<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0278"n="264"/><lgn="5"><l>Oed' war's, im Hohlweg leer,</l><lb/><l>Einſam im riſpelnden Wald;</l><lb/><l>Doch über'm Weiher, am Wehr,</l><lb/><l>Da fand ſie den Grafen bald.</l><lb/></lg><lgn="6"><l>In ſeinen Schatten ſie trat.</l><lb/><l>Er und ſeine Geſellen,</l><lb/><l>Die flüſtern und halten Rath,</l><lb/><l>Viel lauter rieſeln die Wellen.</l><lb/></lg><lgn="7"><l>Sie ſtarrten über das Land,</l><lb/><l>Genau ſie ſpähten, genau,</l><lb/><l>Sahn jedes Zweiglein am Strand,</l><lb/><l>Doch nicht am Wehre die Frau.</l><lb/></lg><lgn="8"><l>Zur Erde blickte der Graf,</l><lb/><l>So ſprach der Graf von Thal:</l><lb/><l>„Seit dreizehn Jahren den Schlaf</l><lb/><l>„Rachloſe Schmach mir ſtahl.“</l><lb/></lg><lgn="9"><l>„War das ein Seufzer lind?</l><lb/><l>„Geſellen, wer hat's gehört?“</l><lb/><l>Sprach Kurt: „Es iſt nur der Wind,</l><lb/><l>„Der über das Schilfblatt fährt.“—</l><lb/></lg><lgn="10"><l>„So ſchwör' ich bei'm höchſten Gut,</l><lb/><l>„Und wär's mein ehlich Weib,</l><lb/><l>„Und wär's meines Bruders Blut,</l><lb/><l>„Viel minder mein eigner Leib:“</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[264/0278]
Oed' war's, im Hohlweg leer,
Einſam im riſpelnden Wald;
Doch über'm Weiher, am Wehr,
Da fand ſie den Grafen bald.
In ſeinen Schatten ſie trat.
Er und ſeine Geſellen,
Die flüſtern und halten Rath,
Viel lauter rieſeln die Wellen.
Sie ſtarrten über das Land,
Genau ſie ſpähten, genau,
Sahn jedes Zweiglein am Strand,
Doch nicht am Wehre die Frau.
Zur Erde blickte der Graf,
So ſprach der Graf von Thal:
„Seit dreizehn Jahren den Schlaf
„Rachloſe Schmach mir ſtahl.“
„War das ein Seufzer lind?
„Geſellen, wer hat's gehört?“
Sprach Kurt: „Es iſt nur der Wind,
„Der über das Schilfblatt fährt.“ —
„So ſchwör' ich bei'm höchſten Gut,
„Und wär's mein ehlich Weib,
„Und wär's meines Bruders Blut,
„Viel minder mein eigner Leib:“
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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