Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].Macedonier. Nach kurzem aber höchst blutigen Kampfe wurden 40) Polyb. XVI. 39. exendrapodismenon meta bias. Nach Diodor
wären siebentausend Mann (sechstausend bei Curtius) im Kampfe ge- fallen, zweitausend kriegsfähige Männer ans Kreuz geschlagen, drei- zehntausend Greise, Weiber und Kinder (der größere Theil sei gen Karthago geflüchtet gewesen) verkauft worden; Curtius dagegen sagt, daß die Sidonier funfzehntausend Tyrier auf ihre Schiffe retteten; Arrian giebt die Zahl der Todten auf achttausend, die der Gefange- nen auf dreißigtausend an. Es versteht sich, daß die Stadt mehr als vierzigtausend Einwohner, wie man aus Arrian schließen möchte, ge- habt hat. Die achtzig Trieren erforderten allein schon sechszehntau- send Mann. Enggebauet und voll hoher Häuser, wie sie war, konnte die Inselstadt bei dem Umfange von zweiundzwanzig Stadien (Plin.) nach dem Verhältniß des heutigen Paris achtzigtausend Einwohner zählen. Von diesen waren wohl Tausende vor Anfang der Belagerung geflüch- tet, sie fanden sich allmählig wieder zusammen. -- Der obigen Erzäh- lung liegt Arrians Bericht von der Belagerung zum Grunde (wört- lich wiederholt von dem Anonymus de urbium defensione in den Vett. Mathem. p. 317). Diodor hat mit abentheuerlichem Geschmack die Maschinen der Macedonier und Tyrier beschrieben, und wenn wirklich jene Stangen mit Widerhaken, jene Fangnetze und Harpunen, jene Marmorräder und Säcke mit Seegras und Werg in dieser merkwür- digen Belagerung vorgekommen sind, was ich weder bezweifeln noch vertreten mag, so gehört dies zu sehr dem Technischen des alten Be- lagerungswesens an, um hier ausführlich erklärt werden zu können. Uebrigens wimmelt jener Bericht von Unrichtigkeiten; die Darstel- lung des Sturmes unter Admet giebt den deutlichsten Beleg dafür. Noch weniger brauchbar ist die Darstellung des Curtius, der, ohne allen Sinn für den wesentlichen Zusammenhang militärischer Sachen, durch blendende Bilder und rührende Antithesen das Interesse, wel- Macedonier. Nach kurzem aber höchſt blutigen Kampfe wurden 40) Polyb. XVI. 39. ἐξηνδϱαποδισμένον μετὰ βίας. Nach Diodor
wären ſiebentauſend Mann (ſechstauſend bei Curtius) im Kampfe ge- fallen, zweitauſend kriegsfähige Männer ans Kreuz geſchlagen, drei- zehntauſend Greiſe, Weiber und Kinder (der größere Theil ſei gen Karthago geflüchtet geweſen) verkauft worden; Curtius dagegen ſagt, daß die Sidonier funfzehntauſend Tyrier auf ihre Schiffe retteten; Arrian giebt die Zahl der Todten auf achttauſend, die der Gefange- nen auf dreißigtauſend an. Es verſteht ſich, daß die Stadt mehr als vierzigtauſend Einwohner, wie man aus Arrian ſchließen möchte, ge- habt hat. Die achtzig Trieren erforderten allein ſchon ſechszehntau- ſend Mann. Enggebauet und voll hoher Häuſer, wie ſie war, konnte die Inſelſtadt bei dem Umfange von zweiundzwanzig Stadien (Plin.) nach dem Verhältniß des heutigen Paris achtzigtauſend Einwohner zählen. Von dieſen waren wohl Tauſende vor Anfang der Belagerung geflüch- tet, ſie fanden ſich allmählig wieder zuſammen. — Der obigen Erzäh- lung liegt Arrians Bericht von der Belagerung zum Grunde (wört- lich wiederholt