwar mit recht vieler Einſicht, und,
was noch beſſer iſt, mit einer edlen Abſicht. Ich
habe die meinige auch geſagt, und gewiß mit einem
warmen Mitleiden fuͤr eine ungluͤckliche Nation,
der ich von Herzen ein beſſeres Schickſal wuͤnſchen
moͤgte. Aber großen Troſt konnt’ ich ihr nicht geben,
wenigſtens nicht ſo große Erwartungen, als Herr
Dohm.
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/117>, abgerufen am 25.11.2024.
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