keine feindliche Truppen zeigten, so war vorauszusetzen, daß Darius eine für seine Streitkräfte günstige Gegend besetzt habe und sich nicht wie früher durch das Zögern seiner Feinde und seine eigene Unge- duld in ein ihm ungelegenes Terrain wolle hinauslocken lassen. Ale- xander beschloß deshalb, ihm entgegen zu rücken; während alle un- nöthige Bagage und die zum Kampf untauglichen Leute im Lager zurückblieben, brach das Heer in der Nacht vom 29sten zum 30sten September, etwa um die zweite Nachtwache, auf; gegen Morgen erreichte man die letzte Hügelkette, und sah, als man über sie hin- rückte, in der weiten Ebene, etwa eine Stunde entfernt, die dunk- len Massen der feindlichen Linie. Alexander ließ seine Kolonnen Halt machen, berief seine Getreuen, die Generale, die Reuterober- sten, die Anführer der Bundesgenossen und Soldtruppen zum Kriegsrath, und legte ihnen die Frage vor, ob man sofort angrei- fen oder an Ort und Stelle sich lagern und verschanzen, und das Schlachtfeld zuvor recognoscisren sollte? Die Meisten waren da- für, das Heer, das von Kampflust brenne, sogleich gegen den Feind zu führen; Parmenion dagegen rieth zur Vorsicht: die Truppen seien durch den Marsch ermüdet, die Perser, schon längere Zeit in dieser für sie günstigen Stellung, würden wohl nicht versäumt ha- ben, sie auf jede Weise zu ihrem Vortheil einzurichten; man könne nicht wissen, ob nicht gar eingerammte Pfähle oder heimliche Gru- ben die feindliche Linie deckten; die Kriegsregel erfordere, daß man sich erst orientire und lagere. Diese Ansicht des alten Generals drang durch; Alexander befahl, die Truppen nach den Abtheilungen der Schlachtordnung, in der sie auch angerückt waren, auf der Hü- gelkette, im Angesicht der Feinde, sich lagern zu lassen. Das ge- schah am 30sten September Morgens.
Darius seinerseits, obschon er lange Zeit die Ankunft der Ma- cedonier erwartet und in dem weiten Blachfelde von Gaugamela jedes Hinderniß bis auf das Dornengestrüpp und die einzelnen Sandhügel, die den stürmischen Angriff seiner Reuterschwärme oder den Lauf der Sensenwagen hätten stören können, aus dem Wege geräumt hatte, war durch die Nachricht von Alexanders Nähe und dem sehr eiligen Rückzuge seiner Vorposten unter Mazäus in einige Unruhe versetzt worden; doch in der stolzen Zuversicht seiner Satra- pen, die kein unberufener Warner mehr störte, und den endlosen
keine feindliche Truppen zeigten, ſo war vorauszuſetzen, daß Darius eine für ſeine Streitkräfte günſtige Gegend beſetzt habe und ſich nicht wie früher durch das Zögern ſeiner Feinde und ſeine eigene Unge- duld in ein ihm ungelegenes Terrain wolle hinauslocken laſſen. Ale- xander beſchloß deshalb, ihm entgegen zu rücken; während alle un- nöthige Bagage und die zum Kampf untauglichen Leute im Lager zurückblieben, brach das Heer in der Nacht vom 29ſten zum 30ſten September, etwa um die zweite Nachtwache, auf; gegen Morgen erreichte man die letzte Hügelkette, und ſah, als man über ſie hin- rückte, in der weiten Ebene, etwa eine Stunde entfernt, die dunk- len Maſſen der feindlichen Linie. Alexander ließ ſeine Kolonnen Halt machen, berief ſeine Getreuen, die Generale, die Reuterober- ſten, die Anführer der Bundesgenoſſen und Soldtruppen zum Kriegsrath, und legte ihnen die Frage vor, ob man ſofort angrei- fen oder an Ort und Stelle ſich lagern und verſchanzen, und das Schlachtfeld zuvor recognoscisren ſollte? Die Meiſten waren da- für, das Heer, das von Kampfluſt brenne, ſogleich gegen den Feind zu führen; Parmenion dagegen rieth zur Vorſicht: die Truppen ſeien durch den Marſch ermüdet, die Perſer, ſchon längere Zeit in dieſer für ſie günſtigen Stellung, würden wohl nicht verſäumt ha- ben, ſie auf jede Weiſe zu ihrem Vortheil einzurichten; man könne nicht wiſſen, ob nicht gar eingerammte Pfähle oder heimliche Gru- ben die feindliche Linie deckten; die Kriegsregel erfordere, daß man ſich erſt orientire und lagere. Dieſe Anſicht des alten Generals drang durch; Alexander befahl, die Truppen nach den Abtheilungen der Schlachtordnung, in der ſie auch angerückt waren, auf der Hü- gelkette, im Angeſicht der Feinde, ſich lagern zu laſſen. Das ge- ſchah am 30ſten September Morgens.
