Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Durch das smaragdne Riesenlaub
Sah er die Lyra blinken,
Und über sie gleich goldnem Staub
Levante's Aether sinken.

O, wie zusammen da im Fall
Die alten Töne schwirrten,
Im Busen die Gefangnen all
Mit ihren Ketten klirrten!
"Ha, Leben, Jahre! und mein Sitz
Ist in den Säulenwänden,
Auch meine Lyra soll den Blitz
Durch die Smaragden senden!"
Ach, arme Frist, an solchem Schaft
Mit mattem Fuß zu klimmen,
Die Sehne seiner Jugendkraft,
Vermag er sie zu stimmen?
Und bald erseufzt er: "hin ist hin!
Vertrödelt ist verloren!
Die Scholle winkt, weh mir, ich bin
Zu früh, zu früh geboren!

Durch das ſmaragdne Rieſenlaub
Sah er die Lyra blinken,
Und über ſie gleich goldnem Staub
Levante's Aether ſinken.

O, wie zuſammen da im Fall
Die alten Töne ſchwirrten,
Im Buſen die Gefangnen all
Mit ihren Ketten klirrten!
„Ha, Leben, Jahre! und mein Sitz
Iſt in den Säulenwänden,
Auch meine Lyra ſoll den Blitz
Durch die Smaragden ſenden!“
Ach, arme Friſt, an ſolchem Schaft
Mit mattem Fuß zu klimmen,
Die Sehne ſeiner Jugendkraft,
Vermag er ſie zu ſtimmen?
Und bald erſeufzt er: „hin iſt hin!
Vertrödelt iſt verloren!
Die Scholle winkt, weh mir, ich bin
Zu früh, zu früh geboren!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="7">
              <pb facs="#f0165" n="151"/>
              <l>Durch das &#x017F;maragdne Rie&#x017F;enlaub</l><lb/>
              <l>Sah er die Lyra blinken,</l><lb/>
              <l>Und über &#x017F;ie gleich goldnem Staub</l><lb/>
              <l>Levante's Aether &#x017F;inken.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>O, wie zu&#x017F;ammen da im Fall</l><lb/>
              <l>Die alten Töne &#x017F;chwirrten,</l><lb/>
              <l>Im Bu&#x017F;en die Gefangnen all</l><lb/>
              <l>Mit ihren Ketten klirrten!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ha, Leben, Jahre! und mein Sitz</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t in den Säulenwänden,</l><lb/>
              <l>Auch meine Lyra &#x017F;oll den Blitz</l><lb/>
              <l>Durch die Smaragden &#x017F;enden!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Ach, arme Fri&#x017F;t, an &#x017F;olchem Schaft</l><lb/>
              <l>Mit mattem Fuß zu klimmen,</l><lb/>
              <l>Die Sehne &#x017F;einer Jugendkraft,</l><lb/>
              <l>Vermag er &#x017F;ie zu &#x017F;timmen?</l><lb/>
              <l>Und bald er&#x017F;eufzt er: &#x201E;hin i&#x017F;t hin!</l><lb/>
              <l>Vertrödelt i&#x017F;t verloren!</l><lb/>
              <l>Die Scholle winkt, weh mir, ich bin</l><lb/>
              <l>Zu früh, zu früh geboren!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0165] Durch das ſmaragdne Rieſenlaub Sah er die Lyra blinken, Und über ſie gleich goldnem Staub Levante's Aether ſinken. O, wie zuſammen da im Fall Die alten Töne ſchwirrten, Im Buſen die Gefangnen all Mit ihren Ketten klirrten! „Ha, Leben, Jahre! und mein Sitz Iſt in den Säulenwänden, Auch meine Lyra ſoll den Blitz Durch die Smaragden ſenden!“ Ach, arme Friſt, an ſolchem Schaft Mit mattem Fuß zu klimmen, Die Sehne ſeiner Jugendkraft, Vermag er ſie zu ſtimmen? Und bald erſeufzt er: „hin iſt hin! Vertrödelt iſt verloren! Die Scholle winkt, weh mir, ich bin Zu früh, zu früh geboren!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/165
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/165>, abgerufen am 24.11.2024.