Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

mal geschehen, so versteht sich, daß alsdann jene nur
für eine Zeit und aus Noth gemachte Verfügungen
wieder aufhören, und Alles wider sich selbst überlas-
sen werden müsse. Wer gegen alle künstliche und zuwei-
len sogar gewaltsame Mittel sich erklärt, bedenkt nicht,
daß wir uns nicht mehr im natürlichen Zustande be-
finden, daß vielmehr unsere so mannichfach verwik-
kelte Verfassungen uns längst an künstliche Mittel ge-
wöhnt haben und diese uns wirklich natürlich ge-
worden sind.

Die Umbildung einer so beträchtlichen Menge
bisher der Gesellschaft nicht nur lästiger, sondern wirk-
lich schädlicher und für sich unglücklicher Menschen
zu brauchbaren und beglückten Bürgern, ist ein so
wichtiger Vortheil, daß er, dünkt mich, auch durch
noch größere Einschränkungen und beschwerlichere
Zwanggesetze, als ich vorgeschlagen habe, nicht zu
theuer erkauft würde. Ich vertheidige deshalb diese
Einschränkungen, nicht an sich, also auch nicht
in andern Umständen
, auch nicht für immer,
sondern nur als Mittel zu diesem besondern Zweck,
nur, wenn man will, als kleineres Uebel, um
ein größeres abzuwenden. Aus diesem Gesichts-
punkte halte ich es alle dings für billig, die Juden
durch Befreyungen und Belohnungen zu Handwer-

kern

mal geſchehen, ſo verſteht ſich, daß alsdann jene nur
fuͤr eine Zeit und aus Noth gemachte Verfuͤgungen
wieder aufhoͤren, und Alles wider ſich ſelbſt uͤberlaſ-
ſen werden muͤſſe. Wer gegen alle kuͤnſtliche und zuwei-
len ſogar gewaltſame Mittel ſich erklaͤrt, bedenkt nicht,
daß wir uns nicht mehr im natuͤrlichen Zuſtande be-
finden, daß vielmehr unſere ſo mannichfach verwik-
kelte Verfaſſungen uns laͤngſt an kuͤnſtliche Mittel ge-
woͤhnt haben und dieſe uns wirklich natuͤrlich ge-
worden ſind.

Die Umbildung einer ſo betraͤchtlichen Menge
bisher der Geſellſchaft nicht nur laͤſtiger, ſondern wirk-
lich ſchaͤdlicher und fuͤr ſich ungluͤcklicher Menſchen
zu brauchbaren und begluͤckten Buͤrgern, iſt ein ſo
wichtiger Vortheil, daß er, duͤnkt mich, auch durch
noch groͤßere Einſchraͤnkungen und beſchwerlichere
Zwanggeſetze, als ich vorgeſchlagen habe, nicht zu
theuer erkauft wuͤrde. Ich vertheidige deshalb dieſe
Einſchraͤnkungen, nicht an ſich, alſo auch nicht
in andern Umſtaͤnden
, auch nicht fuͤr immer,
ſondern nur als Mittel zu dieſem beſondern Zweck,
nur, wenn man will, als kleineres Uebel, um
ein groͤßeres abzuwenden. Aus dieſem Geſichts-
punkte halte ich es alle dings fuͤr billig, die Juden
durch Befreyungen und Belohnungen zu Handwer-

