2) "Es giebt ein Buch, Sepher Chesidim, worinn "steht: daß vier Sünden nicht ungestraft blei- "ben, wenn man aber Buße thue, werde man "doch in dieser Weit für dieselbe gestraft, dage- "gen aber von der Strafe der Hölle befreyet." Ich kenne das Buch Sepher Chesidim nicht, weiß auch nicht, in welchem Ansehnes bey den itzigen Juden stehe, welchen practischen Einfluß es auf sie haben könne? Eisennienger selbst sagt, daß sich viel gute Dinge darinn finden, und wenn das Angeführte eine Pro- be des Bösen drinn seyn soll, so dünkt mich, dürfte es eben nicht so verwerflich seyn, wenigstens werden wir von ihm keine Beförderung unmoralischer Grund- sätze zu besorgen haben. Der Glaube, daß der Meyneyd auch im Fall der Buße, doch zeitlich bestraft werde, (ein allerdings auch im mosaischen Gesetz gegründeter Glaube) wird auch den rohesten Menschen nicht leichtsinniger machen, als er ohne- dem ist, vielmehr ein gerade für ihn am meisten pas- sender Abhaltungsgrund seyn, und so viel wirken, als es nach dem ganzen übrigen Umfange seiner Er- kenntniß möglich ist. Wehe dem Menschen, den nichts als ewige Höllenstrafe von einem so schändlichen Verbrechen abhalten kann! Schwerlich wird auch diese den Elenden schrecken, wenn die, auch im Fall
der
2) „Es giebt ein Buch, Sepher Cheſidim, worinn „ſteht: daß vier Suͤnden nicht ungeſtraft blei- „ben, wenn man aber Buße thue, werde man „doch in dieſer Weit fuͤr dieſelbe geſtraft, dage- „gen aber von der Strafe der Hoͤlle befreyet.“ Ich kenne das Buch Sepher Cheſidim nicht, weiß auch nicht, in welchem Anſehnes bey den itzigen Juden ſtehe, welchen practiſchen Einfluß es auf ſie haben koͤnne? Eiſennienger ſelbſt ſagt, daß ſich viel gute Dinge darinn finden, und wenn das Angefuͤhrte eine Pro- be des Boͤſen drinn ſeyn ſoll, ſo duͤnkt mich, duͤrfte es eben nicht ſo verwerflich ſeyn, wenigſtens werden wir von ihm keine Befoͤrderung unmoraliſcher Grund- ſaͤtze zu beſorgen haben. Der Glaube, daß der Meyneyd auch im Fall der Buße, doch zeitlich beſtraft werde, (ein allerdings auch im moſaiſchen Geſetz gegruͤndeter Glaube) wird auch den roheſten Menſchen nicht leichtſinniger machen, als er ohne- dem iſt, vielmehr ein gerade fuͤr ihn am meiſten paſ- ſender Abhaltungsgrund ſeyn, und ſo viel wirken, als es nach dem ganzen uͤbrigen Umfange ſeiner Er- kenntniß moͤglich iſt. Wehe dem Menſchen, den nichts als ewige Hoͤllenſtrafe von einem ſo ſchaͤndlichen Verbrechen abhalten kann! Schwerlich wird auch dieſe den Elenden ſchrecken, wenn die, auch im Fall
der
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2) „Es giebt ein Buch, Sepher Cheſidim, worinn
„ſteht: daß vier Suͤnden nicht ungeſtraft blei-
„ben, wenn man aber Buße thue, werde man
„doch in dieſer Weit fuͤr dieſelbe geſtraft, dage-
„gen aber von der Strafe der Hoͤlle befreyet.“ Ich
kenne das Buch Sepher Cheſidim nicht, weiß auch
nicht, in welchem Anſehnes bey den itzigen Juden ſtehe,
welchen practiſchen Einfluß es auf ſie haben koͤnne?
Eiſennienger ſelbſt ſagt, daß ſich viel gute Dinge
darinn finden, und wenn das Angefuͤhrte eine Pro-
be des Boͤſen drinn ſeyn ſoll, ſo duͤnkt mich, duͤrfte
es eben nicht ſo verwerflich ſeyn, wenigſtens werden
wir von ihm keine Befoͤrderung unmoraliſcher Grund-
ſaͤtze zu beſorgen haben. Der Glaube, daß der
Meyneyd auch im Fall der Buße, doch zeitlich
beſtraft werde, (ein allerdings auch im moſaiſchen
Geſetz gegruͤndeter Glaube) wird auch den roheſten
Menſchen nicht leichtſinniger machen, als er ohne-
dem iſt, vielmehr ein gerade fuͤr ihn am meiſten paſ-
ſender Abhaltungsgrund ſeyn, und ſo viel wirken,
als es nach dem ganzen uͤbrigen Umfange ſeiner Er-
kenntniß moͤglich iſt. Wehe dem Menſchen, den nichts
als ewige Hoͤllenſtrafe von einem ſo ſchaͤndlichen
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/332>, abgerufen am 24.11.2024.
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