Wie dämmerschaurig ist der Wald An neblichten Novembertagen, Wie wunderlich die Wildniß hallt Von Astgestöhn und Windesklagen! "Horch, Knabe, war das Waffenklang?" -- "Nein, gnäd'ger Herr! ein Vogel sang, Von Sturmesflügeln hergetragen." --
Fort trabt der mächtige Prälat, Der kühne Erzbischof von Cöllen, Er, den der Kaiser sich zum Rath Und Reichsverweser mochte stellen, Die ehrne Hand der Clerisey, -- Zwei Edelknaben, Reis'ger zwei, Und noch drei Aebte als Gesellen.
Gelassen trabt er fort, im Traum Von eines Wunderdomes Schöne, Auf seines Rosses Hals den Zaum, Er streicht ihm sanft die dichte Mähne, Die Windesodem senkt und schwellt; -- Es schaudert, wenn ein Tropfen fällt Von Ast und Laub, des Nebels Thräne.
Schon schwindelnd steigt das Kirchenschiff, Schon bilden sich die krausen Zacken -- Da, horch, ein Pfiff und hui, ein Griff, Ein Helmbusch hier, ein Arm im Nacken!
II.
Wie dämmerſchaurig iſt der Wald An neblichten Novembertagen, Wie wunderlich die Wildniß hallt Von Aſtgeſtöhn und Windesklagen! „Horch, Knabe, war das Waffenklang?“ — „Nein, gnäd'ger Herr! ein Vogel ſang, Von Sturmesflügeln hergetragen.“ —
Fort trabt der mächtige Prälat, Der kühne Erzbiſchof von Cöllen, Er, den der Kaiſer ſich zum Rath Und Reichsverweſer mochte ſtellen, Die ehrne Hand der Cleriſey, — Zwei Edelknaben, Reiſ'ger zwei, Und noch drei Aebte als Geſellen.
Gelaſſen trabt er fort, im Traum Von eines Wunderdomes Schöne, Auf ſeines Roſſes Hals den Zaum, Er ſtreicht ihm ſanft die dichte Mähne, Die Windesodem ſenkt und ſchwellt; — Es ſchaudert, wenn ein Tropfen fällt Von Aſt und Laub, des Nebels Thräne.
Schon ſchwindelnd ſteigt das Kirchenſchiff, Schon bilden ſich die krauſen Zacken — Da, horch, ein Pfiff und hui, ein Griff, Ein Helmbuſch hier, ein Arm im Nacken!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0290"n="276"/></div><divn="3"><head><hirendition="#aq">II</hi>.<lb/></head><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Wie dämmerſchaurig iſt der Wald</l><lb/><l>An neblichten Novembertagen,</l><lb/><l>Wie wunderlich die Wildniß hallt</l><lb/><l>Von Aſtgeſtöhn und Windesklagen!</l><lb/><l>„Horch, Knabe, war das Waffenklang?“—</l><lb/><l>„Nein, gnäd'ger Herr! ein Vogel ſang,</l><lb/><l>Von Sturmesflügeln hergetragen.“—</l><lb/></lg><lgn="2"><l>Fort trabt der mächtige Prälat,</l><lb/><l>Der kühne Erzbiſchof von Cöllen,</l><lb/><l>Er, den der Kaiſer ſich zum Rath</l><lb/><l>Und Reichsverweſer mochte ſtellen,</l><lb/><l>Die ehrne Hand der Cleriſey, —</l><lb/><l>Zwei Edelknaben, Reiſ'ger zwei,</l><lb/><l>Und noch drei Aebte als Geſellen.</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Gelaſſen trabt er fort, im Traum</l><lb/><l>Von eines Wunderdomes Schöne,</l><lb/><l>Auf ſeines Roſſes Hals den Zaum,</l><lb/><l>Er ſtreicht ihm ſanft die dichte Mähne,</l><lb/><l>Die Windesodem ſenkt und ſchwellt; —</l><lb/><l>Es ſchaudert, wenn ein Tropfen fällt</l><lb/><l>Von Aſt und Laub, des Nebels Thräne.</l><lb/></lg><lgn="4"><l>Schon ſchwindelnd ſteigt das Kirchenſchiff,</l><lb/><l>Schon bilden ſich die krauſen Zacken —</l><lb/><l>Da, horch, ein Pfiff und hui, ein Griff,</l><lb/><l>Ein Helmbuſch hier, ein Arm im Nacken!</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[276/0290]
II.
Wie dämmerſchaurig iſt der Wald
An neblichten Novembertagen,
Wie wunderlich die Wildniß hallt
Von Aſtgeſtöhn und Windesklagen!
„Horch, Knabe, war das Waffenklang?“ —
„Nein, gnäd'ger Herr! ein Vogel ſang,
Von Sturmesflügeln hergetragen.“ —
Fort trabt der mächtige Prälat,
Der kühne Erzbiſchof von Cöllen,
Er, den der Kaiſer ſich zum Rath
Und Reichsverweſer mochte ſtellen,
Die ehrne Hand der Cleriſey, —
Zwei Edelknaben, Reiſ'ger zwei,
Und noch drei Aebte als Geſellen.
Gelaſſen trabt er fort, im Traum
Von eines Wunderdomes Schöne,
Auf ſeines Roſſes Hals den Zaum,
Er ſtreicht ihm ſanft die dichte Mähne,
Die Windesodem ſenkt und ſchwellt; —
Es ſchaudert, wenn ein Tropfen fällt
Von Aſt und Laub, des Nebels Thräne.
Schon ſchwindelnd ſteigt das Kirchenſchiff,
Schon bilden ſich die krauſen Zacken —
Da, horch, ein Pfiff und hui, ein Griff,
Ein Helmbuſch hier, ein Arm im Nacken!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/290>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.