kern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0304" n="296"/>
mal ge&#x017F;chehen, &#x017F;o ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß alsdann jene nur<lb/>
fu&#x0364;r eine Zeit und aus Noth gemachte Verfu&#x0364;gungen<lb/>
wieder aufho&#x0364;ren, und Alles wider &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Wer gegen alle ku&#x0364;n&#x017F;tliche und zuwei-<lb/>
len &#x017F;ogar gewalt&#x017F;ame Mittel &#x017F;ich erkla&#x0364;rt, bedenkt nicht,<lb/>
daß wir uns nicht mehr im natu&#x0364;rlichen Zu&#x017F;tande be-<lb/>
finden, daß vielmehr un&#x017F;ere &#x017F;o mannichfach verwik-<lb/>
kelte Verfa&#x017F;&#x017F;ungen uns la&#x0364;ng&#x017F;t an ku&#x0364;n&#x017F;tliche Mittel ge-<lb/>
wo&#x0364;hnt haben und die&#x017F;e uns wirklich natu&#x0364;rlich ge-<lb/>
worden &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Die Umbildung einer &#x017F;o betra&#x0364;chtlichen Menge<lb/>
bisher der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nicht nur la&#x0364;&#x017F;tiger, &#x017F;ondern wirk-<lb/>
lich &#x017F;cha&#x0364;dlicher und fu&#x0364;r &#x017F;ich unglu&#x0364;cklicher Men&#x017F;chen<lb/>
zu brauchbaren und beglu&#x0364;ckten Bu&#x0364;rgern, i&#x017F;t ein &#x017F;o<lb/>
wichtiger Vortheil, daß er, du&#x0364;nkt mich, auch durch<lb/>
noch gro&#x0364;ßere Ein&#x017F;chra&#x0364;nkungen und be&#x017F;chwerlichere<lb/>
Zwangge&#x017F;etze, als ich vorge&#x017F;chlagen habe, nicht zu<lb/>
theuer erkauft wu&#x0364;rde. Ich vertheidige deshalb die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#fr">Ein&#x017F;chra&#x0364;nkungen, nicht an &#x017F;ich</hi>, al&#x017F;o auch <hi rendition="#fr">nicht<lb/>
in andern Um&#x017F;ta&#x0364;nden</hi>, auch <hi rendition="#fr">nicht fu&#x0364;r immer</hi>,<lb/>
&#x017F;ondern nur als Mittel zu die&#x017F;em be&#x017F;ondern Zweck,<lb/>
nur, wenn man will, als <hi rendition="#fr">kleineres Uebel</hi>, um<lb/>
ein <hi rendition="#fr">gro&#x0364;ßeres</hi> abzuwenden. Aus die&#x017F;em Ge&#x017F;ichts-<lb/>
punkte halte ich es alle dings fu&#x0364;r billig, die Juden<lb/>
durch Befreyungen und Belohnungen zu Handwer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kern</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0304] mal geſchehen, ſo verſteht ſich, daß alsdann jene nur fuͤr eine Zeit und aus Noth gemachte Verfuͤgungen wieder aufhoͤren, und Alles wider ſich ſelbſt uͤberlaſ- ſen werden muͤſſe. Wer gegen alle kuͤnſtliche und zuwei- len ſogar gewaltſame Mittel ſich erklaͤrt, bedenkt nicht, daß wir uns nicht mehr im natuͤrlichen Zuſtande be- finden, daß vielmehr unſere ſo mannichfach verwik- kelte Verfaſſungen uns laͤngſt an kuͤnſtliche Mittel ge- woͤhnt haben und dieſe uns wirklich natuͤrlich ge- worden ſind. Die Umbildung einer ſo betraͤchtlichen Menge bisher der Geſellſchaft nicht nur laͤſtiger, ſondern wirk- lich ſchaͤdlicher und fuͤr ſich ungluͤcklicher Menſchen zu brauchbaren und begluͤckten Buͤrgern, iſt ein ſo wichtiger Vortheil, daß er, duͤnkt mich, auch durch noch groͤßere Einſchraͤnkungen und beſchwerlichere Zwanggeſetze, als ich vorgeſchlagen habe, nicht zu theuer erkauft wuͤrde. Ich vertheidige deshalb dieſe Einſchraͤnkungen, nicht an ſich, alſo auch nicht in andern Umſtaͤnden, auch nicht fuͤr immer, ſondern nur als Mittel zu dieſem beſondern Zweck, nur, wenn man will, als kleineres Uebel, um ein groͤßeres abzuwenden. Aus dieſem Geſichts- punkte halte ich es alle dings fuͤr billig, die Juden durch Befreyungen und Belohnungen zu Handwer- kern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/304
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/304>, abgerufen am 27.11.2024.