keiten gestegt und das Unmögliche selbst möglich gemacht zu haben; trotz aller jener Bedenklichkeiten wollte er Gaza mit stürmender Hand erobert wissen, da er weder Truppen genug hatte, um vor der Festung ein eigenes Belagerungscorps zurückzulassen, noch bei den Rüstungen im oberen Asien sich die Zeit lassen durfte, mit dem ganzen Heere die Stadt einzuschließen und auszuhungern. Er be- fahl daher auf der am meisten zugänglichen Südseite einen Damm gegen die Stadt hin aufzuschütten, der die Höhe des Erdrückens, auf dem die Mauern standen, erreichte. Die Arbeit wurde möglichst beeilt; sobald sie vollendet war, wurden die Maschinen gegen die Mauer aufgefahren, und begannen mit Tagesanbruch zu arbeiten; während dessen opferte Alexander gekränzt und im kriegerischen Schmucke den Göttern und erwartete ein Zeichen; da flog ein Raubvogel über den Altar hin und ließ einen Stein auf des Kö- nigs Haupt hinabfallen, fing sich selbst aber in dem Tauwerk einer Maschine; der Zeichendeuter Aristander deutete das Zeichen und sprach: "Du wirst, o König, zwar die Stadt erobern, doch hast Du Dich an diesem Tage wohl zu hüten" 45). Alexander glaubte dem Zeichen der Götter und hütete sich, er blieb in der Nähe der Maschinen, die nicht ohne Erfolg gegen die mächtigen Mauern ar- beiteten. Da machten die Belagerten plötzlich und mit großer Hef- tigkeit einen Ausfall, warfen Feuer in die Schirmdächer und Ge- schütze, beschossen von der hohen Mauer herab die Macedonier, welche in den Maschinen arbeiteten und zu löschen suchten, und drängten diese so, daß sie bereits sich von ihrem Damme zurückzu- ziehen begannen. Länger hielt sich Alexander nicht; an der Spitze seiner Hypaspisten rückte er vor, half, wo am meisten Gefahr war, brachte die Macedonier von Neuem in den Kampf, so daß sie we- nigstens nicht ganz von dem Damme zurückgeworfen wurden; da traf ihn ein Katapultenpfeil und fuhr ihm durch Schild und Panzer bis tief in die Schulter hinein. Der König sank, die Feinde drängten jubelnd heran, überall loderten die Maschinen auf, die Macedonier wichen von der Mauer der Stadt zurück.
Alexanders Wunde war schmerzhaft, aber nicht gefährlich; sie hatte Aristanders Weissagung zur Hälfte wahr gemacht, und der
45)Arrian. II. 26. Curt. IV. 6. 12. Plut. 25.
keiten geſtegt und das Unmögliche ſelbſt möglich gemacht zu haben; trotz aller jener Bedenklichkeiten wollte er Gaza mit ſtürmender Hand erobert wiſſen, da er weder Truppen genug hatte, um vor der Feſtung ein eigenes Belagerungscorps zurückzulaſſen, noch bei den Rüſtungen im oberen Aſien ſich die Zeit laſſen durfte, mit dem ganzen Heere die Stadt einzuſchließen und auszuhungern. Er be- fahl daher auf der am meiſten zugänglichen Südſeite einen Damm gegen die Stadt hin aufzuſchütten, der die Höhe des Erdrückens, auf dem die Mauern ſtanden, erreichte. Die Arbeit wurde möglichſt beeilt; ſobald ſie vollendet war, wurden die Maſchinen gegen die Mauer aufgefahren, und begannen mit Tagesanbruch zu arbeiten; während deſſen opferte Alexander gekränzt und im kriegeriſchen Schmucke den Göttern und erwartete ein Zeichen; da flog ein Raubvogel über den Altar hin und ließ einen Stein auf des Kö- nigs Haupt hinabfallen, fing ſich ſelbſt aber in dem Tauwerk einer Maſchine; der Zeichendeuter Ariſtander deutete das Zeichen und ſprach: „Du wirſt, o König, zwar die Stadt erobern, doch haſt Du Dich an dieſem Tage wohl zu hüten“ 45). Alexander glaubte dem Zeichen der Götter und hütete ſich, er blieb in der Nähe der Maſchinen, die nicht ohne Erfolg gegen die mächtigen Mauern ar- beiteten. Da machten die Belagerten plötzlich und mit großer Hef- tigkeit einen Ausfall, warfen Feuer in die Schirmdächer und Ge- ſchütze, beſchoſſen von der hohen Mauer herab die Macedonier, welche in den Maſchinen arbeiteten und zu löſchen ſuchten, und drängten dieſe ſo, daß ſie bereits ſich von ihrem Damme zurückzu- ziehen begannen. Länger hielt ſich Alexander nicht; an der Spitze ſeiner Hypaspiſten rückte er vor, half, wo am meiſten Gefahr war, brachte die Macedonier von Neuem in den Kampf, ſo daß ſie we- nigſtens nicht ganz von dem Damme zurückgeworfen wurden; da traf ihn ein Katapultenpfeil und fuhr ihm durch Schild und Panzer bis tief in die Schulter hinein. Der König ſank, die Feinde drängten jubelnd heran, überall loderten die Maſchinen auf, die Macedonier wichen von der Mauer der Stadt zurück.
