Gottlob! jetzt hebt die Leuchte auf! Leicht wird des Weges Rest vollbracht, Ein Schimmer, nach dem Ausgang weisend, Des Tages erster Bote scheint. Ganz recht! hier öffnet sich das Thal! Die Brüder schau'n empor zumal: Montmort steht schwarz, die Jungfrau grau: Doch südlich im versenkten Blau Die mächt'ge Rosenkuppel schwebt, Bewegungslos am Aether hängt, Und unter ihr Gewölke webt. Es ist die Stirn, so stets empfängt Den ersten Strahl der niedersank, Es ist der Alpenfürst Montblanc.
Allein des Dunkels Ueberrest Verdoppelt auf die Fläche preßt; Formlose Massen noch, die Höh'n Im Horizont verschwimmend stehn. Nur links am breiten Felsenthurm Erscheint, ein mächt'ger Feuerwurm, Die ew'ge Lampe, deren Strahl So milde winkt in's Hospital. Noch tausend Schritt -- die Wandrer keuchen, Noch hundert Schritt -- sie stehn am Thor. Und eben bricht, ein glühend Zeichen, Verschämt der Jungfrau Stirn hervor. Was zaudert Bruder Pförtner noch? Vielleicht vom Schlummer aufgestört! Du alter Benoit, hat dich doch
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 29
Gottlob! jetzt hebt die Leuchte auf! Leicht wird des Weges Reſt vollbracht, Ein Schimmer, nach dem Ausgang weiſend, Des Tages erſter Bote ſcheint. Ganz recht! hier öffnet ſich das Thal! Die Brüder ſchau'n empor zumal: Montmort ſteht ſchwarz, die Jungfrau grau: Doch ſüdlich im verſenkten Blau Die mächt'ge Roſenkuppel ſchwebt, Bewegungslos am Aether hängt, Und unter ihr Gewölke webt. Es iſt die Stirn, ſo ſtets empfängt Den erſten Strahl der niederſank, Es iſt der Alpenfürſt Montblanc.
Allein des Dunkels Ueberreſt Verdoppelt auf die Fläche preßt; Formloſe Maſſen noch, die Höh'n Im Horizont verſchwimmend ſtehn. Nur links am breiten Felſenthurm Erſcheint, ein mächt'ger Feuerwurm, Die ew'ge Lampe, deren Strahl So milde winkt in's Hospital. Noch tauſend Schritt — die Wandrer keuchen, Noch hundert Schritt — ſie ſtehn am Thor. Und eben bricht, ein glühend Zeichen, Verſchämt der Jungfrau Stirn hervor. Was zaudert Bruder Pförtner noch? Vielleicht vom Schlummer aufgeſtört! Du alter Benoit, hat dich doch
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 29
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Gottlob! jetzt hebt die Leuchte auf!
Leicht wird des Weges Reſt vollbracht,
Ein Schimmer, nach dem Ausgang weiſend,
Des Tages erſter Bote ſcheint.
Ganz recht! hier öffnet ſich das Thal!
Die Brüder ſchau'n empor zumal:
Montmort ſteht ſchwarz, die Jungfrau grau:
Doch ſüdlich im verſenkten Blau
Die mächt'ge Roſenkuppel ſchwebt,
Bewegungslos am Aether hängt,
Und unter ihr Gewölke webt.
Es iſt die Stirn, ſo ſtets empfängt
Den erſten Strahl der niederſank,
Es iſt der Alpenfürſt Montblanc.
Allein des Dunkels Ueberreſt
Verdoppelt auf die Fläche preßt;
Formloſe Maſſen noch, die Höh'n
Im Horizont verſchwimmend ſtehn.
Nur links am breiten Felſenthurm
Erſcheint, ein mächt'ger Feuerwurm,
Die ew'ge Lampe, deren Strahl
So milde winkt in's Hospital.
Noch tauſend Schritt — die Wandrer keuchen,
Noch hundert Schritt — ſie ſtehn am Thor.
Und eben bricht, ein glühend Zeichen,
Verſchämt der Jungfrau Stirn hervor.
Was zaudert Bruder Pförtner noch?
Vielleicht vom Schlummer aufgeſtört!
Du alter Benoit, hat dich doch
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 29
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/463>, abgerufen am 22.11.2024.
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