Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Katharine Schücking. Du hast es nie geahndet, nie gewußt, Wie groß mein Lieben ist zu dir gewesen, Nie hat dein klares Aug' in meiner Brust Die scheu verhüllte Runenschrift gelesen, Wenn du mir freundlich reichtest deine Hand, Und wir zusammen durch die Grüne wallten, Nicht wußtest du, daß wie ein Götterpfand Ich, wie ein köstlich Kleinod sie gehalten. Du sahst mich nicht als ich, ein heftig Kind, Vom ersten Kuß der jungen Muse trunken, Im Garten kniete, wo die Quelle rinnt, Und weinend in die Gräser bin gesunken; Als zitternd ich gedreht der Thüre Schloß, Da ich zum ersten Mal dich sollte schauen, Westphalens Dichterin, und wie da floß Durch mein bewegtes Herz ein selig Grauen. Sehr jung war ich und sehr an Liebe reich,
Begeisterung der Hauch von dem ich lebte; Ach! Manches ist zerstäubt, der Asche gleich, Was einst als Flamme durch die Adern bebte! Mein Blick war klar und mein Erkennen stark, Von seinem Throne mußte Manches steigen, Und was ich einst genannt des Lebens Mark, Das fühlt' ich jetzt mit frischem Stolz mein eigen. Katharine Schücking. Du haſt es nie geahndet, nie gewußt, Wie groß mein Lieben iſt zu dir geweſen, Nie hat dein klares Aug' in meiner Bruſt Die ſcheu verhüllte Runenſchrift geleſen, Wenn du mir freundlich reichteſt deine Hand, Und wir zuſammen durch die Grüne wallten, Nicht wußteſt du, daß wie ein Götterpfand Ich, wie ein köſtlich Kleinod ſie gehalten. Du ſahſt mich nicht als ich, ein heftig Kind, Vom erſten Kuß der jungen Muſe trunken, Im Garten kniete, wo die Quelle rinnt, Und weinend in die Gräſer bin geſunken; Als zitternd ich gedreht der Thüre Schloß, Da ich zum erſten Mal dich ſollte ſchauen, Weſtphalens Dichterin, und wie da floß Durch mein bewegtes Herz ein ſelig Grauen. Sehr jung war ich und ſehr an Liebe reich,
Begeiſterung der Hauch von dem ich lebte; Ach! Manches iſt zerſtäubt, der Aſche gleich, Was einſt als Flamme durch die Adern bebte! Mein Blick war klar und mein Erkennen ſtark, Von ſeinem Throne mußte Manches ſteigen, Und was ich einſt genannt des Lebens Mark, Das fühlt' ich jetzt mit friſchem Stolz mein eigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0134" n="120"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Katharine Schücking.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du haſt es nie geahndet, nie gewußt,</l><lb/> <l>Wie groß mein Lieben iſt zu dir geweſen,</l><lb/> <l>Nie hat dein klares Aug' in meiner Bruſt</l><lb/> <l>Die ſcheu verhüllte Runenſchrift geleſen,</l><lb/> <l>Wenn du mir freundlich reichteſt deine Hand,</l><lb/> <l>Und wir zuſammen durch die Grüne wallten,</l><lb/> <l>Nicht wußteſt du, daß wie ein Götterpfand</l><lb/> <l>Ich, wie ein köſtlich Kleinod ſie gehalten.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Du ſahſt mich nicht als ich, ein heftig Kind,</l><lb/> <l>Vom erſten Kuß der jungen Muſe trunken,</l><lb/> <l>Im Garten kniete, wo die Quelle rinnt,</l><lb/> <l>Und weinend in die Gräſer bin geſunken;</l><lb/> <l>Als zitternd ich gedreht der Thüre Schloß,</l><lb/> <l>Da ich zum erſten Mal dich ſollte ſchauen,</l><lb/> <l>Weſtphalens Dichterin, und wie da floß</l><lb/> <l>Durch mein bewegtes Herz ein ſelig Grauen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Sehr jung war ich und ſehr an Liebe reich,</l><lb/> <l>Begeiſterung der Hauch von dem ich lebte;</l><lb/> <l>Ach! Manches iſt zerſtäubt, der Aſche gleich,</l><lb/> <l>Was einſt als Flamme durch die Adern bebte!</l><lb/> <l>Mein Blick war klar und mein Erkennen ſtark,</l><lb/> <l>Von ſeinem Throne mußte Manches ſteigen,</l><lb/> <l>Und was ich einſt genannt des Lebens Mark,</l><lb/> <l>Das fühlt' ich jetzt mit friſchem Stolz mein eigen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0134]
Katharine Schücking.
Du haſt es nie geahndet, nie gewußt,
Wie groß mein Lieben iſt zu dir geweſen,
Nie hat dein klares Aug' in meiner Bruſt
Die ſcheu verhüllte Runenſchrift geleſen,
Wenn du mir freundlich reichteſt deine Hand,
Und wir zuſammen durch die Grüne wallten,
Nicht wußteſt du, daß wie ein Götterpfand
Ich, wie ein köſtlich Kleinod ſie gehalten.
Du ſahſt mich nicht als ich, ein heftig Kind,
Vom erſten Kuß der jungen Muſe trunken,
Im Garten kniete, wo die Quelle rinnt,
Und weinend in die Gräſer bin geſunken;
Als zitternd ich gedreht der Thüre Schloß,
Da ich zum erſten Mal dich ſollte ſchauen,
Weſtphalens Dichterin, und wie da floß
Durch mein bewegtes Herz ein ſelig Grauen.
Sehr jung war ich und ſehr an Liebe reich,
Begeiſterung der Hauch von dem ich lebte;
Ach! Manches iſt zerſtäubt, der Aſche gleich,
Was einſt als Flamme durch die Adern bebte!
Mein Blick war klar und mein Erkennen ſtark,
Von ſeinem Throne mußte Manches ſteigen,
Und was ich einſt genannt des Lebens Mark,
Das fühlt' ich jetzt mit friſchem Stolz mein eigen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |