Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Goldbraunen Löckchen! wie ich mich beflissen, Und dort die Hütte in der Tannenschlucht, Da naschten sie und ich der Rebe Frucht, Da fühlten wir das Blut so keimend treiben, Als müss' es immer frisch und schäumend bleiben; Des Ueberstandnen lachten wir im Hafen: Wie ich geschwankt, wie stehend ich geschlafen; Und wandelten am Rasenstreifen fort, Und musterten der Stämmchen schlanke Reihn, Und schwärmten, wie es müsse reizend seyn Nach fünfzehn Jahren dort! O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit! Wie sind die Bäume jetzt so starr und breit! Der Hütte Thür vermocht ich kaum zu regen, Da schoß mir Staub und wüst Gerüll entgegen, Und an dem blanken Gartensaale drüben Da steht 'ne schlanke Maid mit ihrem Lieben, Die schaun sich lächelnd in der Seele Grund, In ihren braunen Locken rollt der Wind; Gott segne dich, du bist geliebt, mein Kind, Bist fröhlich und gesund! Sie aber die vor Lustern dich gebar, Wie du so schön, so frisch und jugendklar, Goldbraunen Löckchen! wie ich mich befliſſen, Und dort die Hütte in der Tannenſchlucht, Da naſchten ſie und ich der Rebe Frucht, Da fühlten wir das Blut ſo keimend treiben, Als müſſ' es immer friſch und ſchäumend bleiben; Des Ueberſtandnen lachten wir im Hafen: Wie ich geſchwankt, wie ſtehend ich geſchlafen; Und wandelten am Raſenſtreifen fort, Und muſterten der Stämmchen ſchlanke Reihn, Und ſchwärmten, wie es müſſe reizend ſeyn Nach fünfzehn Jahren dort! O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit! Wie ſind die Bäume jetzt ſo ſtarr und breit! Der Hütte Thür vermocht ich kaum zu regen, Da ſchoß mir Staub und wüſt Gerüll entgegen, Und an dem blanken Gartenſaale drüben Da ſteht 'ne ſchlanke Maid mit ihrem Lieben, Die ſchaun ſich lächelnd in der Seele Grund, In ihren braunen Locken rollt der Wind; Gott ſegne dich, du biſt geliebt, mein Kind, Biſt fröhlich und geſund! Sie aber die vor Luſtern dich gebar, Wie du ſo ſchön, ſo friſch und jugendklar, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0206" n="192"/> <l>Goldbraunen Löckchen! wie ich mich befliſſen,</l><lb/> <l>Eh ich es führte an der Mutter Kiſſen!</l><lb/> <l>Und gute Sitte flüſtert' ich ihm ein,</l><lb/> <l>Gelobte ihm die Fabel von dem Schaf</l><lb/> <l>Und ſieben Zicklein, wenn es wolle brav,</l><lb/> <l>Recht brav und ſittig ſeyn.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und dort die Hütte in der Tannenſchlucht,</l><lb/> <l>Da naſchten ſie und ich der Rebe Frucht,</l><lb/> <l>Da fühlten wir das Blut ſo keimend treiben,</l><lb/> <l>Als müſſ' es immer friſch und ſchäumend bleiben;</l><lb/> <l>Des Ueberſtandnen lachten wir im Hafen:</l><lb/> <l>Wie ich geſchwankt, wie ſtehend ich geſchlafen;</l><lb/> <l>Und wandelten am Raſenſtreifen fort,</l><lb/> <l>Und muſterten der Stämmchen ſchlanke Reihn,</l><lb/> <l>Und ſchwärmten, wie es müſſe reizend ſeyn</l><lb/> <l>Nach fünfzehn Jahren dort!</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit!</l><lb/> <l>Wie ſind die Bäume jetzt ſo ſtarr und breit!</l><lb/> <l>Der Hütte Thür vermocht ich kaum zu regen,</l><lb/> <l>Da ſchoß mir Staub und wüſt Gerüll entgegen,</l><lb/> <l>Und an dem blanken Gartenſaale drüben</l><lb/> <l>Da ſteht 'ne ſchlanke Maid mit ihrem Lieben,</l><lb/> <l>Die ſchaun ſich lächelnd in der Seele Grund,</l><lb/> <l>In ihren braunen Locken rollt der Wind;</l><lb/> <l>Gott ſegne dich, du biſt geliebt, mein Kind,</l><lb/> <l>Biſt fröhlich und geſund!</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Sie aber die vor Luſtern dich gebar,</l><lb/> <l>Wie du ſo ſchön, ſo friſch und jugendklar,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0206]
Goldbraunen Löckchen! wie ich mich befliſſen,
Eh ich es führte an der Mutter Kiſſen!
Und gute Sitte flüſtert' ich ihm ein,
Gelobte ihm die Fabel von dem Schaf
Und ſieben Zicklein, wenn es wolle brav,
Recht brav und ſittig ſeyn.
Und dort die Hütte in der Tannenſchlucht,
Da naſchten ſie und ich der Rebe Frucht,
Da fühlten wir das Blut ſo keimend treiben,
Als müſſ' es immer friſch und ſchäumend bleiben;
Des Ueberſtandnen lachten wir im Hafen:
Wie ich geſchwankt, wie ſtehend ich geſchlafen;
Und wandelten am Raſenſtreifen fort,
Und muſterten der Stämmchen ſchlanke Reihn,
Und ſchwärmten, wie es müſſe reizend ſeyn
Nach fünfzehn Jahren dort!
O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit!
Wie ſind die Bäume jetzt ſo ſtarr und breit!
Der Hütte Thür vermocht ich kaum zu regen,
Da ſchoß mir Staub und wüſt Gerüll entgegen,
Und an dem blanken Gartenſaale drüben
Da ſteht 'ne ſchlanke Maid mit ihrem Lieben,
Die ſchaun ſich lächelnd in der Seele Grund,
In ihren braunen Locken rollt der Wind;
Gott ſegne dich, du biſt geliebt, mein Kind,
Biſt fröhlich und geſund!
Sie aber die vor Luſtern dich gebar,
Wie du ſo ſchön, ſo friſch und jugendklar,
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