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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Und faule Spiegel, blau und grün,
Wie Regenbogen drüber ziehn.

In Mitten starrt ein dunkler Fleck, vom Riesenauge die
Pupille,
Dort steigt die Wasserlilj' empor, dem Fußtritt lauschend
durch die Stille;
Wen sie verlockt mit ihrem Schein, der hat sein letztes Lied
gesungen;
Drei Tage suchte man das Kind umsonst in Kraut und
Wasserbungen,
Wo Egel sich und Kanker jetzt
An seinen bleichen Gliedchen letzt.
Der Täuscher steht, den Arm verschränkt, und stuurt ver¬
düstert in die Lache,
Sein Haar voll Laub und Kletten bauscht sich finster an der
Krempe Dache,
Gleich einem Senkblei scheint der Blick des Kolkes tiefsten
Grund zu messen,
Zur Seite schaut er, rückwärts dann, kein Strauch, kein
Hälmchen wird vergessen,
Greift dann behend zum Gürtelband
Und hält ein Fläschlein in der Hand.
Kaum hat das Ohr sich überzeugt, im Glase klingle das
Gerispel,
Ein Wimmeln kaum das Aug' erhascht, wie spinnefüßelndes
Gewispel,
Da, hui! pfeifts im Schwung' und, hui! fährts an der
Lilie Krone nieder,
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 25

Und faule Spiegel, blau und grün,
Wie Regenbogen drüber ziehn.

In Mitten ſtarrt ein dunkler Fleck, vom Rieſenauge die
Pupille,
Dort ſteigt die Waſſerlilj' empor, dem Fußtritt lauſchend
durch die Stille;
Wen ſie verlockt mit ihrem Schein, der hat ſein letztes Lied
geſungen;
Drei Tage ſuchte man das Kind umſonſt in Kraut und
Waſſerbungen,
Wo Egel ſich und Kanker jetzt
An ſeinen bleichen Gliedchen letzt.
Der Täuſcher ſteht, den Arm verſchränkt, und ſtuurt ver¬
düſtert in die Lache,
Sein Haar voll Laub und Kletten bauſcht ſich finſter an der
Krempe Dache,
Gleich einem Senkblei ſcheint der Blick des Kolkes tiefſten
Grund zu meſſen,
Zur Seite ſchaut er, rückwärts dann, kein Strauch, kein
Hälmchen wird vergeſſen,
Greift dann behend zum Gürtelband
Und hält ein Fläſchlein in der Hand.
Kaum hat das Ohr ſich überzeugt, im Glaſe klingle das
Geriſpel,
Ein Wimmeln kaum das Aug' erhaſcht, wie ſpinnefüßelndes
Gewiſpel,
Da, hui! pfeifts im Schwung' und, hui! fährts an der
Lilie Krone nieder,
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 25
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[385/0399] Und faule Spiegel, blau und grün, Wie Regenbogen drüber ziehn. In Mitten ſtarrt ein dunkler Fleck, vom Rieſenauge die Pupille, Dort ſteigt die Waſſerlilj' empor, dem Fußtritt lauſchend durch die Stille; Wen ſie verlockt mit ihrem Schein, der hat ſein letztes Lied geſungen; Drei Tage ſuchte man das Kind umſonſt in Kraut und Waſſerbungen, Wo Egel ſich und Kanker jetzt An ſeinen bleichen Gliedchen letzt. Der Täuſcher ſteht, den Arm verſchränkt, und ſtuurt ver¬ düſtert in die Lache, Sein Haar voll Laub und Kletten bauſcht ſich finſter an der Krempe Dache, Gleich einem Senkblei ſcheint der Blick des Kolkes tiefſten Grund zu meſſen, Zur Seite ſchaut er, rückwärts dann, kein Strauch, kein Hälmchen wird vergeſſen, Greift dann behend zum Gürtelband Und hält ein Fläſchlein in der Hand. Kaum hat das Ohr ſich überzeugt, im Glaſe klingle das Geriſpel, Ein Wimmeln kaum das Aug' erhaſcht, wie ſpinnefüßelndes Gewiſpel, Da, hui! pfeifts im Schwung' und, hui! fährts an der Lilie Krone nieder, v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 25

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/399>, abgerufen am 22.11.2024.