von dem Anonymus de urbium defensione in den Vett. Mathem. p. 317). Diodor hat mit abentheuerlichem Geſchmack die Maſchinen der Macedonier und Tyrier beſchrieben, und wenn wirklich jene Stangen mit Widerhaken, jene Fangnetze und Harpunen, jene Marmorräder und Säcke mit Seegras und Werg in dieſer merkwür- digen Belagerung vorgekommen ſind, was ich weder bezweifeln noch vertreten mag, ſo gehört dies zu ſehr dem Techniſchen des alten Be- lagerungsweſens an, um hier ausführlich erklärt werden zu können. Uebrigens wimmelt jener Bericht von Unrichtigkeiten; die Darſtel- lung des Sturmes unter Admet giebt den deutlichſten Beleg dafür. Noch weniger brauchbar iſt die Darſtellung des Curtius, der, ohne allen Sinn für den weſentlichen Zuſammenhang militäriſcher Sachen, durch blendende Bilder und rührende Antitheſen das Intereſſe, wel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="194"/> Macedonier. Nach kurzem aber höchſt blutigen Kampfe wurden<lb/> auch dieſe bewältigt und niedergemacht; die Macedonier wütheten<lb/> furchtbar, achttauſend Tyrier fanden den Tod. Denen, die ſich in<lb/> den Heraklestempel geflüchtet hatten, namentlich dem König Aze-<lb/> milkus, den höchſten Beamten der Stadt und einigen Karthagiſchen<lb/> Feſtgeſandten ließ Alexander Gnade angedeihen; diejenigen aber,<lb/> die ſich der Unterwerfung widerſetzt und die harnäckige Vertheidi-<lb/> gung der Stadt angeſtiftet hatten, wurden ans Kreuz geſchlagen,<lb/> der größte Theil der Bevölkerung in die Sklaverei verkauft <note xml:id="note-0208" next="#note-0209" place="foot" n="40)"><hi rendition="#aq">Polyb. XVI. 39.</hi> ἐξηνδϱαποδισμένον μετὰ βίας. Nach Diodor<lb/> wären ſiebentauſend Mann (ſechstauſend bei Curtius) im Kampfe ge-<lb/> fallen, zweitauſend kriegsfähige Männer ans Kreuz geſchlagen, drei-<lb/> zehntauſend Greiſe, Weiber und Kinder (der größere Theil ſei gen<lb/> Karthago geflüchtet geweſen) verkauft worden; Curtius dagegen ſagt,<lb/> daß die Sidonier funfzehntauſend Tyrier auf ihre Schiffe retteten;<lb/> Arrian giebt die Zahl der Todten auf achttauſend, die der Gefange-<lb/> nen auf dreißigtauſend an. Es verſteht ſich, daß die Stadt mehr als<lb/> vierzigtauſend Einwohner, wie man aus Arrian ſchließen möchte, ge-<lb/> habt hat. Die achtzig Trieren erforderten allein ſchon ſechszehntau-<lb/> ſend Mann. Enggebauet und voll hoher Häuſer, wie ſie war, konnte die<lb/> Inſelſtadt bei dem Umfange von zweiundzwanzig Stadien <hi rendition="#aq">(Plin.)</hi> nach<lb/> dem Verhältniß des heutigen Paris achtzigtauſend Einwohner zählen.<lb/> Von dieſen waren wohl Tauſende vor Anfang der Belagerung geflüch-<lb/> tet, ſie fanden ſich allmählig wieder zuſammen. — Der obigen Erzäh-<lb/> lung liegt Arrians Bericht von der Belagerung zum Grunde (wört-<lb/> lich wiederholt von dem <hi rendition="#aq">Anonymus de urbium defensione</hi> in den <hi rendition="#aq">Vett.<lb/> Mathem. p. 317</hi>). Diodor hat mit abentheuerlichem Geſchmack die<lb/> Maſchinen der Macedonier und Tyrier beſchrieben, und wenn wirklich<lb/> jene Stangen mit Widerhaken, jene Fangnetze und Harpunen, jene<lb/> Marmorräder und Säcke mit Seegras und Werg in dieſer merkwür-<lb/> digen Belagerung vorgekommen ſind, was ich weder bezweifeln noch<lb/> vertreten mag, ſo gehört dies zu ſehr dem Techniſchen des alten Be-<lb/> lagerungsweſens an, um hier ausführlich erklärt werden zu können.