Dem Himmel zürnend, Andern, ihm und sich Daß er's gewagt, daß er den Schlüssel fand, Zum mindesten so wirkte sie auf mich. Doch all mein Sinnen hielt sie so gebannt, Um sie das Fest vor meinem Auge schwand; Und als sie zeitig ging, da ging auch ich. Drei Jahre waren hin seit dies geschah, Und jetzt an sie mich mahnte was ich sah, Wie Steingebilde über's Grab gestellt An jenes mahnt was unter ihm zerfällt, Wenn Seele fordernd stehn die Formen da. -- Es pickt der Fink am Auge regungslos, Und ruhig wächst auf ihrem Haupt das Moos -- Nur wenig minder Todtes war mir nah. Im dunklen Blick, so überreich gewesen, Doch Eins noch war aus jener Zeit zu lesen: Verhärtet Dulden -- ob von Haß getrennt? Zu tief versenkt lag's in dem tiefen Blau. Ich sann, und daß ich's that in dem Moment, Bezeugt wie seltsam fesselnd diese Frau.
Des Kranken Muskeln totenbleich erschlafft Indeß hat aufgespannt des Aethers Kraft; Nicht all so stier das Auge glänzte mehr, Den Arm sah ich ihn heben minder fahl, Das Haupt verrücken auch nach eigner Wahl, Und Zeichen geben wie ihn dürste sehr. "Wird's besser?" sprach mein Führer, "kömmt er auf?" Ich nickt'. Er gähnte, dehnte sich, stand auf Und stapfte fort; die Freude schien nur klein,
Dem Himmel zürnend, Andern, ihm und ſich Daß er's gewagt, daß er den Schlüſſel fand, Zum mindeſten ſo wirkte ſie auf mich. Doch all mein Sinnen hielt ſie ſo gebannt, Um ſie das Feſt vor meinem Auge ſchwand; Und als ſie zeitig ging, da ging auch ich. Drei Jahre waren hin ſeit dies geſchah, Und jetzt an ſie mich mahnte was ich ſah, Wie Steingebilde über's Grab geſtellt An jenes mahnt was unter ihm zerfällt, Wenn Seele fordernd ſtehn die Formen da. — Es pickt der Fink am Auge regungslos, Und ruhig wächſt auf ihrem Haupt das Moos — Nur wenig minder Todtes war mir nah. Im dunklen Blick, ſo überreich geweſen, Doch Eins noch war aus jener Zeit zu leſen: Verhärtet Dulden — ob von Haß getrennt? Zu tief verſenkt lag's in dem tiefen Blau. Ich ſann, und daß ich's that in dem Moment, Bezeugt wie ſeltſam feſſelnd dieſe Frau.
Des Kranken Muskeln totenbleich erſchlafft Indeß hat aufgeſpannt des Aethers Kraft; Nicht all ſo ſtier das Auge glänzte mehr, Den Arm ſah ich ihn heben minder fahl, Das Haupt verrücken auch nach eigner Wahl, Und Zeichen geben wie ihn dürſte ſehr. „Wird's beſſer?“ ſprach mein Führer, „kömmt er auf?“ Ich nickt'. Er gähnte, dehnte ſich, ſtand auf Und ſtapfte fort; die Freude ſchien nur klein,
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Dem Himmel zürnend, Andern, ihm und ſich
Daß er's gewagt, daß er den Schlüſſel fand,
Zum mindeſten ſo wirkte ſie auf mich.
Doch all mein Sinnen hielt ſie ſo gebannt,
Um ſie das Feſt vor meinem Auge ſchwand;
Und als ſie zeitig ging, da ging auch ich.
Drei Jahre waren hin ſeit dies geſchah,
Und jetzt an ſie mich mahnte was ich ſah,
Wie Steingebilde über's Grab geſtellt
An jenes mahnt was unter ihm zerfällt,
Wenn Seele fordernd ſtehn die Formen da.
— Es pickt der Fink am Auge regungslos,
Und ruhig wächſt auf ihrem Haupt das Moos —
Nur wenig minder Todtes war mir nah.
Im dunklen Blick, ſo überreich geweſen,
Doch Eins noch war aus jener Zeit zu leſen:
Verhärtet Dulden — ob von Haß getrennt?
Zu tief verſenkt lag's in dem tiefen Blau.
Ich ſann, und daß ich's that in dem Moment,
Bezeugt wie ſeltſam feſſelnd dieſe Frau.
Des Kranken Muskeln totenbleich erſchlafft
Indeß hat aufgeſpannt des Aethers Kraft;
Nicht all ſo ſtier das Auge glänzte mehr,
Den Arm ſah ich ihn heben minder fahl,
Das Haupt verrücken auch nach eigner Wahl,
Und Zeichen geben wie ihn dürſte ſehr.
„Wird's beſſer?“ ſprach mein Führer, „kömmt er auf?“
Ich nickt'. Er gähnte, dehnte ſich, ſtand auf
Und ſtapfte fort; die Freude ſchien nur klein,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/486>, abgerufen am 22.11.2024.
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