Alexanders Wunde war ſchmerzhaft, aber nicht gefährlich; ſie hatte Ariſtanders Weiſſagung zur Hälfte wahr gemacht, und der
45)Arrian. II. 26. Curt. IV. 6. 12. Plut. 25.
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keiten geſtegt und das Unmögliche ſelbſt möglich gemacht zu haben;
trotz aller jener Bedenklichkeiten wollte er Gaza mit ſtürmender
Hand erobert wiſſen, da er weder Truppen genug hatte, um vor
der Feſtung ein eigenes Belagerungscorps zurückzulaſſen, noch bei
den Rüſtungen im oberen Aſien ſich die Zeit laſſen durfte, mit dem
ganzen Heere die Stadt einzuſchließen und auszuhungern. Er be-
fahl daher auf der am meiſten zugänglichen Südſeite einen Damm
gegen die Stadt hin aufzuſchütten, der die Höhe des Erdrückens,
auf dem die Mauern ſtanden, erreichte. Die Arbeit wurde möglichſt
beeilt; ſobald ſie vollendet war, wurden die Maſchinen gegen die
Mauer aufgefahren, und begannen mit Tagesanbruch zu arbeiten;
während deſſen opferte Alexander gekränzt und im kriegeriſchen
Schmucke den Göttern und erwartete ein Zeichen; da flog ein
Raubvogel über den Altar hin und ließ einen Stein auf des Kö-
nigs Haupt hinabfallen, fing ſich ſelbſt aber in dem Tauwerk einer
Maſchine; der Zeichendeuter Ariſtander deutete das Zeichen und
ſprach: „Du wirſt, o König, zwar die Stadt erobern, doch haſt
Du Dich an dieſem Tage wohl zu hüten“ 45). Alexander glaubte
dem Zeichen der Götter und hütete ſich, er blieb in der Nähe der
Maſchinen, die nicht ohne Erfolg gegen die mächtigen Mauern ar-
beiteten. Da machten die Belagerten plötzlich und mit großer Hef-
tigkeit einen Ausfall, warfen Feuer in die Schirmdächer und Ge-
ſchütze, beſchoſſen von der hohen Mauer herab die Macedonier,
welche in den Maſchinen arbeiteten und zu löſchen ſuchten, und
drängten dieſe ſo, daß ſie bereits ſich von ihrem Damme zurückzu-
ziehen begannen. Länger hielt ſich Alexander nicht; an der Spitze
ſeiner Hypaspiſten rückte er vor, half, wo am meiſten Gefahr war,
brachte die Macedonier von Neuem in den Kampf, ſo daß ſie we-
nigſtens nicht ganz von dem Damme zurückgeworfen wurden; da
traf ihn ein Katapultenpfeil und fuhr ihm durch Schild und Panzer
bis tief in die Schulter hinein. Der König ſank, die Feinde
drängten jubelnd heran, überall loderten die Maſchinen auf, die
Macedonier wichen von der Mauer der Stadt zurück.
Alexanders Wunde war ſchmerzhaft, aber nicht gefährlich; ſie
hatte Ariſtanders Weiſſagung zur Hälfte wahr gemacht, und der
45) Arrian. II. 26. Curt. IV. 6. 12. Plut. 25.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/212>, abgerufen am 23.11.2024.
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