<lb/> Uebrigens wimmelt jener Bericht von Unrichtigkeiten; die Darſtel-<lb/> lung des Sturmes unter Admet giebt den deutlichſten Beleg dafür.<lb/> Noch weniger brauchbar iſt die Darſtellung des Curtius, der, ohne<lb/> allen Sinn für den weſentlichen Zuſammenhang militäriſcher Sachen,<lb/> durch blendende Bilder und rührende Antitheſen das Intereſſe, wel-</note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0208]
Macedonier. Nach kurzem aber höchſt blutigen Kampfe wurden
auch dieſe bewältigt und niedergemacht; die Macedonier wütheten
furchtbar, achttauſend Tyrier fanden den Tod. Denen, die ſich in
den Heraklestempel geflüchtet hatten, namentlich dem König Aze-
milkus, den höchſten Beamten der Stadt und einigen Karthagiſchen
Feſtgeſandten ließ Alexander Gnade angedeihen; diejenigen aber,
die ſich der Unterwerfung widerſetzt und die harnäckige Vertheidi-
gung der Stadt angeſtiftet hatten, wurden ans Kreuz geſchlagen,
der größte Theil der Bevölkerung in die Sklaverei verkauft 40).
40) Polyb. XVI. 39. ἐξηνδϱαποδισμένον μετὰ βίας. Nach Diodor
wären ſiebentauſend Mann (ſechstauſend bei Curtius) im Kampfe ge-
fallen, zweitauſend kriegsfähige Männer ans Kreuz geſchlagen, drei-
zehntauſend Greiſe, Weiber und Kinder (der größere Theil ſei gen
Karthago geflüchtet geweſen) verkauft worden; Curtius dagegen ſagt,
daß die Sidonier funfzehntauſend Tyrier auf ihre Schiffe retteten;
Arrian giebt die Zahl der Todten auf achttauſend, die der Gefange-
nen auf dreißigtauſend an. Es verſteht ſich, daß die Stadt mehr als
vierzigtauſend Einwohner, wie man aus Arrian ſchließen möchte, ge-
habt hat. Die achtzig Trieren erforderten allein ſchon ſechszehntau-
ſend Mann. Enggebauet und voll hoher Häuſer, wie ſie war, konnte die
Inſelſtadt bei dem Umfange von zweiundzwanzig Stadien (Plin.) nach
dem Verhältniß des heutigen Paris achtzigtauſend Einwohner zählen.
Von dieſen waren wohl Tauſende vor Anfang der Belagerung geflüch-
tet, ſie fanden ſich allmählig wieder zuſammen. — Der obigen Erzäh-
lung liegt Arrians Bericht von der Belagerung zum Grunde (wört-
lich wiederholt von dem Anonymus de urbium defensione in den Vett.
Mathem. p. 317). Diodor hat mit abentheuerlichem Geſchmack die
Maſchinen der Macedonier und Tyrier beſchrieben, und wenn wirklich
jene Stangen mit Widerhaken, jene Fangnetze und Harpunen, jene
Marmorräder und Säcke mit Seegras und Werg in dieſer merkwür-
digen Belagerung vorgekommen ſind, was ich weder bezweifeln noch
vertreten mag, ſo gehört dies zu ſehr dem Techniſchen des alten Be-
lagerungsweſens an, um hier ausführlich erklärt werden zu können.
Uebrigens wimmelt jener Bericht von Unrichtigkeiten; die Darſtel-
lung des Sturmes unter Admet giebt den deutlichſten Beleg dafür.
Noch weniger brauchbar iſt die Darſtellung des Curtius, der, ohne
allen Sinn für den weſentlichen Zuſammenhang militäriſcher Sachen,
durch blendende Bilder und rührende Antitheſen das Intereſſe, wel-
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