Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Hier ist Brod, und hier ist Salz und Wein, Sieh, ich leg's in deine Blätter mitten; Woll nicht zürnen, daß das Stück so klein, Hab's von meinem Theile abgeschnitten; Etwas wahrt' ich, Münze gnadenreich, Schaffens halber nur, sonst geb' ich's gleich. Mein Knab' ist krank, du weißt es wohl, Ich kam ja schon zu sieben Malen, Und gestern mußt' ich in Bregnoles Den Trank für ihn so theuer zahlen. Vier hab' ich, vier, daß Gott erbarm'! Mit diesen Händen zu ernähren, Und, sieh, so kann's nicht länger währen, Denn täglich schwächer wird mein Arm. O Madonna, Madonna, meine gnädige Frau! Ich hab' gefrevelt, nimm's nicht genau, Ich hab' gesündigt wider Willen! Nimm, o nimm mir nur kein Kind, Will ihm gern den Hunger stillen, Wär's mit Bettelbrod; nicht Eins Kann ich missen, von Allen keins! Zweimal muß ich noch den Steig hinan Siebenmal bin ich nun hier gewesen. Hier iſt Brod, und hier iſt Salz und Wein, Sieh, ich leg’s in deine Blätter mitten; Woll nicht zürnen, daß das Stück ſo klein, Hab’s von meinem Theile abgeſchnitten; Etwas wahrt’ ich, Münze gnadenreich, Schaffens halber nur, ſonſt geb’ ich’s gleich. Mein Knab’ iſt krank, du weißt es wohl, Ich kam ja ſchon zu ſieben Malen, Und geſtern mußt’ ich in Bregnoles Den Trank für ihn ſo theuer zahlen. Vier hab’ ich, vier, daß Gott erbarm’! Mit dieſen Händen zu ernähren, Und, ſieh, ſo kann’s nicht länger währen, Denn täglich ſchwächer wird mein Arm. O Madonna, Madonna, meine gnädige Frau! Ich hab’ gefrevelt, nimm’s nicht genau, Ich hab’ geſündigt wider Willen! Nimm, o nimm mir nur kein Kind, Will ihm gern den Hunger ſtillen, Wär’s mit Bettelbrod; nicht Eins Kann ich miſſen, von Allen keins! Zweimal muß ich noch den Steig hinan Siebenmal bin ich nun hier geweſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0103" n="87"/> <lg n="5"> <l>Hier iſt Brod, und hier iſt Salz und Wein,</l><lb/> <l>Sieh, ich leg’s in deine Blätter mitten;</l><lb/> <l>Woll nicht zürnen, daß das Stück ſo klein,</l><lb/> <l>Hab’s von meinem Theile abgeſchnitten;</l><lb/> <l>Etwas wahrt’ ich, Münze gnadenreich,</l><lb/> <l>Schaffens halber nur, ſonſt geb’ ich’s gleich.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Mein Knab’ iſt krank, du weißt es wohl,</l><lb/> <l>Ich kam ja ſchon zu ſieben Malen,</l><lb/> <l>Und geſtern mußt’ ich in Bregnoles</l><lb/> <l>Den Trank für ihn ſo theuer zahlen.</l><lb/> <l>Vier hab’ ich, vier, daß Gott erbarm’!</l><lb/> <l>Mit dieſen Händen zu ernähren,</l><lb/> <l>Und, ſieh, ſo kann’s nicht länger währen,</l><lb/> <l>Denn täglich ſchwächer wird mein Arm.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>O Madonna, Madonna, meine gnädige Frau!</l><lb/> <l>Ich hab’ gefrevelt, nimm’s nicht genau,</l><lb/> <l>Ich hab’ geſündigt wider Willen!</l><lb/> <l>Nimm, o nimm mir nur kein Kind,</l><lb/> <l>Will ihm gern den Hunger ſtillen,</l><lb/> <l>Wär’s mit Bettelbrod; nicht Eins</l><lb/> <l>Kann ich miſſen, von Allen keins!</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Zweimal muß ich noch den Steig hinan</l><lb/> <l>Siebenmal bin ich nun hier geweſen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0103]
Hier iſt Brod, und hier iſt Salz und Wein,
Sieh, ich leg’s in deine Blätter mitten;
Woll nicht zürnen, daß das Stück ſo klein,
Hab’s von meinem Theile abgeſchnitten;
Etwas wahrt’ ich, Münze gnadenreich,
Schaffens halber nur, ſonſt geb’ ich’s gleich.
Mein Knab’ iſt krank, du weißt es wohl,
Ich kam ja ſchon zu ſieben Malen,
Und geſtern mußt’ ich in Bregnoles
Den Trank für ihn ſo theuer zahlen.
Vier hab’ ich, vier, daß Gott erbarm’!
Mit dieſen Händen zu ernähren,
Und, ſieh, ſo kann’s nicht länger währen,
Denn täglich ſchwächer wird mein Arm.
O Madonna, Madonna, meine gnädige Frau!
Ich hab’ gefrevelt, nimm’s nicht genau,
Ich hab’ geſündigt wider Willen!
Nimm, o nimm mir nur kein Kind,
Will ihm gern den Hunger ſtillen,
Wär’s mit Bettelbrod; nicht Eins
Kann ich miſſen, von Allen keins!
Zweimal muß ich noch den Steig hinan
Siebenmal bin ich nun hier geweſen.
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