Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Barmekiden Untergang. *
Reiche mir die Blutorange
Mit dem süßen Zauberdufte,
Sie die von den schönsten Lippen
Ihre Nahrung hat geraubt.
Sagt' ich es nicht, o Maimuna,
Flehend, händeringend, knieend,
Sagt' ich es zu sieben Malen,
Nicht zu tausend Malen dir?
"Laß, o Fürstin, diese Liebe!
Laß von dieser dunklen Liebe,
Dir die ganze Brust versengend,
Unheil bringend und Gefahr!
Daß nicht merk' es der Kaliphe,
Er, der zornbereite Bruder,
* Das Geschlecht der Barmekiden gehörte, zur Zeit des Kaliphats,
zu den edelsten, mächtigsten und zahlreichsten. Zuletzt war "Dschafer der
Barmekide" Großvezier des Kaliphen Harun-al-Reschid, und sein Liebling.
-- Die Schwester des Kaliphen, Maimuna, faßte eine glühende Leiden¬
schaft für den schönen und edlen Mann, und da sie sich ihm auf keine andre
Weise zu nähern wußte, betrat sie seinen Pallast in den Kleidern einer
Tänzerin -- Die Folge dieser Zusammenkunft war ein Verhältniß, das,
eine Reihe von Jahren verborgen geblieben, doch endlich zur Kenntniß des
Kaliphen gelangte, und den Untergang des ganzen Geschlechts nach sich
zog. -- Dschafer ward hingerichtet, sein Kopf über eins der Stadtthore
Bagdads aufgesteckt, und sämmtliche Barmekiden, in die Wüste getrieben,
unterlagen dort dem Hunger und Elende. -- Siehe "Rosenöl."
Der Barmekiden Untergang. *
Reiche mir die Blutorange
Mit dem ſüßen Zauberdufte,
Sie die von den ſchönſten Lippen
Ihre Nahrung hat geraubt.
Sagt' ich es nicht, o Maimuna,
Flehend, händeringend, knieend,
Sagt' ich es zu ſieben Malen,
Nicht zu tauſend Malen dir?
„Laß, o Fürſtin, dieſe Liebe!
Laß von dieſer dunklen Liebe,
Dir die ganze Bruſt verſengend,
Unheil bringend und Gefahr!
Daß nicht merk' es der Kaliphe,
Er, der zornbereite Bruder,
* Das Geſchlecht der Barmekiden gehörte, zur Zeit des Kaliphats,
zu den edelſten, mächtigſten und zahlreichſten. Zuletzt war „Dſchafer der
Barmekide“ Großvezier des Kaliphen Harun-al-Reſchid, und ſein Liebling.
— Die Schweſter des Kaliphen, Maimuna, faßte eine glühende Leiden¬
ſchaft für den ſchönen und edlen Mann, und da ſie ſich ihm auf keine andre
Weiſe zu nähern wußte, betrat ſie ſeinen Pallaſt in den Kleidern einer
Tänzerin — Die Folge dieſer Zuſammenkunft war ein Verhältniß, das,
eine Reihe von Jahren verborgen geblieben, doch endlich zur Kenntniß des
Kaliphen gelangte, und den Untergang des ganzen Geſchlechts nach ſich
zog. — Dſchafer ward hingerichtet, ſein Kopf über eins der Stadtthore
Bagdads aufgeſteckt, und ſämmtliche Barmekiden, in die Wüſte getrieben,
unterlagen dort dem Hunger und Elende. — Siehe „Roſenöl.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0366" n="352"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Barmekiden Untergang.</hi> <note place="foot" n="*">Das Ge&#x017F;chlecht der Barmekiden gehörte, zur Zeit des Kaliphats,<lb/>
zu den edel&#x017F;ten, mächtig&#x017F;ten und zahlreich&#x017F;ten. Zuletzt war &#x201E;D&#x017F;chafer der<lb/>
Barmekide&#x201C; Großvezier des Kaliphen Harun-al-Re&#x017F;chid, und &#x017F;ein Liebling.<lb/>
&#x2014; Die Schwe&#x017F;ter des Kaliphen, Maimuna, faßte eine glühende Leiden¬<lb/>
