Und immer starrt das Auge her, als ob kein Augenlied es schatte, Ein dunkles Haar, ein Nacken hebt sich langsam an des Tisches Platte, Dann plötzlich schließt sich eine Hand Und im Moment der Schein verschwand.
Es tappt die Diel' entlang, es stampft wie Männertritt auf weichen Sohlen, Behutsam tastend an der Wand will Jemand Rathes sich erholen, Dann leise klinkt der Thüre Schloß, die losgezognen Riegel pfeifen, Durch das Gemach, verzitternd, scheu, gießt sich ein matter Dämmerstreifen, Und in dem Rahmen, duftumweht Im Nachtgewand der Täuscher steht.
Wie ist die stämmige Gestalt zum sehnenharten Knorren worden! Wie manches, manches graue Haar schattirt sich an der Schläfe Borden! O, diese Falten um den Mund, wo leise Kummerzüge lauern -- So mocht an Babels Strömen einst der grollende Prophete trauern, So der Verfehmte sonder Rast, Wie ihn Salvator * aufgefaßt.
* Salvator Rosa.
Und immer ſtarrt das Auge her, als ob kein Augenlied es ſchatte, Ein dunkles Haar, ein Nacken hebt ſich langſam an des Tiſches Platte, Dann plötzlich ſchließt ſich eine Hand Und im Moment der Schein verſchwand.
Es tappt die Diel' entlang, es ſtampft wie Männertritt auf weichen Sohlen, Behutſam taſtend an der Wand will Jemand Rathes ſich erholen, Dann leiſe klinkt der Thüre Schloß, die losgezognen Riegel pfeifen, Durch das Gemach, verzitternd, ſcheu, gießt ſich ein matter Dämmerſtreifen, Und in dem Rahmen, duftumweht Im Nachtgewand der Täuſcher ſteht.
Wie iſt die ſtämmige Geſtalt zum ſehnenharten Knorren worden! Wie manches, manches graue Haar ſchattirt ſich an der Schläfe Borden! O, dieſe Falten um den Mund, wo leiſe Kummerzüge lauern — So mocht an Babels Strömen einſt der grollende Prophete trauern, So der Verfehmte ſonder Raſt, Wie ihn Salvator * aufgefaßt.
* Salvator Roſa.
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Und immer ſtarrt das Auge her, als ob kein Augenlied es
ſchatte,
Ein dunkles Haar, ein Nacken hebt ſich langſam an des
Tiſches Platte,
Dann plötzlich ſchließt ſich eine Hand
Und im Moment der Schein verſchwand.
Es tappt die Diel' entlang, es ſtampft wie Männertritt auf
weichen Sohlen,
Behutſam taſtend an der Wand will Jemand Rathes ſich
erholen,
Dann leiſe klinkt der Thüre Schloß, die losgezognen Riegel
pfeifen,
Durch das Gemach, verzitternd, ſcheu, gießt ſich ein matter
Dämmerſtreifen,
Und in dem Rahmen, duftumweht
Im Nachtgewand der Täuſcher ſteht.
Wie iſt die ſtämmige Geſtalt zum ſehnenharten Knorren
worden!
Wie manches, manches graue Haar ſchattirt ſich an der
Schläfe Borden!
O, dieſe Falten um den Mund, wo leiſe Kummerzüge
lauern —
So mocht an Babels Strömen einſt der grollende Prophete
trauern,
So der Verfehmte ſonder Raſt,
Wie ihn Salvator * aufgefaßt.
* Salvator Roſa.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/402>, abgerufen am 22.11.2024.
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