Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Stirb, wie ein Leue, adelich, In seiner Brust das Bleigeschoß, O stirb nicht, wie ein zahnlos Roß, Das zappelt vor des Henkers Stich! -- -- Ha, seinem Auge kehrt der Strahl! -- Stirb, alter Freund, stirb wie ein Mann!" Der Kranke zuckt, zuckt noch einmal, Und "Wasser, Wasser" stöhnt er dann. Leer ist die Flasche. -- "Wache dort, He, Wache, du bist abgelös't! Schau, wo an's Haus das Gitter stößt, Lauf, Wache, lauf zum Borne fort! -- 's ist auch ein grauer Knasterbart, Und strauchelt, wie ein Dromedar -- Nur schnell, die Sohlen nicht gespart! Was, alter Bursche, Thränen gar? "Mein Commandant," spricht der Uhlan Grimmig verschämt, "ich dachte nach, Wie ich blessirt am Strauche lag, Der General mir nebenan, Und wie er mir die Flasche bot, Selbst dürstend in dem Sonnenbrand, Und sprach: "du hast die schlimmste Noth". Dran dacht' ich nur, mein Commandant. Stirb, wie ein Leue, adelich, In ſeiner Bruſt das Bleigeſchoß, O ſtirb nicht, wie ein zahnlos Roß, Das zappelt vor des Henkers Stich! — — Ha, ſeinem Auge kehrt der Strahl! — Stirb, alter Freund, ſtirb wie ein Mann!“ Der Kranke zuckt, zuckt noch einmal, Und „Waſſer, Waſſer“ ſtöhnt er dann. Leer iſt die Flaſche. — „Wache dort, He, Wache, du biſt abgelöſ’t! Schau, wo an’s Haus das Gitter ſtößt, Lauf, Wache, lauf zum Borne fort! — ’s iſt auch ein grauer Knaſterbart, Und ſtrauchelt, wie ein Dromedar — Nur ſchnell, die Sohlen nicht geſpart! Was, alter Burſche, Thränen gar? „Mein Commandant,“ ſpricht der Uhlan Grimmig verſchämt, „ich dachte nach, Wie ich bleſſirt am Strauche lag, Der General mir nebenan, Und wie er mir die Flaſche bot, Selbſt dürſtend in dem Sonnenbrand, Und ſprach: „du haſt die ſchlimmſte Noth“. Dran dacht’ ich nur, mein Commandant. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0096" n="80"/> <lg n="6"> <l>Stirb, wie ein Leue, adelich,</l><lb/> <l>In ſeiner Bruſt das Bleigeſchoß,</l><lb/> <l>O ſtirb nicht, wie ein zahnlos Roß,</l><lb/> <l>Das zappelt vor des Henkers Stich! —</l><lb/> <l>— Ha, ſeinem Auge kehrt der Strahl! —</l><lb/> <l>Stirb, alter Freund, ſtirb wie ein Mann!“</l><lb/> <l>Der Kranke zuckt, zuckt noch einmal,</l><lb/> <l>Und „Waſſer, Waſſer“ ſtöhnt er dann.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Leer iſt die Flaſche. — „Wache dort,</l><lb/> <l>He, Wache, du biſt abgelöſ’t!</l><lb/> <l>Schau, wo an’s Haus das Gitter ſtößt,</l><lb/> <l>Lauf, Wache, lauf zum Borne fort! —</l><lb/> <l>’s iſt auch ein grauer Knaſterbart,</l><lb/> <l>Und ſtrauchelt, wie ein Dromedar —</l><lb/> <l>Nur ſchnell, die Sohlen nicht geſpart!</l><lb/> <l>Was, alter Burſche, Thränen gar?</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>„Mein Commandant,“ ſpricht der Uhlan</l><lb/> <l>Grimmig verſchämt, „ich dachte nach,</l><lb/> <l>Wie ich bleſſirt am Strauche lag,</l><lb/> <l>Der General mir nebenan,</l><lb/> <l>Und wie er mir die Flaſche bot,</l><lb/> <l>Selbſt dürſtend in dem Sonnenbrand,</l><lb/> <l>Und ſprach: „du haſt die ſchlimmſte Noth“.</l><lb/> <l>Dran dacht’ ich nur, mein Commandant.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0096]
Stirb, wie ein Leue, adelich,
In ſeiner Bruſt das Bleigeſchoß,
O ſtirb nicht, wie ein zahnlos Roß,
Das zappelt vor des Henkers Stich! —
— Ha, ſeinem Auge kehrt der Strahl! —
Stirb, alter Freund, ſtirb wie ein Mann!“
Der Kranke zuckt, zuckt noch einmal,
Und „Waſſer, Waſſer“ ſtöhnt er dann.
Leer iſt die Flaſche. — „Wache dort,
He, Wache, du biſt abgelöſ’t!
Schau, wo an’s Haus das Gitter ſtößt,
Lauf, Wache, lauf zum Borne fort! —
’s iſt auch ein grauer Knaſterbart,
Und ſtrauchelt, wie ein Dromedar —
Nur ſchnell, die Sohlen nicht geſpart!
Was, alter Burſche, Thränen gar?
„Mein Commandant,“ ſpricht der Uhlan
Grimmig verſchämt, „ich dachte nach,
Wie ich bleſſirt am Strauche lag,
Der General mir nebenan,
Und wie er mir die Flaſche bot,
Selbſt dürſtend in dem Sonnenbrand,
Und ſprach: „du haſt die ſchlimmſte Noth“.
Dran dacht’ ich nur, mein Commandant.
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