Darius ſeinerſeits, obſchon er lange Zeit die Ankunft der Ma- cedonier erwartet und in dem weiten Blachfelde von Gaugamela jedes Hinderniß bis auf das Dornengeſtrüpp und die einzelnen Sandhügel, die den ſtürmiſchen Angriff ſeiner Reuterſchwärme oder den Lauf der Senſenwagen hätten ſtören können, aus dem Wege geräumt hatte, war durch die Nachricht von Alexanders Nähe und dem ſehr eiligen Rückzuge ſeiner Vorpoſten unter Mazäus in einige Unruhe verſetzt worden; doch in der ſtolzen Zuverſicht ſeiner Satra- pen, die kein unberufener Warner mehr ſtörte, und den endloſen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0236"n="222"/>
keine feindliche Truppen zeigten, ſo war vorauszuſetzen, daß Darius<lb/>
eine für ſeine Streitkräfte günſtige Gegend beſetzt habe und ſich nicht<lb/>
wie früher durch das Zögern ſeiner Feinde und ſeine eigene Unge-<lb/>
duld in ein ihm ungelegenes Terrain wolle hinauslocken laſſen. Ale-<lb/>
xander beſchloß deshalb, ihm entgegen zu rücken; während alle un-<lb/>
nöthige Bagage und die zum Kampf untauglichen Leute im Lager<lb/>
zurückblieben, brach das Heer in der Nacht vom 29ſten zum 30ſten<lb/>
September, etwa um die zweite Nachtwache, auf; gegen Morgen<lb/>
erreichte man die letzte Hügelkette, und ſah, als man über ſie hin-<lb/>
rückte, in der weiten Ebene, etwa eine Stunde entfernt, die dunk-<lb/>
len Maſſen der feindlichen Linie. Alexander ließ ſeine Kolonnen<lb/>
Halt machen, berief ſeine Getreuen, die Generale, die Reuterober-<lb/>ſten, die Anführer der Bundesgenoſſen und Soldtruppen zum<lb/>
Kriegsrath, und legte ihnen die Frage vor, ob man ſofort angrei-<lb/>
fen oder an Ort und Stelle ſich lagern und verſchanzen, und das<lb/>
Schlachtfeld zuvor recognoscisren ſollte? Die Meiſten waren da-<lb/>
für, das Heer, das von Kampfluſt brenne, ſogleich gegen den Feind<lb/>
zu führen; Parmenion dagegen rieth zur Vorſicht: die Truppen<lb/>ſeien durch den Marſch ermüdet, die Perſer, ſchon längere Zeit in<lb/>
dieſer für ſie günſtigen Stellung, würden wohl nicht verſäumt ha-<lb/>
ben, ſie auf jede Weiſe zu ihrem Vortheil einzurichten; man könne<lb/>
nicht wiſſen, ob nicht gar eingerammte Pfähle oder heimliche Gru-<lb/>
ben die feindliche Linie deckten; die Kriegsregel erfordere, daß man<lb/>ſich erſt orientire und lagere. Dieſe Anſicht des alten Generals<lb/>
drang durch; Alexander befahl, die Truppen nach den Abtheilungen<lb/>
der Schlachtordnung, in der ſie auch angerückt waren, auf der Hü-<lb/>
gelkette, im Angeſicht der Feinde, ſich lagern zu laſſen. Das ge-<lb/>ſchah am 30ſten September Morgens.</p><lb/><p>Darius ſeinerſeits, obſchon er lange Zeit die Ankunft der Ma-<lb/>
cedonier erwartet und in dem weiten Blachfelde von Gaugamela<lb/>
jedes Hinderniß bis auf das Dornengeſtrüpp und die einzelnen<lb/>
Sandhügel, die den ſtürmiſchen Angriff ſeiner Reuterſchwärme oder<lb/>
