Sie war das schönste Grafenkind im Land: Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken, Als ob sie Alle dulde, achte Keinen, Der schöne Mund geformt schien zum Verneinen: Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt, Jedoch zu allernächst es beidem stand. Man sagte mir, dies wunderschöne Bild, -- Vertraute Stimmen wurden drüber laut, Für Herzensschwächen ist die Menge mild -- Man nannt' es eine unglücksel'ge Braut. Der Mann, dem Elternwille sie versprach, Er legte selbst den Grundstein seiner Schmach, Als er mit ungestümer Grille Hang, Wie Schwache gerne keck und seltsam scheinen, Dem Fremdling auf sich zum Genossen drang, Der sich am mindesten ihm mochte einen, Der zehnfach schöner, tausendfach so kühn, Mit Sitten die beleid'gen und verführen, Genau gemacht ein starkes Herz zu rühren, Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn; Der folgt sein Blick, wie dem Kometen klar Die Seuche und das segenlose Jahr. Von beiden Männern dort ich keinen sah, Gefährlich war der Fremde, oder nah, Von ihm man flüsterte; mit offnem Hohne Den Grafen macht' zum albernen Patrone. Partheiisch man des Weibes Fehl vergaß, Nur Männer wurden laut dort wo ich saß. Mir schien sie stolz, weit über Ziel und Maaß, Und minder trauernd auch als still entbrannt,
Sie war das ſchönſte Grafenkind im Land: Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken, Als ob ſie Alle dulde, achte Keinen, Der ſchöne Mund geformt ſchien zum Verneinen: Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt, Jedoch zu allernächſt es beidem ſtand. Man ſagte mir, dies wunderſchöne Bild, — Vertraute Stimmen wurden drüber laut, Für Herzensſchwächen iſt die Menge mild — Man nannt' es eine unglückſel'ge Braut. Der Mann, dem Elternwille ſie verſprach, Er legte ſelbſt den Grundſtein ſeiner Schmach, Als er mit ungeſtümer Grille Hang, Wie Schwache gerne keck und ſeltſam ſcheinen, Dem Fremdling auf ſich zum Genoſſen drang, Der ſich am mindeſten ihm mochte einen, Der zehnfach ſchöner, tauſendfach ſo kühn, Mit Sitten die beleid'gen und verführen, Genau gemacht ein ſtarkes Herz zu rühren, Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn; Der folgt ſein Blick, wie dem Kometen klar Die Seuche und das ſegenloſe Jahr. Von beiden Männern dort ich keinen ſah, Gefährlich war der Fremde, oder nah, Von ihm man flüſterte; mit offnem Hohne Den Grafen macht' zum albernen Patrone. Partheiiſch man des Weibes Fehl vergaß, Nur Männer wurden laut dort wo ich ſaß. Mir ſchien ſie ſtolz, weit über Ziel und Maaß, Und minder trauernd auch als ſtill entbrannt,
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Sie war das ſchönſte Grafenkind im Land:
Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken,
Als ob ſie Alle dulde, achte Keinen,
Der ſchöne Mund geformt ſchien zum Verneinen:
Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt,
Jedoch zu allernächſt es beidem ſtand.
Man ſagte mir, dies wunderſchöne Bild,
— Vertraute Stimmen wurden drüber laut,
Für Herzensſchwächen iſt die Menge mild —
Man nannt' es eine unglückſel'ge Braut.
Der Mann, dem Elternwille ſie verſprach,
Er legte ſelbſt den Grundſtein ſeiner Schmach,
Als er mit ungeſtümer Grille Hang,
Wie Schwache gerne keck und ſeltſam ſcheinen,
Dem Fremdling auf ſich zum Genoſſen drang,
Der ſich am mindeſten ihm mochte einen,
Der zehnfach ſchöner, tauſendfach ſo kühn,
Mit Sitten die beleid'gen und verführen,
Genau gemacht ein ſtarkes Herz zu rühren,
Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn;
Der folgt ſein Blick, wie dem Kometen klar
Die Seuche und das ſegenloſe Jahr.
Von beiden Männern dort ich keinen ſah,
Gefährlich war der Fremde, oder nah,
Von ihm man flüſterte; mit offnem Hohne
Den Grafen macht' zum albernen Patrone.
Partheiiſch man des Weibes Fehl vergaß,
Nur Männer wurden laut dort wo ich ſaß.
Mir ſchien ſie ſtolz, weit über Ziel und Maaß,
Und minder trauernd auch als ſtill entbrannt,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/485>, abgerufen am 25.11.2024.
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