&#x017F;chaft für den &#x017F;chönen und edlen Mann, und da &#x017F;ie &#x017F;ich ihm auf keine andre<lb/>
Wei&#x017F;e zu nähern wußte, betrat &#x017F;ie &#x017F;einen Palla&#x017F;t in den Kleidern einer<lb/>
Tänzerin &#x2014; Die Folge die&#x017F;er Zu&#x017F;ammenkunft war ein Verhältniß, das,<lb/>
eine Reihe von Jahren verborgen geblieben, doch endlich zur Kenntniß des<lb/>
Kaliphen gelangte, und den Untergang des ganzen Ge&#x017F;chlechts nach &#x017F;ich<lb/>
zog. &#x2014; D&#x017F;chafer ward hingerichtet, &#x017F;ein Kopf über eins der Stadtthore<lb/>
Bagdads aufge&#x017F;teckt, und &#x017F;ämmtliche Barmekiden, in die Wü&#x017F;te getrieben,<lb/>
unterlagen dort dem Hunger und Elende. &#x2014; Siehe &#x201E;Ro&#x017F;enöl.&#x201C;<lb/></note><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Reiche mir die Blutorange</l><lb/>
              <l>Mit dem &#x017F;üßen Zauberdufte,</l><lb/>
              <l>Sie die von den &#x017F;chön&#x017F;ten Lippen</l><lb/>
              <l>Ihre Nahrung hat geraubt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Sagt' ich es nicht, o Maimuna,</l><lb/>
              <l>Flehend, händeringend, knieend,</l><lb/>
              <l>Sagt' ich es zu &#x017F;ieben Malen,</l><lb/>
              <l>Nicht zu tau&#x017F;end Malen dir?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>&#x201E;Laß, o Für&#x017F;tin, die&#x017F;e Liebe!</l><lb/>
              <l>Laß von die&#x017F;er dunklen Liebe,</l><lb/>
              <l>Dir die ganze Bru&#x017F;t ver&#x017F;engend,</l><lb/>
              <l>Unheil bringend und Gefahr!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Daß nicht merk' es der Kaliphe,</l><lb/>
              <l>Er, der zornbereite Bruder,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0366] Der Barmekiden Untergang. * Reiche mir die Blutorange Mit dem ſüßen Zauberdufte, Sie die von den ſchönſten Lippen Ihre Nahrung hat geraubt. Sagt' ich es nicht, o Maimuna, Flehend, händeringend, knieend, Sagt' ich es zu ſieben Malen, Nicht zu tauſend Malen dir? „Laß, o Fürſtin, dieſe Liebe! Laß von dieſer dunklen Liebe, Dir die ganze Bruſt verſengend, Unheil bringend und Gefahr! Daß nicht merk' es der Kaliphe, Er, der zornbereite Bruder, * Das Geſchlecht der Barmekiden gehörte, zur Zeit des Kaliphats, zu den edelſten, mächtigſten und zahlreichſten. Zuletzt war „Dſchafer der Barmekide“ Großvezier des Kaliphen Harun-al-Reſchid, und ſein Liebling. — Die Schweſter des Kaliphen, Maimuna, faßte eine glühende Leiden¬ ſchaft für den ſchönen und edlen Mann, und da ſie ſich ihm auf keine andre Weiſe zu nähern wußte, betrat ſie ſeinen Pallaſt in den Kleidern einer Tänzerin — Die Folge dieſer Zuſammenkunft war ein Verhältniß, das, eine Reihe von Jahren verborgen geblieben, doch endlich zur Kenntniß des Kaliphen gelangte, und den Untergang des ganzen Geſchlechts nach ſich zog. — Dſchafer ward hingerichtet, ſein Kopf über eins der Stadtthore Bagdads aufgeſteckt, und ſämmtliche Barmekiden, in die Wüſte getrieben, unterlagen dort dem Hunger und Elende. — Siehe „Roſenöl.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/366
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/366>, abgerufen am 22.11.2024.