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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Durch das Gezweig' ein Sonnenstrahl bohrt in des Horchers
Scheitellocke,
Die aus dem dunklen Wulste glimmt wie Seegewürmes
Feuerflocke;
Er steht und lauscht, er lauscht und steht, vernimmst du
nicht ein feines Schrillen,
Ein Rieseln, wie wenn Sandgekörn auf Estrich stäubt durch
schmale Rillen?
So scharf es geht, so bohrend ein,
Wie Sensenwetzen am Gestein.
Der Täuscher richtet sich, er seufzt, dann drängend nach des
Forstes Mitte,
An eklem Pilze klirrt der Sporn und Blasen schwellen unterm
Tritte,
Hier wuchern Kress' und Binsenwust, Gewürme klebt an
jedem Halme,
Insektenwirbel wimmelt auf und nieder in des Mooses
Qualme,
Und zischend, mit geschwelltem Kamm,
Die Eidechs sucht den hohlen Stamm.
Der Wandrer bricht die Rank', er reißt und wüthet in den
Brombeerhecken,
Da seitwärts durch Geröhres Speer erglänzt des Kolkes
Dintenbecken,
Ein wüster Kübel, wie getränkt mit schweflichen Asphaltes
Jauche,
Langbeinig füßelnd Larvenvolk regt sich in Fadenschlamm
und Lauche,
Durch das Gezweig' ein Sonnenſtrahl bohrt in des Horchers
Scheitellocke,
Die aus dem dunklen Wulſte glimmt wie Seegewürmes
Feuerflocke;
Er ſteht und lauſcht, er lauſcht und ſteht, vernimmſt du
nicht ein feines Schrillen,
Ein Rieſeln, wie wenn Sandgekörn auf Eſtrich ſtäubt durch
ſchmale Rillen?
So ſcharf es geht, ſo bohrend ein,
Wie Senſenwetzen am Geſtein.
Der Täuſcher richtet ſich, er ſeufzt, dann drängend nach des
Forſtes Mitte,
An eklem Pilze klirrt der Sporn und Blaſen ſchwellen unterm
Tritte,
Hier wuchern Kreſſ' und Binſenwuſt, Gewürme klebt an
jedem Halme,
Inſektenwirbel wimmelt auf und nieder in des Mooſes
Qualme,
Und ziſchend, mit geſchwelltem Kamm,
Die Eidechs ſucht den hohlen Stamm.
Der Wandrer bricht die Rank', er reißt und wüthet in den
Brombeerhecken,
Da ſeitwärts durch Geröhres Speer erglänzt des Kolkes
Dintenbecken,
Ein wüſter Kübel, wie getränkt mit ſchweflichen Asphaltes
Jauche,
Langbeinig füßelnd Larvenvolk regt ſich in Fadenſchlamm
und Lauche,
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[384/0398] Durch das Gezweig' ein Sonnenſtrahl bohrt in des Horchers Scheitellocke, Die aus dem dunklen Wulſte glimmt wie Seegewürmes Feuerflocke; Er ſteht und lauſcht, er lauſcht und ſteht, vernimmſt du nicht ein feines Schrillen, Ein Rieſeln, wie wenn Sandgekörn auf Eſtrich ſtäubt durch ſchmale Rillen? So ſcharf es geht, ſo bohrend ein, Wie Senſenwetzen am Geſtein. Der Täuſcher richtet ſich, er ſeufzt, dann drängend nach des Forſtes Mitte, An eklem Pilze klirrt der Sporn und Blaſen ſchwellen unterm Tritte, Hier wuchern Kreſſ' und Binſenwuſt, Gewürme klebt an jedem Halme, Inſektenwirbel wimmelt auf und nieder in des Mooſes Qualme, Und ziſchend, mit geſchwelltem Kamm, Die Eidechs ſucht den hohlen Stamm. Der Wandrer bricht die Rank', er reißt und wüthet in den Brombeerhecken, Da ſeitwärts durch Geröhres Speer erglänzt des Kolkes Dintenbecken, Ein wüſter Kübel, wie getränkt mit ſchweflichen Asphaltes Jauche, Langbeinig füßelnd Larvenvolk regt ſich in Fadenſchlamm und Lauche,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/398>, abgerufen am 22.11.2024.