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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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fünf Jahren gesehen. Sein Gesicht war noch
bleicher als gewöhnlich. "Friedrich," stotterte er,
"du sollst sogleich zum Ohm kommen; er hat
Arbeit für dich; aber sogleich." -- Friedrich drehte
sich gegen die Wand. -- "Ich komme nicht," sagte
er barsch, "ich bin krank." -- "Du mußt aber
kommen," keuchte Johannes; "er hat gesagt, ich
müßte dich mitbringen." --

Friedrich lachte höhnisch auf: "das will ich
doch sehen!" -- "Laß ihn in Ruhe, er kann nicht,"
seufzte Margreth, "du siehst ja, wie es steht." --
Sie ging auf einige Minuten hinaus; als sie
zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. --
"Was fällt dir ein?" rief sie, "du kannst, du
sollst nicht gehen!" -- "Was sein muß, schickt sich
wohl," versetzte er und war schon zur Thüre hin-
aus mit Johannes. -- "Ach Gott," seufzte die
Mutter, "wenn die Kinder klein sind, treten sie
uns in den Schooß, und wenn sie groß sind,
in's Herz!"

Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren An-
fang genommen, die That lag klar am Tage; über
den Thäter aber waren die Anzeigen so schwach,
daß, obschon alle Umstände die Blaukittel dringend
verdächtigten, man doch nicht mehr als Muth-
maßungen wagen konnte. Eine Spur schien Licht
geben zu wollen: doch rechnete man aus Gründen

fünf Jahren geſehen. Sein Geſicht war noch
bleicher als gewöhnlich. „Friedrich,“ ſtotterte er,
„du ſollſt ſogleich zum Ohm kommen; er hat
Arbeit für dich; aber ſogleich.“ — Friedrich drehte
ſich gegen die Wand. — „Ich komme nicht,“ ſagte
er barſch, „ich bin krank.“ — „Du mußt aber
kommen,“ keuchte Johannes; „er hat geſagt, ich
müßte dich mitbringen.“ —

Friedrich lachte höhniſch auf: „das will ich
doch ſehen!“ — „Laß ihn in Ruhe, er kann nicht,“
ſeufzte Margreth, „du ſiehſt ja, wie es ſteht.“ —
Sie ging auf einige Minuten hinaus; als ſie
zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. —
„Was fällt dir ein?“ rief ſie, „du kannſt, du
ſollſt nicht gehen!“ — „Was ſein muß, ſchickt ſich
wohl,“ verſetzte er und war ſchon zur Thüre hin-
aus mit Johannes. — „Ach Gott,“ ſeufzte die
Mutter, „wenn die Kinder klein ſind, treten ſie
uns in den Schooß, und wenn ſie groß ſind,
in’s Herz!“

Die gerichtliche Unterſuchung hatte ihren An-
fang genommen, die That lag klar am Tage; über
den Thäter aber waren die Anzeigen ſo ſchwach,
daß, obſchon alle Umſtände die Blaukittel dringend
verdächtigten, man doch nicht mehr als Muth-
maßungen wagen konnte. Eine Spur ſchien Licht
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[185/0201] fünf Jahren geſehen. Sein Geſicht war noch bleicher als gewöhnlich. „Friedrich,“ ſtotterte er, „du ſollſt ſogleich zum Ohm kommen; er hat Arbeit für dich; aber ſogleich.“ — Friedrich drehte ſich gegen die Wand. — „Ich komme nicht,“ ſagte er barſch, „ich bin krank.“ — „Du mußt aber kommen,“ keuchte Johannes; „er hat geſagt, ich müßte dich mitbringen.“ — Friedrich lachte höhniſch auf: „das will ich doch ſehen!“ — „Laß ihn in Ruhe, er kann nicht,“ ſeufzte Margreth, „du ſiehſt ja, wie es ſteht.“ — Sie ging auf einige Minuten hinaus; als ſie zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. — „Was fällt dir ein?“ rief ſie, „du kannſt, du ſollſt nicht gehen!“ — „Was ſein muß, ſchickt ſich wohl,“ verſetzte er und war ſchon zur Thüre hin- aus mit Johannes. — „Ach Gott,“ ſeufzte die Mutter, „wenn die Kinder klein ſind, treten ſie uns in den Schooß, und wenn ſie groß ſind, in’s Herz!“ Die gerichtliche Unterſuchung hatte ihren An- fang genommen, die That lag klar am Tage; über den Thäter aber waren die Anzeigen ſo ſchwach, daß, obſchon alle Umſtände die Blaukittel dringend verdächtigten, man doch nicht mehr als Muth- maßungen wagen konnte. Eine Spur ſchien Licht geben zu wollen: doch rechnete man aus Gründen

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/201>, abgerufen am 23.11.2024.