den Lauf der Senſenwagen hätten ſtören können, aus dem Wege<lb/>
geräumt hatte, war durch die Nachricht von Alexanders Nähe und<lb/>
dem ſehr eiligen Rückzuge ſeiner Vorpoſten unter Mazäus in einige<lb/>
Unruhe verſetzt worden; doch in der ſtolzen Zuverſicht ſeiner Satra-<lb/>
pen, die kein unberufener Warner mehr ſtörte, und den endloſen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[222/0236]
keine feindliche Truppen zeigten, ſo war vorauszuſetzen, daß Darius
eine für ſeine Streitkräfte günſtige Gegend beſetzt habe und ſich nicht
wie früher durch das Zögern ſeiner Feinde und ſeine eigene Unge-
duld in ein ihm ungelegenes Terrain wolle hinauslocken laſſen. Ale-
xander beſchloß deshalb, ihm entgegen zu rücken; während alle un-
nöthige Bagage und die zum Kampf untauglichen Leute im Lager
zurückblieben, brach das Heer in der Nacht vom 29ſten zum 30ſten
September, etwa um die zweite Nachtwache, auf; gegen Morgen
erreichte man die letzte Hügelkette, und ſah, als man über ſie hin-
rückte, in der weiten Ebene, etwa eine Stunde entfernt, die dunk-
len Maſſen der feindlichen Linie. Alexander ließ ſeine Kolonnen
Halt machen, berief ſeine Getreuen, die Generale, die Reuterober-
ſten, die Anführer der Bundesgenoſſen und Soldtruppen zum
Kriegsrath, und legte ihnen die Frage vor, ob man ſofort angrei-
fen oder an Ort und Stelle ſich lagern und verſchanzen, und das
Schlachtfeld zuvor recognoscisren ſollte? Die Meiſten waren da-
für, das Heer, das von Kampfluſt brenne, ſogleich gegen den Feind
zu führen; Parmenion dagegen rieth zur Vorſicht: die Truppen
ſeien durch den Marſch ermüdet, die Perſer, ſchon längere Zeit in
dieſer für ſie günſtigen Stellung, würden wohl nicht verſäumt ha-
ben, ſie auf jede Weiſe zu ihrem Vortheil einzurichten; man könne
nicht wiſſen, ob nicht gar eingerammte Pfähle oder heimliche Gru-
ben die feindliche Linie deckten; die Kriegsregel erfordere, daß man
ſich erſt orientire und lagere. Dieſe Anſicht des alten Generals
drang durch; Alexander befahl, die Truppen nach den Abtheilungen
der Schlachtordnung, in der ſie auch angerückt waren, auf der Hü-
gelkette, im Angeſicht der Feinde, ſich lagern zu laſſen. Das ge-
ſchah am 30ſten September Morgens.
Darius ſeinerſeits, obſchon er lange Zeit die Ankunft der Ma-
cedonier erwartet und in dem weiten Blachfelde von Gaugamela
jedes Hinderniß bis auf das Dornengeſtrüpp und die einzelnen
Sandhügel, die den ſtürmiſchen Angriff ſeiner Reuterſchwärme oder
den Lauf der Senſenwagen hätten ſtören können, aus dem Wege
geräumt hatte, war durch die Nachricht von Alexanders Nähe und
dem ſehr eiligen Rückzuge ſeiner Vorpoſten unter Mazäus in einige
Unruhe verſetzt worden; doch in der ſtolzen Zuverſicht ſeiner Satra-
pen, die kein unberufener Warner mehr ſtörte, und den endloſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/236>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.