Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Und lauter, lauter dann wird das Rauschen, Strack steht Johann wie ein Lanzenknecht, Nicht möchte der gleißenden Wand er trau'n, Noch wäre der glimmernde Sitz ihm recht, Wo rutschen die Knappen mit zuckenden Brau'n. Da muß, o Himmel, wer sollt' es denken! Den frommen Herrn, den Friedrich von Brenken, Den alten stattlichen Ritter er schaun. "Mein Heiland, mach' ihn der Sünden baar!" Der Jüngling seufzet in schwerem Leid; Er hat ihm gedienet ein ganzes Jahr; Doch ungern kredenzt er den Becher ihm heut! Bei jedem Schlucke sieht er ihn schüttern, Ein blaues Wölkchen dem Schlund entzittern, Wie wenn auf Kohlen man Weihrauch streut. O manche Gestalt noch dämmert ihm auf, Dort sitzt sein Pathe, der Metternich, Und eben durch den wimmelnden Hauf Johann von Spiegel, der Schenke, strich; Prälaten auch, je viere und viere, Sie blättern und rispeln im grauen Breviere, Und zuckend krümmen die Finger sich. Und unten im Saale, da knöcheln frisch Schaumburger Grafen um Leut' und Land, Graf Simon schüttelt den Becher risch, Und reibt mitunter die knisternde Hand; Und lauter, lauter dann wird das Rauſchen, Strack ſteht Johann wie ein Lanzenknecht, Nicht möchte der gleißenden Wand er trau'n, Noch wäre der glimmernde Sitz ihm recht, Wo rutſchen die Knappen mit zuckenden Brau'n. Da muß, o Himmel, wer ſollt' es denken! Den frommen Herrn, den Friedrich von Brenken, Den alten ſtattlichen Ritter er ſchaun. „Mein Heiland, mach' ihn der Sünden baar!“ Der Jüngling ſeufzet in ſchwerem Leid; Er hat ihm gedienet ein ganzes Jahr; Doch ungern kredenzt er den Becher ihm heut! Bei jedem Schlucke ſieht er ihn ſchüttern, Ein blaues Wölkchen dem Schlund entzittern, Wie wenn auf Kohlen man Weihrauch ſtreut. O manche Geſtalt noch dämmert ihm auf, Dort ſitzt ſein Pathe, der Metternich, Und eben durch den wimmelnden Hauf Johann von Spiegel, der Schenke, ſtrich; Prälaten auch, je viere und viere, Sie blättern und riſpeln im grauen Breviere, Und zuckend krümmen die Finger ſich. Und unten im Saale, da knöcheln friſch Schaumburger Grafen um Leut' und Land, Graf Simon ſchüttelt den Becher riſch, Und reibt mitunter die kniſternde Hand; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="8"> <pb facs="#f0296" n="282"/> <l>Und lauter, lauter dann wird das Rauſchen,</l><lb/> <l>Wie Stürme die zornigen Seufzer tauſchen,</l><lb/> <l>Und wirrer ſummet das Glockengeläut.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Strack ſteht Johann wie ein Lanzenknecht,</l><lb/> <l>Nicht möchte der gleißenden Wand er trau'n,</l><lb/> <l>Noch wäre der glimmernde Sitz ihm recht,</l><lb/> <l>Wo rutſchen die Knappen mit zuckenden Brau'n.</l><lb/> <l>Da muß, o Himmel, wer ſollt' es denken!</l><lb/> <l>Den frommen Herrn, den Friedrich von Brenken,</l><lb/> <l>Den alten ſtattlichen Ritter er ſchaun.</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>„Mein Heiland, mach' ihn der Sünden baar!“</l><lb/> <l>Der Jüngling ſeufzet in ſchwerem Leid;</l><lb/> <l>Er hat ihm gedienet ein ganzes Jahr;</l><lb/> <l>Doch ungern kredenzt er den Becher ihm heut!</l><lb/> <l>Bei jedem Schlucke ſieht er ihn ſchüttern,</l><lb/> <l>Ein blaues Wölkchen dem Schlund entzittern,</l><lb/> <l>Wie wenn auf Kohlen man Weihrauch ſtreut.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>O manche Geſtalt noch dämmert ihm auf,</l><lb/> <l>Dort ſitzt ſein Pathe, der Metternich,</l><lb/> <l>Und eben durch den wimmelnden Hauf</l><lb/> <l>Johann von Spiegel, der Schenke, ſtrich;</l><lb/> <l>Prälaten auch, je viere und viere,</l><lb/> <l>Sie blättern und riſpeln im grauen Breviere,</l><lb/> <l>Und zuckend krümmen die Finger ſich.</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Und unten im Saale, da knöcheln friſch</l><lb/> <l>Schaumburger Grafen um Leut' und Land,</l><lb/> <l>Graf Simon ſchüttelt den Becher riſch,</l><lb/> <l>Und reibt mitunter die kniſternde Hand;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [282/0296]
Und lauter, lauter dann wird das Rauſchen,
Wie Stürme die zornigen Seufzer tauſchen,
Und wirrer ſummet das Glockengeläut.
Strack ſteht Johann wie ein Lanzenknecht,
Nicht möchte der gleißenden Wand er trau'n,
Noch wäre der glimmernde Sitz ihm recht,
Wo rutſchen die Knappen mit zuckenden Brau'n.
Da muß, o Himmel, wer ſollt' es denken!
Den frommen Herrn, den Friedrich von Brenken,
Den alten ſtattlichen Ritter er ſchaun.
„Mein Heiland, mach' ihn der Sünden baar!“
Der Jüngling ſeufzet in ſchwerem Leid;
Er hat ihm gedienet ein ganzes Jahr;
Doch ungern kredenzt er den Becher ihm heut!
Bei jedem Schlucke ſieht er ihn ſchüttern,
Ein blaues Wölkchen dem Schlund entzittern,
Wie wenn auf Kohlen man Weihrauch ſtreut.
O manche Geſtalt noch dämmert ihm auf,
Dort ſitzt ſein Pathe, der Metternich,
Und eben durch den wimmelnden Hauf
Johann von Spiegel, der Schenke, ſtrich;
Prälaten auch, je viere und viere,
Sie blättern und riſpeln im grauen Breviere,
Und zuckend krümmen die Finger ſich.
Und unten im Saale, da knöcheln friſch
Schaumburger Grafen um Leut' und Land,
Graf Simon ſchüttelt den Becher riſch,
Und reibt mitunter die kniſternde Hand;
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