weitesten Umfange offen stehen und die so oft eines besondern Vertrauens der Fürsten in Münz- und an- dern Geschäften, nicht immer zum Vortheil der Un- terthanen, gewürdigt sind. Wenn die Gesetze es bis- her den Zünften nicht zur Pflicht gemacht haben, auch jüdische Knaben anzunehmen, so liegt der Grund davon ohne Zweifel darinn, daß von der einen Seite die Juden bis itzt eben so wenig Lust als Fähigkeit zu den Handwerken bezeugten, und von der andern Seite, diese ihnen in den meisten Ländern ausdrücklich untersagt waren. Denn so gut ich auch die Stärke des Vorurtheils kenne, kann ich mich doch nicht über- zeugen, daß eben die Gesetzgeber, welche die Unge- reimtheit anerkannten, die Söhne der Leinweber, Müller, Schäfer, Nachrichter, für unehrlich und zur Arbeit unfähig zu halten, doch noch immer in Absicht der Juden hierinn, wie der Pöbel, gedacht und sie geflissentlich übergangen haben sollten. Die Gesetzgebung hat auch in manchen Ländern in der
That
gehabt, sondern aus Noth, Verzweiflung und Lie- derlichkeit dieß Geschäft freywillig übernommen ha- be; dagegen hatten viele Söhne der hiesigen Ab- decker sich in die Fremde verlaufen, wahrscheinlich in der Absicht dort unbekannt das Geschäft, zu dem die Geburt sie hier verdammte, zu verlassen.
weiteſten Umfange offen ſtehen und die ſo oft eines beſondern Vertrauens der Fuͤrſten in Muͤnz- und an- dern Geſchaͤften, nicht immer zum Vortheil der Un- terthanen, gewuͤrdigt ſind. Wenn die Geſetze es bis- her den Zuͤnften nicht zur Pflicht gemacht haben, auch juͤdiſche Knaben anzunehmen, ſo liegt der Grund davon ohne Zweifel darinn, daß von der einen Seite die Juden bis itzt eben ſo wenig Luſt als Faͤhigkeit zu den Handwerken bezeugten, und von der andern Seite, dieſe ihnen in den meiſten Laͤndern ausdruͤcklich unterſagt waren. Denn ſo gut ich auch die Staͤrke des Vorurtheils kenne, kann ich mich doch nicht uͤber- zeugen, daß eben die Geſetzgeber, welche die Unge- reimtheit anerkannten, die Soͤhne der Leinweber, Muͤller, Schaͤfer, Nachrichter, fuͤr unehrlich und zur Arbeit unfaͤhig zu halten, doch noch immer in Abſicht der Juden hierinn, wie der Poͤbel, gedacht und ſie gefliſſentlich uͤbergangen haben ſollten. Die Geſetzgebung hat auch in manchen Laͤndern in der
That
gehabt, ſondern aus Noth, Verzweiflung und Lie- derlichkeit dieß Geſchaͤft freywillig uͤbernommen ha- be; dagegen hatten viele Soͤhne der hieſigen Ab- decker ſich in die Fremde verlaufen, wahrſcheinlich in der Abſicht dort unbekannt das Geſchaͤft, zu dem die Geburt ſie hier verdammte, zu verlaſſen.
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weiteſten Umfange offen ſtehen und die ſo oft eines
beſondern Vertrauens der Fuͤrſten in Muͤnz- und an-
dern Geſchaͤften, nicht immer zum Vortheil der Un-
terthanen, gewuͤrdigt ſind. Wenn die Geſetze es bis-
her den Zuͤnften nicht zur Pflicht gemacht haben,
auch juͤdiſche Knaben anzunehmen, ſo liegt der Grund
davon ohne Zweifel darinn, daß von der einen Seite
die Juden bis itzt eben ſo wenig Luſt als Faͤhigkeit zu
den Handwerken bezeugten, und von der andern
Seite, dieſe ihnen in den meiſten Laͤndern ausdruͤcklich
unterſagt waren. Denn ſo gut ich auch die Staͤrke des
Vorurtheils kenne, kann ich mich doch nicht uͤber-
zeugen, daß eben die Geſetzgeber, welche die Unge-
reimtheit anerkannten, die Soͤhne der Leinweber,
Muͤller, Schaͤfer, Nachrichter, fuͤr unehrlich und
zur Arbeit unfaͤhig zu halten, doch noch immer in
Abſicht der Juden hierinn, wie der Poͤbel, gedacht
und ſie gefliſſentlich uͤbergangen haben ſollten. Die
Geſetzgebung hat auch in manchen Laͤndern in der
That
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**) gehabt, ſondern aus Noth, Verzweiflung und Lie-
derlichkeit dieß Geſchaͤft freywillig uͤbernommen ha-
be; dagegen hatten viele Soͤhne der hieſigen Ab-
decker ſich in die Fremde verlaufen, wahrſcheinlich
in der Abſicht dort unbekannt das Geſchaͤft, zu dem
die Geburt ſie hier verdammte, zu verlaſſen.
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/291>, abgerufen am 16.06.2024.
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