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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Es konnte Alexanders Absicht nicht sein, Tyrus zu vernichten;
er würde seinem neuen Reiche eine der wichtigsten Städte, seiner
Seemacht vielleicht die beste Station auf dieser Küste entzogen ha-
ben; und wenn schon ihm die Hartnäckigkeit dieser einen Stadt sie-
ben kostbare Monate und ungeheuere Anstrengungen gekostet hatte,
so schien sie doch durch ihr eigenes Schicksal, durch die Hinrichtung
so vieler Vornehmen, durch den tödtlichen Stoß, den ihr Handel
und Wohlstand erlitten hatte, genug gestraft zu sein. Auf der an-
deren Seite aber wäre es gefährlich gewesen, der so lange wider-
spenstigen Stadt dieselben Vergünstigungen zuzugestehen, mit denen
die Ergebenheit der anderen Phönicischen und Cyprifchen Städte
belohnt wurde; es kam dazu, daß es für jeden Fall nothwendig
war, mitten unter den kleinen Seestaaten in diesen Gewässern, die
ihre Fürsten und ihre Flotten, wenn auch unter Macedonischer Ho-
heit, behielten, einen bedeutenden Posten inne zu haben, um selbst
der Versuchung zu Neuerungen vorzubeugen. So wurde Tyrus
seiner alterthümlichen Verfassung beraubt 41), und Hauptwaffenplatz
auf dieser Küste; der Macedonische Befehlshaber der Stadt erhielt die
Weisung, für den Wiederaufbau ihrer Befestigungen zu sorgen, das
Wiederaufblühen ihres Handels auf alle Weise zu begünstigen.
Alexander selbst hielt demnächst zur Feier des Sieges das Herakles-

ches der factische Verlauf von selbst erweckt, vergeblich hervorzubrin-
gen strebt. Die vielen Träumereien und Wunder, die Curtius,
Diodor und Plutarch um die Wette erzählen, mögen immerhin im
Macedonischen Lager erzählt worden sein; doch sollte man mit sol-
chen Geschichten nicht die Geschichte aufklären wollen. -- Polyaen.
IV. 3. 4.
ist unbrauchbar. Justin. XI. 10. meint, die Stadt sei durch
Verrath gefallen.
41) Zwar spricht sich keiner der alten Schrift-
steller deutlich über diesen Punkt aus; ja Arrians Angabe, daß dem
Azemilkus verziehen sei (adeia), und Diodors verwirrter Bericht
über Abdolonymus könnten leicht das Entgegengesetzte zu beweisen
scheinen. Indeß spricht außer dem Zusammenhange der Begebenheiten
die spätere Geschichte für die obige Darstellung; denn in den Strei-
tigkeiten der Diadochen werden Könige auf Cypern und in Sidon,
Byblus, Aradus erwähnt, dagegen Macedonische Phrurarchen in Ty-
rus; und in Tyrus verwahrte Perdikkas seine Kassen. Diod.
XVIII. 37.
13 *

Es konnte Alexanders Abſicht nicht ſein, Tyrus zu vernichten;
er würde ſeinem neuen Reiche eine der wichtigſten Städte, ſeiner
Seemacht vielleicht die beſte Station auf dieſer Küſte entzogen ha-
ben; und wenn ſchon ihm die Hartnäckigkeit dieſer einen Stadt ſie-
ben koſtbare Monate und ungeheuere Anſtrengungen gekoſtet hatte,
ſo ſchien ſie doch durch ihr eigenes Schickſal, durch die Hinrichtung
ſo vieler Vornehmen, durch den tödtlichen Stoß, den ihr Handel
und Wohlſtand erlitten hatte, genug geſtraft zu ſein. Auf der an-
deren Seite aber wäre es gefährlich geweſen, der ſo lange wider-
ſpenſtigen Stadt dieſelben Vergünſtigungen zuzugeſtehen, mit denen
die Ergebenheit der anderen Phöniciſchen und Cyprifchen Städte
belohnt wurde; es kam dazu, daß es für jeden Fall nothwendig
war, mitten unter den kleinen Seeſtaaten in dieſen Gewäſſern, die
ihre Fürſten und ihre Flotten, wenn auch unter Macedoniſcher Ho-
heit, behielten, einen bedeutenden Poſten inne zu haben, um ſelbſt
der Verſuchung zu Neuerungen vorzubeugen. So wurde Tyrus
ſeiner alterthümlichen Verfaſſung beraubt 41), und Hauptwaffenplatz
auf dieſer Küſte; der Macedoniſche Befehlshaber der Stadt erhielt die
Weiſung, für den Wiederaufbau ihrer Befeſtigungen zu ſorgen, das
Wiederaufblühen ihres Handels auf alle Weiſe zu begünſtigen.
Alexander ſelbſt hielt demnächſt zur Feier des Sieges das Herakles-

