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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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"Ob wohl das Gletschereis den Strom gedämmt?
Von mancher Hütte geht's auf schlimmen Wegen,
Der Sturm hat alle Firnen kahl gekämmt,
Und gestern wie aus Röhren schoß der Regen.
Adieu, Jeanette, nicht länger mich gehemmt!
Adieu, ich muß, es gilt den Maiensegen;
Wenn vier es schlägt im Thurme zu Escout,
Muß jeder Senner stehen am Pointe de Droux."
Wie trunken schau'n die Klippen,
Wie taumelnd in die Schlucht!
Als nickten sie, zu nippen
Vom Sturzbach auf der Flucht.
Da ist ein rasselnd Klingen,
Man hört die Schollen springen,
Und brechen an der Bucht.
Auf allen Wegen zieh'n Laternen um
Und jedes Passes Echo wecken Schritte.
Habt Acht, habt Acht, die Nacht ist blind und stumm,
Die Schneefluth fraß an manches Blockes Kitte;
Habt Acht, hört ihr des Bären tief Gebrumm?
Dort ist sein Lager an des Riffes Mitte;
Und dort die schiefe Klippenbank, fürwahr!
Sie hing schon los am ersten Februar.
„Ob wohl das Gletſchereis den Strom gedämmt?
Von mancher Hütte geht’s auf ſchlimmen Wegen,
Der Sturm hat alle Firnen kahl gekämmt,
Und geſtern wie aus Röhren ſchoß der Regen.
Adieu, Jeanette, nicht länger mich gehemmt!
Adieu, ich muß, es gilt den Maienſegen;
Wenn vier es ſchlägt im Thurme zu Escout,
Muß jeder Senner ſtehen am Pointe de Droux.“
Wie trunken ſchau’n die Klippen,
Wie taumelnd in die Schlucht!
Als nickten ſie, zu nippen
Vom Sturzbach auf der Flucht.
Da iſt ein raſſelnd Klingen,
Man hört die Schollen ſpringen,
Und brechen an der Bucht.
Auf allen Wegen zieh’n Laternen um
Und jedes Paſſes Echo wecken Schritte.
Habt Acht, habt Acht, die Nacht iſt blind und ſtumm,
Die Schneefluth fraß an manches Blockes Kitte;
Habt Acht, hört ihr des Bären tief Gebrumm?
Dort iſt ſein Lager an des Riffes Mitte;
Und dort die ſchiefe Klippenbank, fürwahr!
Sie hing ſchon los am erſten Februar.
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[93/0109] „Ob wohl das Gletſchereis den Strom gedämmt? Von mancher Hütte geht’s auf ſchlimmen Wegen, Der Sturm hat alle Firnen kahl gekämmt, Und geſtern wie aus Röhren ſchoß der Regen. Adieu, Jeanette, nicht länger mich gehemmt! Adieu, ich muß, es gilt den Maienſegen; Wenn vier es ſchlägt im Thurme zu Escout, Muß jeder Senner ſtehen am Pointe de Droux.“ Wie trunken ſchau’n die Klippen, Wie taumelnd in die Schlucht! Als nickten ſie, zu nippen Vom Sturzbach auf der Flucht. Da iſt ein raſſelnd Klingen, Man hört die Schollen ſpringen, Und brechen an der Bucht. Auf allen Wegen zieh’n Laternen um Und jedes Paſſes Echo wecken Schritte. Habt Acht, habt Acht, die Nacht iſt blind und ſtumm, Die Schneefluth fraß an manches Blockes Kitte; Habt Acht, hört ihr des Bären tief Gebrumm? Dort iſt ſein Lager an des Riffes Mitte; Und dort die ſchiefe Klippenbank, fürwahr! Sie hing ſchon los am erſten Februar.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/109>, abgerufen am 23.11.2024.