Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.
Friederich Mergel, geboren 1738, war der Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigenthümers geringer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges. Das Ländchen dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte, und einer
Friederich Mergel, geboren 1738, war der Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigenthümers geringer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges. Das Ländchen dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte, und einer <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <pb facs="#f0007"/> </div> </front> <body> <epigraph> <lg type="poem"> <l> Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren</l><lb/> <l> Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,</l><lb/> <l> So fest, daß ohne Zittern sie den Stein</l><lb/> <l> Mag schleudern auf ein arg verkümmert Sein?</l><lb/> <l>Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,</l><lb/> <l>Zu wägen jedes Wort, das unvergessen</l><lb/> <l>In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,</l><lb/> <l>Des Vorurtheils geheimen Seelendieb?</l><lb/> <l>Du Glücklicher, geboren und gehegt</l><lb/> <l>Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,</l><lb/> <l>Leg hin die Wagschal', nimmer dir erlaubt!</l><lb/> <l>Laß ruhn den Stein — er trifft dein eignes</l><lb/> <l>Haupt! —</l><lb/> </lg> </epigraph> <div type="chapter"> <p>Friederich Mergel, geboren 1738, war der Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigenthümers geringer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges. Das Ländchen dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte, und einer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
So fest, daß ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arg verkümmert Sein?
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Vorurtheils geheimen Seelendieb?
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg hin die Wagschal', nimmer dir erlaubt!
Laß ruhn den Stein — er trifft dein eignes
Haupt! —
Friederich Mergel, geboren 1738, war der Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigenthümers geringer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges. Das Ländchen dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte, und einer
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(2017-03-14T14:10:05Z)
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(2017-03-14T14:10:05Z)
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