den Sinn des Worts: Unehrlichkeit verfehlt hät- ten, die sie so vielen damit bisher bloß ihrer Lebens- art wegen Befleckten abnahmen. Sie mochten die altdeutsche Bedeutung dieses Worts aus der Geschich- te noch so gut wissen, so mußten sie als Gesetzgeber auf dieselbe durchaus keine Rücksicht nehmen, und sie nicht sich abhalten lassen, den für unsere Zeiten nothwendigen und wichtigen Grundsatz fest zu setzen, daß kein Geschäft oder Arbeit irgend Jemand schänden und in dem heutigen Sinn des Worts unehrlich machen könne. Sie konnten auch hie- rinn um so weniger Bedenken finden, da in Absicht der meisten sogenannten Unehrlichen ihnen schon ältere Reichsgesetze *) vorgegangen waren, deren Verfügung die Reichsschlüsse von 1731 und 1772 nur bestätigt und erweitert haben. Nicht eher als in dem letztern hat man es gewagt, auch den Kin- dern der Nachrichter die Erlernung der Handwerke zu gestatten, doch mit der Clausul, daß sie die Lebens- art ihrer Eltern nicht getrieben haben müssen, -- eine Nachgiebigkeit, die vieleicht ein zu allgemeines Vorurtheil noch erforderte, da der Reichsschluß von
1731
*) Nä[m]lich die Reichsabschiede und Policeyord- nungen von 1530, 1548 und 1577.
den Sinn des Worts: Unehrlichkeit verfehlt haͤt- ten, die ſie ſo vielen damit bisher bloß ihrer Lebens- art wegen Befleckten abnahmen. Sie mochten die altdeutſche Bedeutung dieſes Worts aus der Geſchich- te noch ſo gut wiſſen, ſo mußten ſie als Geſetzgeber auf dieſelbe durchaus keine Ruͤckſicht nehmen, und ſie nicht ſich abhalten laſſen, den fuͤr unſere Zeiten nothwendigen und wichtigen Grundſatz feſt zu ſetzen, daß kein Geſchaͤft oder Arbeit irgend Jemand ſchaͤnden und in dem heutigen Sinn des Worts unehrlich machen koͤnne. Sie konnten auch hie- rinn um ſo weniger Bedenken finden, da in Abſicht der meiſten ſogenannten Unehrlichen ihnen ſchon aͤltere Reichsgeſetze *) vorgegangen waren, deren Verfuͤgung die Reichsſchluͤſſe von 1731 und 1772 nur beſtaͤtigt und erweitert haben. Nicht eher als in dem letztern hat man es gewagt, auch den Kin- dern der Nachrichter die Erlernung der Handwerke zu geſtatten, doch mit der Clauſul, daß ſie die Lebens- art ihrer Eltern nicht getrieben haben muͤſſen, — eine Nachgiebigkeit, die vieleicht ein zu allgemeines Vorurtheil noch erforderte, da der Reichsſchluß von
1731
*) Naͤ[m]lich die Reichsabſchiede und Policeyord- nungen von 1530, 1548 und 1577.
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den Sinn des Worts: Unehrlichkeit verfehlt haͤt-
ten, die ſie ſo vielen damit bisher bloß ihrer Lebens-
art wegen Befleckten abnahmen. Sie mochten die
altdeutſche Bedeutung dieſes Worts aus der Geſchich-
te noch ſo gut wiſſen, ſo mußten ſie als Geſetzgeber
auf dieſelbe durchaus keine Ruͤckſicht nehmen, und
ſie nicht ſich abhalten laſſen, den fuͤr unſere Zeiten
nothwendigen und wichtigen Grundſatz feſt zu ſetzen,
daß kein Geſchaͤft oder Arbeit irgend Jemand
ſchaͤnden und in dem heutigen Sinn des Worts
unehrlich machen koͤnne. Sie konnten auch hie-
rinn um ſo weniger Bedenken finden, da in Abſicht
der meiſten ſogenannten Unehrlichen ihnen ſchon
aͤltere Reichsgeſetze *) vorgegangen waren, deren
Verfuͤgung die Reichsſchluͤſſe von 1731 und 1772
nur beſtaͤtigt und erweitert haben. Nicht eher als
in dem letztern hat man es gewagt, auch den Kin-
dern der Nachrichter die Erlernung der Handwerke
zu geſtatten, doch mit der Clauſul, daß ſie die Lebens-
art ihrer Eltern nicht getrieben haben muͤſſen, —
eine Nachgiebigkeit, die vieleicht ein zu allgemeines
Vorurtheil noch erforderte, da der Reichsſchluß von
1731
*) Naͤmlich die Reichsabſchiede und Policeyord-
nungen von 1530, 1548 und 1577.
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/288>, abgerufen am 28.11.2024.
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