Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

sten und noch immer in gewissem Maaße fortdauren-
de, diese, daß der Grundsatz von einem allein seelig-
machenden Glauben
und einer göttlich befohl-
nen Verfolgung der Andersdenkenden
, alle wah-
ren und natürlichen Begriffe von den Verhältnissen
der bürgerlichen zu der religiösen Gesellschaft und von
den Rechten der Menschen in Absicht ihrer Meynun-
gen, ganz verdrängt und verwirrt und uns dahin ge-
bracht hat, daß wir mit befremdenden Erstaunen es
ansehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge-
fühl ihrer Rechte erwachen und sie gegen die grau ge-
wordenen Usurpationen geltend machen wollen. Und
noch wirken diese Vorurtheile zu stark, als daß wir
Itztlebende hoffen dürften, noch den allgemein ver-
breiteten Glanz des Tages zu sehen, da nur zu oft
auch in unserer neuesten Periode, eine täuschende
Morgenröthe bald wieder in traurige Abenddämme-
rung sich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch
das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po-
litische Interesse verstanden und beherzigt wird, desto
mehr muß auch das religiöse System ihm unterge-
ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann
gewiß auch der größte Vortheil für die wahre und
ächte Religion seyn wird.

Und
O 3

ſten und noch immer in gewiſſem Maaße fortdauren-
de, dieſe, daß der Grundſatz von einem allein ſeelig-
machenden Glauben
und einer goͤttlich befohl-
nen Verfolgung der Andersdenkenden
, alle wah-
ren und natuͤrlichen Begriffe von den Verhaͤltniſſen
der buͤrgerlichen zu der religioͤſen Geſellſchaft und von
den Rechten der Menſchen in Abſicht ihrer Meynun-
gen, ganz verdraͤngt und verwirrt und uns dahin ge-
bracht hat, daß wir mit befremdenden Erſtaunen es
anſehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge-
fuͤhl ihrer Rechte erwachen und ſie gegen die grau ge-
wordenen Uſurpationen geltend machen wollen. Und
noch wirken dieſe Vorurtheile zu ſtark, als daß wir
Itztlebende hoffen duͤrften, noch den allgemein ver-
breiteten Glanz des Tages zu ſehen, da nur zu oft
auch in unſerer neueſten Periode, eine taͤuſchende
Morgenroͤthe bald wieder in traurige Abenddaͤmme-
rung ſich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch
das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po-
litiſche Intereſſe verſtanden und beherzigt wird, deſto
mehr muß auch das religioͤſe Syſtem ihm unterge-
ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann
gewiß auch der groͤßte Vortheil fuͤr die wahre und
aͤchte Religion ſeyn wird.

Und
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="213"/>
&#x017F;ten und noch immer in gewi&#x017F;&#x017F;em Maaße fortdauren-<lb/>
de, <hi rendition="#fr">die&#x017F;e</hi>, daß der Grund&#x017F;atz von einem allein <hi rendition="#fr">&#x017F;eelig-<lb/>
machenden Glauben</hi> und einer <hi rendition="#fr">go&#x0364;ttlich befohl-<lb/>
nen Verfolgung der Andersdenkenden</hi>, alle wah-<lb/>
ren und natu&#x0364;rlichen Begriffe von den Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der bu&#x0364;rgerlichen zu der religio&#x0364;&#x017F;en Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und von<lb/>
den Rechten der Men&#x017F;chen in Ab&#x017F;icht ihrer Meynun-<lb/>
gen, ganz verdra&#x0364;ngt und verwirrt und uns dahin ge-<lb/>
bracht hat, daß wir mit befremdenden Er&#x017F;taunen es<lb/>
an&#x017F;ehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge-<lb/>
fu&#x0364;hl ihrer Rechte erwachen und &#x017F;ie gegen die grau ge-<lb/>
wordenen U&#x017F;urpationen geltend machen wollen. Und<lb/>
noch wirken die&#x017F;e Vorurtheile zu &#x017F;tark, als daß wir<lb/>
Itztlebende hoffen du&#x0364;rften, noch den allgemein ver-<lb/>
breiteten Glanz des Tages zu &#x017F;ehen, da nur zu oft<lb/>
auch in un&#x017F;erer neue&#x017F;ten Periode, eine ta&#x0364;u&#x017F;chende<lb/>
Morgenro&#x0364;the bald wieder in traurige Abendda&#x0364;mme-<lb/>
rung &#x017F;ich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch<lb/>
das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po-<lb/>
liti&#x017F;che Intere&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;tanden und beherzigt wird, de&#x017F;to<lb/>
mehr muß auch das religio&#x0364;&#x017F;e Sy&#x017F;tem ihm unterge-<lb/>
ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann<lb/>
gewiß auch der gro&#x0364;ßte Vortheil fu&#x0364;r die wahre und<lb/>
a&#x0364;chte Religion &#x017F;eyn wird.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">O 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0221] ſten und noch immer in gewiſſem Maaße fortdauren- de, dieſe, daß der Grundſatz von einem allein ſeelig- machenden Glauben und einer goͤttlich befohl- nen Verfolgung der Andersdenkenden, alle wah- ren und natuͤrlichen Begriffe von den Verhaͤltniſſen der buͤrgerlichen zu der religioͤſen Geſellſchaft und von den Rechten der Menſchen in Abſicht ihrer Meynun- gen, ganz verdraͤngt und verwirrt und uns dahin ge- bracht hat, daß wir mit befremdenden Erſtaunen es anſehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge- fuͤhl ihrer Rechte erwachen und ſie gegen die grau ge- wordenen Uſurpationen geltend machen wollen. Und noch wirken dieſe Vorurtheile zu ſtark, als daß wir Itztlebende hoffen duͤrften, noch den allgemein ver- breiteten Glanz des Tages zu ſehen, da nur zu oft auch in unſerer neueſten Periode, eine taͤuſchende Morgenroͤthe bald wieder in traurige Abenddaͤmme- rung ſich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po- litiſche Intereſſe verſtanden und beherzigt wird, deſto mehr muß auch das religioͤſe Syſtem ihm unterge- ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann gewiß auch der groͤßte Vortheil fuͤr die wahre und aͤchte Religion ſeyn wird. Und O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/221
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/221>, abgerufen am 18.12.2024.