Den Sennen blutig einst geschlagen." Hier stockt er, seufzt so tief betrübt, Daß jede Brust ihm Antwort gibt. "Als ich nach einem Ausweg sah Am Drance-Rand die Brüder suchen, Da fühlt' ich seine Kralle nah, Und innerlich begann zu fluchen. Und als nun sprach der Marronier: "Hier ist nur sichrer Tod zu holen," Und: "sey die Leiche Gott befohlen!" Es kribbelt mir durch alle Glieder: Den Alpstock hob ich in die Höh', Dem Himmel Dank, ich senkt' ihn wieder. Und als nun endlich, als am Strand Barry, das unerschrockne Thier, Ich treu auf seinem Posten fand: Da hab' ich, hab' in Zornes Brand Den Bruder einen Hund genannt." Er athmet auf: "Es ist heraus! Ihr Brüder, ach vergebt dem alten Verstockten Mann, was ich verbrach; Kein böses Beispiel bleibe nach. Vergib mir Bruder!" Ganz gebeugt Zum Marronier er langsam schleicht Und küßt voll Demuth ihm die Hand. Dann, eh noch Einer spricht ein Wort Vor Rührung, Staunen, tiefer Scham, Schon stapft er durch das Zimmer fort, Nicht ganz so trübe als er kam, Um sich in seine Zelle klein
Den Sennen blutig einſt geſchlagen.“ Hier ſtockt er, ſeufzt ſo tief betrübt, Daß jede Bruſt ihm Antwort gibt. „Als ich nach einem Ausweg ſah Am Drance-Rand die Brüder ſuchen, Da fühlt' ich ſeine Kralle nah, Und innerlich begann zu fluchen. Und als nun ſprach der Marronier: „Hier iſt nur ſichrer Tod zu holen,“ Und: „ſey die Leiche Gott befohlen!“ Es kribbelt mir durch alle Glieder: Den Alpſtock hob ich in die Höh', Dem Himmel Dank, ich ſenkt' ihn wieder. Und als nun endlich, als am Strand Barry, das unerſchrockne Thier, Ich treu auf ſeinem Poſten fand: Da hab' ich, hab' in Zornes Brand Den Bruder einen Hund genannt.“ Er athmet auf: „Es iſt heraus! Ihr Brüder, ach vergebt dem alten Verſtockten Mann, was ich verbrach; Kein böſes Beiſpiel bleibe nach. Vergib mir Bruder!“ Ganz gebeugt Zum Marronier er langſam ſchleicht Und küßt voll Demuth ihm die Hand. Dann, eh noch Einer ſpricht ein Wort Vor Rührung, Staunen, tiefer Scham, Schon ſtapft er durch das Zimmer fort, Nicht ganz ſo trübe als er kam, Um ſich in ſeine Zelle klein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="15"><pbfacs="#f0468"n="454"/><l>Den Sennen blutig einſt geſchlagen.“</l><lb/><l>Hier ſtockt er, ſeufzt ſo tief betrübt,</l><lb/><l>Daß jede Bruſt ihm Antwort gibt.</l><lb/><l>„Als ich nach einem Ausweg ſah</l><lb/><l>Am Drance-Rand die Brüder ſuchen,</l><lb/><l>Da fühlt' ich ſeine Kralle nah,</l><lb/><l>Und innerlich begann zu fluchen.</l><lb/><l>Und als nun ſprach der Marronier:</l><lb/><l>„Hier iſt nur ſichrer Tod zu holen,“</l><lb/><l>Und: „ſey die Leiche Gott befohlen!“</l><lb/><l>Es kribbelt mir durch alle Glieder:</l><lb/><l>Den Alpſtock hob ich in die Höh',</l><lb/><l>Dem Himmel Dank, ich ſenkt' ihn wieder.</l><lb/><l>Und als nun endlich, als am Strand</l><lb/><l>Barry, das unerſchrockne Thier,</l><lb/><l>Ich treu auf ſeinem Poſten fand:</l><lb/><l>Da hab' ich, hab' in Zornes Brand</l><lb/><l>Den Bruder einen Hund genannt.“</l><lb/><l>Er athmet auf: „Es iſt heraus!</l><lb/><l>Ihr Brüder, ach vergebt dem alten</l><lb/><l>Verſtockten Mann, was ich verbrach;</l><lb/><l>Kein böſes Beiſpiel bleibe nach.</l><lb/><l>Vergib mir Bruder!“ Ganz gebeugt</l><lb/><l>Zum Marronier er langſam ſchleicht</l><lb/><l>Und küßt voll Demuth ihm die Hand.</l><lb/><l>Dann, eh noch Einer ſpricht ein Wort</l><lb/><l>Vor Rührung, Staunen, tiefer Scham,</l><lb/><l>Schon ſtapft er durch das Zimmer fort,</l><lb/><l>Nicht ganz ſo trübe als er kam,</l><lb/><l>Um ſich in ſeine Zelle klein</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[454/0468]
Den Sennen blutig einſt geſchlagen.“
Hier ſtockt er, ſeufzt ſo tief betrübt,
Daß jede Bruſt ihm Antwort gibt.
„Als ich nach einem Ausweg ſah
Am Drance-Rand die Brüder ſuchen,
Da fühlt' ich ſeine Kralle nah,
Und innerlich begann zu fluchen.
Und als nun ſprach der Marronier:
„Hier iſt nur ſichrer Tod zu holen,“
Und: „ſey die Leiche Gott befohlen!“
Es kribbelt mir durch alle Glieder:
Den Alpſtock hob ich in die Höh',
Dem Himmel Dank, ich ſenkt' ihn wieder.
Und als nun endlich, als am Strand
Barry, das unerſchrockne Thier,
Ich treu auf ſeinem Poſten fand:
Da hab' ich, hab' in Zornes Brand
Den Bruder einen Hund genannt.“
Er athmet auf: „Es iſt heraus!
Ihr Brüder, ach vergebt dem alten
Verſtockten Mann, was ich verbrach;
Kein böſes Beiſpiel bleibe nach.
Vergib mir Bruder!“ Ganz gebeugt
Zum Marronier er langſam ſchleicht
Und küßt voll Demuth ihm die Hand.
Dann, eh noch Einer ſpricht ein Wort
Vor Rührung, Staunen, tiefer Scham,
Schon ſtapft er durch das Zimmer fort,
Nicht ganz ſo trübe als er kam,
Um ſich in ſeine Zelle klein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/468>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.