Reichen den Druck sehr fühlen, und der Pöbel un- ter den Juden ist gegen ihn so abgestümpft, wie un- sere Leibeigene Bauren gegen den Druck ihrer Herrn. Sie werden freylich antworten: eben dieses abge- stumpfte Gefühl ist ein desto größerer Beweis von Elend, und die Vorzüge der reichern Juden taugen eben so wenig, als die Unterdrückung der andern *). -- Aber lassen Sie mich noch etwas von den Vor- zügen anführen, den der Jude in der itzigen Ver- fassung wirklich vor den Christen voraus hat. Ueber- all ist er frey von allen Arten von Frohndiensten, theils weil die Christen-Sklaven nicht mit den be- schnittenen Sklaven in Gesellschaft arbeiten wollen, theils weil man ihn für zu ungeschickt zu schwerer Arbeit hält, die er auch nicht gewohnt ist. Einen Umstand müssen wir auch nicht vergessen, der die Juden stolz macht und überredet über die Christen hinschauen zu können, das ist nicht nur die Patro- cinanz der reichen Juden, durch Geldleihen sogar an die ersten christlichen Häuser im Lande, auch an Höfe -- sondern vornehmlich auch die freywillige Knechtschaft der Christen, den Juden am Sabbath zu dienen. Ich erinnere mich keines Landes, wo hierüber ein Verboth existirte, das doch allein hin-
rei-
*) Freilich ist diese Antwort ganz in meinem Sinn. D.
K 3
Reichen den Druck ſehr fuͤhlen, und der Poͤbel un- ter den Juden iſt gegen ihn ſo abgeſtuͤmpft, wie un- ſere Leibeigene Bauren gegen den Druck ihrer Herrn. Sie werden freylich antworten: eben dieſes abge- ſtumpfte Gefuͤhl iſt ein deſto groͤßerer Beweis von Elend, und die Vorzuͤge der reichern Juden taugen eben ſo wenig, als die Unterdruͤckung der andern *). — Aber laſſen Sie mich noch etwas von den Vor- zuͤgen anfuͤhren, den der Jude in der itzigen Ver- faſſung wirklich vor den Chriſten voraus hat. Ueber- all iſt er frey von allen Arten von Frohndienſten, theils weil die Chriſten-Sklaven nicht mit den be- ſchnittenen Sklaven in Geſellſchaft arbeiten wollen, theils weil man ihn fuͤr zu ungeſchickt zu ſchwerer Arbeit haͤlt, die er auch nicht gewohnt iſt. Einen Umſtand muͤſſen wir auch nicht vergeſſen, der die Juden ſtolz macht und uͤberredet uͤber die Chriſten hinſchauen zu koͤnnen, das iſt nicht nur die Patro- cinanz der reichen Juden, durch Geldleihen ſogar an die erſten chriſtlichen Haͤuſer im Lande, auch an Hoͤfe — ſondern vornehmlich auch die freywillige Knechtſchaft der Chriſten, den Juden am Sabbath zu dienen. Ich erinnere mich keines Landes, wo hieruͤber ein Verboth exiſtirte, das doch allein hin-
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*) Freilich iſt dieſe Antwort ganz in meinem Sinn. D.
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Reichen den Druck ſehr fuͤhlen, und der Poͤbel un-
ter den Juden iſt gegen ihn ſo abgeſtuͤmpft, wie un-
ſere Leibeigene Bauren gegen den Druck ihrer Herrn.
Sie werden freylich antworten: eben dieſes abge-
ſtumpfte Gefuͤhl iſt ein deſto groͤßerer Beweis von
Elend, und die Vorzuͤge der reichern Juden taugen
eben ſo wenig, als die Unterdruͤckung der andern *).
— Aber laſſen Sie mich noch etwas von den Vor-
zuͤgen anfuͤhren, den der Jude in der itzigen Ver-
faſſung wirklich vor den Chriſten voraus hat. Ueber-
all iſt er frey von allen Arten von Frohndienſten,
theils weil die Chriſten-Sklaven nicht mit den be-
ſchnittenen Sklaven in Geſellſchaft arbeiten wollen,
theils weil man ihn fuͤr zu ungeſchickt zu ſchwerer
Arbeit haͤlt, die er auch nicht gewohnt iſt. Einen
Umſtand muͤſſen wir auch nicht vergeſſen, der die
Juden ſtolz macht und uͤberredet uͤber die Chriſten
hinſchauen zu koͤnnen, das iſt nicht nur die Patro-
cinanz der reichen Juden, durch Geldleihen ſogar an
die erſten chriſtlichen Haͤuſer im Lande, auch an
Hoͤfe — ſondern vornehmlich auch die freywillige
Knechtſchaft der Chriſten, den Juden am Sabbath
zu dienen. Ich erinnere mich keines Landes, wo
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*) Freilich iſt dieſe Antwort ganz in meinem Sinn. D.
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/157>, abgerufen am 24.11.2024.
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