Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Und schwebend an der Grüfte Bogen Seh' ich der Mauerflechte Stab, Mit allen Fasern eingesogen Tief in das Felsenherz hinab; Von Thränen schwer die grauen Locken, Die dunkeln Wimper, zarten Flocken; Das ist die Liebe über's Grab! Und dann an der Genesung Bronnen -- Im Saale tafeln Stern und Band, -- Sich arme dürft'ge Kranke sonnen Und gierig schlürfen über'm Rand; Mitleidig tränkt der Quell die Armen, Dann denk' ich still an dein Erbarmen, An deine warme, offne Hand. O jener Quell, der heiß und springend, Ein Geiser, deiner Brust entquillt, Durch Schnee und Eisesscholle dringend Mit Blumen seinen Gletscher füllt. -- Ihm sieht nur gleich, was nie verloren, Was ewig frisch und neugeboren, Und die Natur nur ist dein Bild! Und ſchwebend an der Grüfte Bogen Seh’ ich der Mauerflechte Stab, Mit allen Faſern eingeſogen Tief in das Felſenherz hinab; Von Thränen ſchwer die grauen Locken, Die dunkeln Wimper, zarten Flocken; Das iſt die Liebe über’s Grab! Und dann an der Geneſung Bronnen — Im Saale tafeln Stern und Band, — Sich arme dürft’ge Kranke ſonnen Und gierig ſchlürfen über’m Rand; Mitleidig tränkt der Quell die Armen, Dann denk’ ich ſtill an dein Erbarmen, An deine warme, offne Hand. O jener Quell, der heiß und ſpringend, Ein Geiſer, deiner Bruſt entquillt, Durch Schnee und Eiſesſcholle dringend Mit Blumen ſeinen Gletſcher füllt. — Ihm ſieht nur gleich, was nie verloren, Was ewig friſch und neugeboren, Und die Natur nur iſt dein Bild! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0070" n="54"/> <lg n="3"> <l>Und ſchwebend an der Grüfte Bogen</l><lb/> <l>Seh’ ich der Mauerflechte Stab,</l><lb/> <l>Mit allen Faſern eingeſogen</l><lb/> <l>Tief in das Felſenherz hinab;</l><lb/> <l>Von Thränen ſchwer die grauen Locken,</l><lb/> <l>Die dunkeln Wimper, zarten Flocken;</l><lb/> <l>Das iſt die Liebe über’s Grab!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und dann an der Geneſung Bronnen —</l><lb/> <l>Im Saale tafeln Stern und Band, —</l><lb/> <l>Sich arme dürft’ge Kranke ſonnen</l><lb/> <l>Und gierig ſchlürfen über’m Rand;</l><lb/> <l>Mitleidig tränkt der Quell die Armen,</l><lb/> <l>Dann denk’ ich ſtill an dein Erbarmen,</l><lb/> <l>An deine warme, offne Hand.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>O jener Quell, der heiß und ſpringend,</l><lb/> <l>Ein Geiſer, deiner Bruſt entquillt,</l><lb/> <l>Durch Schnee und Eiſesſcholle dringend</l><lb/> <l>Mit Blumen ſeinen Gletſcher füllt. —</l><lb/> <l>Ihm ſieht nur gleich, was nie verloren,</l><lb/> <l>Was ewig friſch und neugeboren,</l><lb/> <l>Und die Natur nur iſt dein Bild!</l> </lg> </lg> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [54/0070]
Und ſchwebend an der Grüfte Bogen
Seh’ ich der Mauerflechte Stab,
Mit allen Faſern eingeſogen
Tief in das Felſenherz hinab;
Von Thränen ſchwer die grauen Locken,
Die dunkeln Wimper, zarten Flocken;
Das iſt die Liebe über’s Grab!
Und dann an der Geneſung Bronnen —
Im Saale tafeln Stern und Band, —
Sich arme dürft’ge Kranke ſonnen
Und gierig ſchlürfen über’m Rand;
Mitleidig tränkt der Quell die Armen,
Dann denk’ ich ſtill an dein Erbarmen,
An deine warme, offne Hand.
O jener Quell, der heiß und ſpringend,
Ein Geiſer, deiner Bruſt entquillt,
Durch Schnee und Eiſesſcholle dringend
Mit Blumen ſeinen Gletſcher füllt. —
Ihm ſieht nur gleich, was nie verloren,
Was ewig friſch und neugeboren,
Und die Natur nur iſt dein Bild!
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