den Amtsschreiber, der schon am vorigen Abend heimgekommen war und behauptete, die ganze Ge- schichte verschlafen zu haben, da der gnädige Herr nicht nach ihm geschickt.
"Sie kommen immer zu spät," sagte Herr von S. verdrießlich. "War denn nicht irgend ein altes Weib im Dorfe, das Ihrer Magd die Sache erzählte? und warum weckte man Sie dann nicht?" "Gnädiger Herr," versetzte Kapp, "allerdings hat meine Anne Marie den Handel um eine Stunde früher erfahren als ich; aber sie wußte, daß Ihre Gnaden die Sache selbst leiteten, und dann," fügte er mit klagender Miene hinzu, "daß ich so todtmüde war!" -- "Schöne Polizei!" murmelte der Guts- herr, "jede alte Schachtel im Dorf weiß Bescheid, wenn es recht geheim zugehen soll." Dann fuhr er heftig fort: "Das müßte wahrhaftig ein dummer Teufel von Delinquenten sein, der sich packen ließe!"
Beide schwiegen eine Weile. "Mein Fuhrmann hatte sich in der Nacht verirrt," hob der Amts- schreiber wieder an; "über eine Stunde lang hielten wir im Walde; es war ein Mordwetter; ich dachte, der Wind werde den Wagen umreißen. Endlich, als der Regen nachließ, fuhren wir in Gottes Namen darauf los, immer in das Zellerfeld hinein, ohne eine Hand vor den Augen zu sehen. Da sagte der
den Amtsſchreiber, der ſchon am vorigen Abend heimgekommen war und behauptete, die ganze Ge- ſchichte verſchlafen zu haben, da der gnädige Herr nicht nach ihm geſchickt.
„Sie kommen immer zu ſpät,“ ſagte Herr von S. verdrießlich. „War denn nicht irgend ein altes Weib im Dorfe, das Ihrer Magd die Sache erzählte? und warum weckte man Sie dann nicht?“ „Gnädiger Herr,“ verſetzte Kapp, „allerdings hat meine Anne Marie den Handel um eine Stunde früher erfahren als ich; aber ſie wußte, daß Ihre Gnaden die Sache ſelbſt leiteten, und dann,“ fügte er mit klagender Miene hinzu, „daß ich ſo todtmüde war!“ — „Schöne Polizei!“ murmelte der Guts- herr, „jede alte Schachtel im Dorf weiß Beſcheid, wenn es recht geheim zugehen ſoll.“ Dann fuhr er heftig fort: „Das müßte wahrhaftig ein dummer Teufel von Delinquenten ſein, der ſich packen ließe!“
Beide ſchwiegen eine Weile. „Mein Fuhrmann hatte ſich in der Nacht verirrt,“ hob der Amts- ſchreiber wieder an; „über eine Stunde lang hielten wir im Walde; es war ein Mordwetter; ich dachte, der Wind werde den Wagen umreißen. Endlich, als der Regen nachließ, fuhren wir in Gottes Namen darauf los, immer in das Zellerfeld hinein, ohne eine Hand vor den Augen zu ſehen. Da ſagte der
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den Amtsſchreiber, der ſchon am vorigen Abend
heimgekommen war und behauptete, die ganze Ge-
ſchichte verſchlafen zu haben, da der gnädige Herr
nicht nach ihm geſchickt.
„Sie kommen immer zu ſpät,“ ſagte Herr
von S. verdrießlich. „War denn nicht irgend ein
altes Weib im Dorfe, das Ihrer Magd die Sache
erzählte? und warum weckte man Sie dann nicht?“
„Gnädiger Herr,“ verſetzte Kapp, „allerdings hat
meine Anne Marie den Handel um eine Stunde
früher erfahren als ich; aber ſie wußte, daß Ihre
Gnaden die Sache ſelbſt leiteten, und dann,“ fügte
er mit klagender Miene hinzu, „daß ich ſo todtmüde
war!“ — „Schöne Polizei!“ murmelte der Guts-
herr, „jede alte Schachtel im Dorf weiß Beſcheid,
wenn es recht geheim zugehen ſoll.“ Dann fuhr
er heftig fort: „Das müßte wahrhaftig ein dummer
Teufel von Delinquenten ſein, der ſich packen
ließe!“
Beide ſchwiegen eine Weile. „Mein Fuhrmann
hatte ſich in der Nacht verirrt,“ hob der Amts-
ſchreiber wieder an; „über eine Stunde lang hielten
wir im Walde; es war ein Mordwetter; ich dachte,
der Wind werde den Wagen umreißen. Endlich,
als der Regen nachließ, fuhren wir in Gottes Namen
darauf los, immer in das Zellerfeld hinein, ohne
eine Hand vor den Augen zu ſehen. Da ſagte der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/222>, abgerufen am 23.11.2024.
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