Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Drei Tage, frierend und allein
Bei Brod und Wasser einzuschließen.
Noch immer stehn die Brüder stumm
Und Jeder heimlich schilt sich dumm,
Daß sie den Alten ziehen ließen.
Die Stirn soldatisch in die Höh'
Am steifsten steht der Marronier.

Zuerst das lange Schweigen bricht
Der Prior: "Was wir alle denken,
Ihr Brüder, brauch' ich nicht zu sagen.
Denis will uns in diesen Tagen
Nicht nur von wandelloser Pflicht,
Von Reue auch ein Vorbild schenken,
So demuthsvoll ein Christ nur handelt:
Deshalb" -- Er stockt und wendet sich,
Denn eine Regung wunderlich
In Zittern ihm die Rede wandelt.
Der Prior sich zur Seite kehrt,
Und, dem Erstarrten zugewandt,
Die steifen Glieder abwärts fährt.
Den Flaum noch einmal mit der Hand
Bringt langsam an des Mundes Rand,
Erst quer, dann senkrecht aus der Höh'.
Nun hebt er sich, vom Bücken roth:
"Eugene und Louis! nehmt ihn fort!
Jetzt gleich! Und, Bruder Clavendier, *
Zum Sennen Etienne la Borte
Schickt nach Remi! Der Mann ist todt."

* Clavendier, der Bruder, dem die Besorgung der Hausgeschäfte obliegt.

Drei Tage, frierend und allein
Bei Brod und Waſſer einzuſchließen.
Noch immer ſtehn die Brüder ſtumm
Und Jeder heimlich ſchilt ſich dumm,
Daß ſie den Alten ziehen ließen.
Die Stirn ſoldatiſch in die Höh'
Am ſteifſten ſteht der Marronier.

Zuerſt das lange Schweigen bricht
Der Prior: „Was wir alle denken,
Ihr Brüder, brauch' ich nicht zu ſagen.
Denis will uns in dieſen Tagen
Nicht nur von wandelloſer Pflicht,
Von Reue auch ein Vorbild ſchenken,
So demuthsvoll ein Chriſt nur handelt:
Deshalb“ — Er ſtockt und wendet ſich,
Denn eine Regung wunderlich
In Zittern ihm die Rede wandelt.
Der Prior ſich zur Seite kehrt,
Und, dem Erſtarrten zugewandt,
Die ſteifen Glieder abwärts fährt.
Den Flaum noch einmal mit der Hand
Bringt langſam an des Mundes Rand,
Erſt quer, dann ſenkrecht aus der Höh'.
Nun hebt er ſich, vom Bücken roth:
„Eugene und Louis! nehmt ihn fort!
Jetzt gleich! Und, Bruder Clavendier, *
Zum Sennen Etienne la Borte
Schickt nach Remi! Der Mann iſt todt.“

* Clavendier, der Bruder, dem die Beſorgung der Hausgeschäfte obliegt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="15">
                <pb facs="#f0469" n="455"/>
                <l>Drei Tage, frierend und allein</l><lb/>
                <l>Bei Brod und Wa&#x017F;&#x017F;er einzu&#x017F;chließen.</l><lb/>
                <l>Noch immer &#x017F;tehn die Brüder &#x017F;tumm</l><lb/>
                <l>Und Jeder heimlich &#x017F;chilt &#x017F;ich dumm,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie den Alten ziehen ließen.</l><lb/>
                <l>Die Stirn &#x017F;oldati&#x017F;ch in die Höh'</l><lb/>
                <l>Am &#x017F;teif&#x017F;ten &#x017F;teht der Marronier.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="16">
                <l>Zuer&#x017F;t das lange Schweigen bricht</l><lb/>
                <l>Der Prior: &#x201E;Was wir alle denken,</l><lb/>
                <l>Ihr Brüder, brauch' ich nicht zu &#x017F;agen.</l><lb/>
                <l>Denis will uns in die&#x017F;en Tagen</l><lb/>
                <l>Nicht nur von wandello&#x017F;er Pflicht,</l><lb/>
                <l>Von Reue auch ein Vorbild &#x017F;chenken,</l><lb/>
                <l>So demuthsvoll ein Chri&#x017F;t nur handelt:</l><lb/>
                <l>Deshalb&#x201C; &#x2014; Er &#x017F;tockt und wendet &#x017F;ich,</l><lb/>
                <l>Denn eine Regung wunderlich</l><lb/>
                <l>In Zittern ihm die Rede wandelt.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="17">
                <l>Der Prior &#x017F;ich zur Seite kehrt,</l><lb/>
                <l>Und, dem Er&#x017F;tarrten zugewandt,</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;teifen Glieder abwärts fährt.</l><lb/>
                <l>Den Flaum noch einmal mit der Hand</l><lb/>
                <l>Bringt lang&#x017F;am an des Mundes Rand,</l><lb/>
                <l>Er&#x017F;t quer, dann &#x017F;enkrecht aus der Höh'.</l><lb/>
                <l>Nun hebt er &#x017F;ich, vom Bücken roth:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Eugene und Louis! nehmt ihn fort!</l><lb/>
                <l>Jetzt gleich! Und, Bruder Clavendier, <note place="foot" n="*">Clavendier, der Bruder, dem die Be&#x017F;orgung der Hausgeschäfte obliegt.<lb/></note></l><lb/>
                <l>Zum Sennen Etienne la Borte</l><lb/>
                <l>Schickt nach Remi! Der Mann i&#x017F;t todt.&#x201C;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[455/0469] Drei Tage, frierend und allein Bei Brod und Waſſer einzuſchließen. Noch immer ſtehn die Brüder ſtumm Und Jeder heimlich ſchilt ſich dumm, Daß ſie den Alten ziehen ließen. Die Stirn ſoldatiſch in die Höh' Am ſteifſten ſteht der Marronier. Zuerſt das lange Schweigen bricht Der Prior: „Was wir alle denken, Ihr Brüder, brauch' ich nicht zu ſagen. Denis will uns in dieſen Tagen Nicht nur von wandelloſer Pflicht, Von Reue auch ein Vorbild ſchenken, So demuthsvoll ein Chriſt nur handelt: Deshalb“ — Er ſtockt und wendet ſich, Denn eine Regung wunderlich In Zittern ihm die Rede wandelt. Der Prior ſich zur Seite kehrt, Und, dem Erſtarrten zugewandt, Die ſteifen Glieder abwärts fährt. Den Flaum noch einmal mit der Hand Bringt langſam an des Mundes Rand, Erſt quer, dann ſenkrecht aus der Höh'. Nun hebt er ſich, vom Bücken roth: „Eugene und Louis! nehmt ihn fort! Jetzt gleich! Und, Bruder Clavendier, * Zum Sennen Etienne la Borte Schickt nach Remi! Der Mann iſt todt.“ * Clavendier, der Bruder, dem die Beſorgung der Hausgeschäfte obliegt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/469
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/469>, abgerufen am 22.11.2024.