Drauf saß man zu Kamin und Wein, Ließ von der Glut sich rösten, Und ätzte sich mit Schmeichelein, Den Alternden zu trösten. Ein Jeder warf den Hamen hin Als wohlgeübter Fischer, Und Jeder dachte still: "ich bin Gewiß um zehn Jahr frischer."
Man schüttelte die Hände derb, Dann gieng es an ein Fragen. Reich war des Medikus Erwerb, Und dennoch mocht' er klagen. Er sah den Franz bedenklich an, Und dacht', er steck' in Schulden, Doch dieser prahlt': er sey ein Mann Von "täglich seinem Gulden."
Zwei Jahre hat er nur gespart, Und dann, ein kecker Kämpfer, Gerasselt mit der Eisenfahrt, Gestrudelt mit dem Dämpfer! O wie er die "Stadt Leyden" pries, Und der Kajüte Gleißen! Nach seiner Meinung dürfte sie "Viktoria" nur heißen.
Das hat den Medikus gerührt, Ihm den bescheidnen Schlucker Lebendig vor das Aug' geführt, Der Klöße aß wie Zucker.
Drauf ſaß man zu Kamin und Wein, Ließ von der Glut ſich röſten, Und ätzte ſich mit Schmeichelein, Den Alternden zu tröſten. Ein Jeder warf den Hamen hin Als wohlgeübter Fiſcher, Und Jeder dachte ſtill: „ich bin Gewiß um zehn Jahr friſcher.“
Man ſchüttelte die Hände derb, Dann gieng es an ein Fragen. Reich war des Medikus Erwerb, Und dennoch mocht' er klagen. Er ſah den Franz bedenklich an, Und dacht', er ſteck' in Schulden, Doch dieſer prahlt': er ſey ein Mann Von „täglich ſeinem Gulden.“
Zwei Jahre hat er nur geſpart, Und dann, ein kecker Kämpfer, Geraſſelt mit der Eiſenfahrt, Geſtrudelt mit dem Dämpfer! O wie er die „Stadt Leyden“ pries, Und der Kajüte Gleißen! Nach ſeiner Meinung dürfte ſie „Viktoria“ nur heißen.
Das hat den Medikus gerührt, Ihm den beſcheidnen Schlucker Lebendig vor das Aug' geführt, Der Klöße aß wie Zucker.
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Drauf ſaß man zu Kamin und Wein,
Ließ von der Glut ſich röſten,
Und ätzte ſich mit Schmeichelein,
Den Alternden zu tröſten.
Ein Jeder warf den Hamen hin
Als wohlgeübter Fiſcher,
Und Jeder dachte ſtill: „ich bin
Gewiß um zehn Jahr friſcher.“
Man ſchüttelte die Hände derb,
Dann gieng es an ein Fragen.
Reich war des Medikus Erwerb,
Und dennoch mocht' er klagen.
Er ſah den Franz bedenklich an,
Und dacht', er ſteck' in Schulden,
Doch dieſer prahlt': er ſey ein Mann
Von „täglich ſeinem Gulden.“
Zwei Jahre hat er nur geſpart,
Und dann, ein kecker Kämpfer,
Geraſſelt mit der Eiſenfahrt,
Geſtrudelt mit dem Dämpfer!
O wie er die „Stadt Leyden“ pries,
Und der Kajüte Gleißen!
Nach ſeiner Meinung dürfte ſie
„Viktoria“ nur heißen.
Das hat den Medikus gerührt,
Ihm den beſcheidnen Schlucker
Lebendig vor das Aug' geführt,
Der Klöße aß wie Zucker.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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