ches der factiſche Verlauf von ſelbſt erweckt, vergeblich hervorzubrin-
gen ſtrebt. Die vielen Träumereien und Wunder, die Curtius,
Diodor und Plutarch um die Wette erzählen, mögen immerhin im
Macedoniſchen Lager erzählt worden ſein; doch ſollte man mit ſol-
chen Geſchichten nicht die Geſchichte aufklären wollen. — Polyaen.
IV. 3. 4.
iſt unbrauchbar. Justin. XI. 10. meint, die Stadt ſei durch
Verrath gefallen.
41) Zwar ſpricht ſich keiner der alten Schrift-
ſteller deutlich über dieſen Punkt aus; ja Arrians Angabe, daß dem
Azemilkus verziehen ſei (ἄδεια), und Diodors verwirrter Bericht
über Abdolonymus könnten leicht das Entgegengeſetzte zu beweiſen
ſcheinen. Indeß ſpricht außer dem Zuſammenhange der Begebenheiten
die ſpätere Geſchichte für die obige Darſtellung; denn in den Strei-
tigkeiten der Diadochen werden Könige auf Cypern und in Sidon,
Byblus, Aradus erwähnt, dagegen Macedoniſche Phrurarchen in Ty-
rus; und in Tyrus verwahrte Perdikkas ſeine Kaſſen. Diod.
XVIII. 37.
13 *
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[195/0209] Es konnte Alexanders Abſicht nicht ſein, Tyrus zu vernichten; er würde ſeinem neuen Reiche eine der wichtigſten Städte, ſeiner Seemacht vielleicht die beſte Station auf dieſer Küſte entzogen ha- ben; und wenn ſchon ihm die Hartnäckigkeit dieſer einen Stadt ſie- ben koſtbare Monate und ungeheuere Anſtrengungen gekoſtet hatte, ſo ſchien ſie doch durch ihr eigenes Schickſal, durch die Hinrichtung ſo vieler Vornehmen, durch den tödtlichen Stoß, den ihr Handel und Wohlſtand erlitten hatte, genug geſtraft zu ſein. Auf der an- deren Seite aber wäre es gefährlich geweſen, der ſo lange wider- ſpenſtigen Stadt dieſelben Vergünſtigungen zuzugeſtehen, mit denen die Ergebenheit der anderen Phöniciſchen und Cyprifchen Städte belohnt wurde; es kam dazu, daß es für jeden Fall nothwendig war, mitten unter den kleinen Seeſtaaten in dieſen Gewäſſern, die ihre Fürſten und ihre Flotten, wenn auch unter Macedoniſcher Ho- heit, behielten, einen bedeutenden Poſten inne zu haben, um ſelbſt der Verſuchung zu Neuerungen vorzubeugen. So wurde Tyrus ſeiner alterthümlichen Verfaſſung beraubt 41), und Hauptwaffenplatz auf dieſer Küſte; der Macedoniſche Befehlshaber der Stadt erhielt die Weiſung, für den Wiederaufbau ihrer Befeſtigungen zu ſorgen, das Wiederaufblühen ihres Handels auf alle Weiſe zu begünſtigen. Alexander ſelbſt hielt demnächſt zur Feier des Sieges das Herakles- 40) 41) Zwar ſpricht ſich keiner der alten Schrift- ſteller deutlich über dieſen Punkt aus; ja Arrians Angabe, daß dem Azemilkus verziehen ſei (ἄδεια), und Diodors verwirrter Bericht über Abdolonymus könnten leicht das Entgegengeſetzte zu beweiſen ſcheinen. Indeß ſpricht außer dem Zuſammenhange der Begebenheiten die ſpätere Geſchichte für die obige Darſtellung; denn in den Strei- tigkeiten der Diadochen werden Könige auf Cypern und in Sidon, Byblus, Aradus erwähnt, dagegen Macedoniſche Phrurarchen in Ty- rus; und in Tyrus verwahrte Perdikkas ſeine Kaſſen. Diod. XVIII. 37. 40) ches der factiſche Verlauf von ſelbſt erweckt, vergeblich hervorzubrin- gen ſtrebt. Die vielen Träumereien und Wunder, die Curtius, Diodor und Plutarch um die Wette erzählen, mögen immerhin im Macedoniſchen Lager erzählt worden ſein; doch ſollte man mit ſol- chen Geſchichten nicht die Geſchichte aufklären wollen. — Polyaen. IV. 3. 4. iſt unbrauchbar. Justin. XI. 10. meint, die Stadt ſei durch Verrath gefallen. 13 *

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/209>, abgerufen am 27.11.2024.