An seiner Kette grimmig rüttelnd; Sie bricht, und aus der langen Haft Verdoppelt stürmt die wilde Kraft. O Frau! bethört von Stolzes Trug,6 Der nicht ein Fürstenhut genug, Du hast geweckt den schlimmsten Leu'n, Der Himmel mag es dir verzeihn! Sie sah so sanft, man sollte wähnen, Dies Auge, um des Thieres Noth, Vergießen müss' es fromme Thränen, Und ihrer lichten Wangen Roth Schien so verschämt, als könne sie Dem Manne seh'n in's Auge nie. Wohl öfters wie ein Blitz es zog Durch ihr Gesicht, dann war sie hoch, Und aller Frauen Kaiserin: Doch nichts verrieth den harten Sinn, Der sich durch tausend Leichenhaufen Ein schnödes Zepter will erkaufen. Doch war es so; seit den Gemahl Von Böhmens Ständen traf die Wahl, That sie sich heimlich diesen Schwur, Als Königin zu sterben nur; Und Keiner in der Zeiten Drang Gleich ihr des Aufruhrs Fahne schwang. Sie fand die tief versteckte Spur, Die Herzens Beben mochte künden, Das, ach! an ihrem Odem hing. Sie war gemacht, es zu ergründen, Und nie umsonst sah sie ein Ding.
An ſeiner Kette grimmig rüttelnd; Sie bricht, und aus der langen Haft Verdoppelt ſtürmt die wilde Kraft. O Frau! bethört von Stolzes Trug,6 Der nicht ein Fürſtenhut genug, Du haſt geweckt den ſchlimmſten Leu'n, Der Himmel mag es dir verzeihn! Sie ſah ſo ſanft, man ſollte wähnen, Dies Auge, um des Thieres Noth, Vergießen müſſ' es fromme Thränen, Und ihrer lichten Wangen Roth Schien ſo verſchämt, als könne ſie Dem Manne ſeh'n in's Auge nie. Wohl öfters wie ein Blitz es zog Durch ihr Geſicht, dann war ſie hoch, Und aller Frauen Kaiſerin: Doch nichts verrieth den harten Sinn, Der ſich durch tauſend Leichenhaufen Ein ſchnödes Zepter will erkaufen. Doch war es ſo; ſeit den Gemahl Von Böhmens Ständen traf die Wahl, That ſie ſich heimlich dieſen Schwur, Als Königin zu ſterben nur; Und Keiner in der Zeiten Drang Gleich ihr des Aufruhrs Fahne ſchwang. Sie fand die tief verſteckte Spur, Die Herzens Beben mochte künden, Das, ach! an ihrem Odem hing. Sie war gemacht, es zu ergründen, Und nie umſonſt ſah ſie ein Ding.
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An ſeiner Kette grimmig rüttelnd;
Sie bricht, und aus der langen Haft
Verdoppelt ſtürmt die wilde Kraft.
O Frau! bethört von Stolzes Trug,6
Der nicht ein Fürſtenhut genug,
Du haſt geweckt den ſchlimmſten Leu'n,
Der Himmel mag es dir verzeihn!
Sie ſah ſo ſanft, man ſollte wähnen,
Dies Auge, um des Thieres Noth,
Vergießen müſſ' es fromme Thränen,
Und ihrer lichten Wangen Roth
Schien ſo verſchämt, als könne ſie
Dem Manne ſeh'n in's Auge nie.
Wohl öfters wie ein Blitz es zog
Durch ihr Geſicht, dann war ſie hoch,
Und aller Frauen Kaiſerin:
Doch nichts verrieth den harten Sinn,
Der ſich durch tauſend Leichenhaufen
Ein ſchnödes Zepter will erkaufen.
Doch war es ſo; ſeit den Gemahl
Von Böhmens Ständen traf die Wahl,
That ſie ſich heimlich dieſen Schwur,
Als Königin zu ſterben nur;
Und Keiner in der Zeiten Drang
Gleich ihr des Aufruhrs Fahne ſchwang.
Sie fand die tief verſteckte Spur,
Die Herzens Beben mochte künden,
Das, ach! an ihrem Odem hing.
Sie war gemacht, es zu ergründen,
Und nie umſonſt ſah ſie ein Ding.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/515>, abgerufen am 22.11.2024.
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