Reihen seines Heeres, vor denen kein Charidemus oder Amyntas dem dichten Häuflein der Macedonier den nur zu gerechten Vorzug zu geben wagte, endlich in den eigenen Wünschen, die sich so gern mit Blindheit statt mit besonnener Kraft waffnen und die süßen Worte der Schmeichler lieber hören, als die ernsten Mahnungen des schon Geschehenen, fand der Perserkönig bald Beruhigung und Zuversicht; seine Großen überzeugten ihn leicht, daß er bei Issus nicht dem Feinde, sondern dem engen Raume erlegen sei, jetzt sei Raum für die Kampflust seiner Hunderttausende, für die Sensen seiner Kriegs- wagen, jetzt sei die Zeit gekommen, dem Macedonier zu zeigen, was ein Persisches Reichsheer sei. -- Da sah man am Morgen des 30sten auf der Hügelreihe nordwärts das Macedonische Heer geordnet und wie zur Schlacht geschaart heranrücken; man erwar- tete, daß sofort die Schlacht beginnen würde; auch die Persischen Völker ordneten sich über die weite Ebene hin zur Schlacht. Es erfolgte kein Angriff, man sah die Feinde sich lagern; Alles blieb ruhig, nur ein Reuterhaufe mit einigen Schaaren leichten Fußvolkes untermischt, zog von den Hügeln herab, durch die Ebene hin, und, ohne sich der Linie der Perser zu nahen, wieder zum Lager zurück. Der Abend kam; beabsichtigten die Feinde einen nächtlichen Ueber- fall? Das Persische Lager, ohne Wall und Graben, hätte nicht Schutz gegen einen Ueberfall gewährt; so erhielten die Völker den Befehl, die Nacht hindurch unter den Waffen und in Schlachtord- nung zu bleiben, die Pferde gesattelt neben sich bei den Wachtfeuern zu halten 26). Darius selbst ritt während der Nacht an den Linien entlang, um die Völker durch sein Antlitz und seinen Gruß zu begeistern. Auf dem äußersten linken Flügel standen die Reutervölker des Bessus, namentlich die Massagetischen Scythen, tausend erlesene Baktrianer, dann die übrigen Baktrianer, die Daer und Sogdianer, vor ihnen hun- dert Sensenwagen; jenen zunächst die Arachosier und Bergindier 27); ihnen folgte eine Masse Perser, die aus Reuterei und Fußvolk ge- mischt war, dann die Susier und die Kadusier, welche sich an das
26)Curt. IV. 14. 12.
27)Arrian. III. 11. An dieser Stelle scheint Arrian die Arier ausgelassen zu haben, die er in dem ersten Katalog c. 8. mit aufführt; die dort genannten Bergindier standen wohl neben den Arachosiern, unter deren Satrapen sie gehörten.
Reihen ſeines Heeres, vor denen kein Charidemus oder Amyntas dem dichten Häuflein der Macedonier den nur zu gerechten Vorzug zu geben wagte, endlich in den eigenen Wünſchen, die ſich ſo gern mit Blindheit ſtatt mit beſonnener Kraft waffnen und die ſüßen Worte der Schmeichler lieber hören, als die ernſten Mahnungen des ſchon Geſchehenen, fand der Perſerkönig bald Beruhigung und Zuverſicht; ſeine Großen überzeugten ihn leicht, daß er bei Iſſus nicht dem Feinde, ſondern dem engen Raume erlegen ſei, jetzt ſei Raum für die Kampfluſt ſeiner Hunderttauſende, für die Senſen ſeiner Kriegs- wagen, jetzt ſei die Zeit gekommen, dem Macedonier zu zeigen, was ein Perſiſches Reichsheer ſei. — Da ſah man am Morgen des 30ſten auf der Hügelreihe nordwärts das Macedoniſche Heer geordnet und wie zur Schlacht geſchaart heranrücken; man erwar- tete, daß ſofort die Schlacht beginnen würde; auch die Perſiſchen Völker ordneten ſich über die weite Ebene hin zur Schlacht. Es erfolgte kein Angriff, man ſah die Feinde ſich lagern; Alles blieb ruhig, nur ein Reuterhaufe mit einigen Schaaren leichten Fußvolkes untermiſcht, zog von den Hügeln herab, durch die Ebene hin, und, ohne ſich der Linie der Perſer zu nahen, wieder zum Lager zurück. Der Abend kam; beabſichtigten die Feinde einen nächtlichen Ueber- fall? Das Perſiſche Lager, ohne Wall und Graben, hätte nicht Schutz gegen einen Ueberfall gewährt; ſo erhielten die Völker den Befehl, die Nacht hindurch unter den Waffen und in Schlachtord- nung zu bleiben, die Pferde geſattelt neben ſich bei den Wachtfeuern zu halten 26). Darius ſelbſt ritt während der Nacht an den Linien entlang, um die Völker durch ſein Antlitz und ſeinen Gruß zu begeiſtern. Auf dem äußerſten linken Flügel ſtanden die Reutervölker des Beſſus, namentlich die Maſſagetiſchen Scythen, tauſend erleſene Baktrianer, dann die übrigen Baktrianer, die Daer und Sogdianer, vor ihnen hun- dert Senſenwagen; jenen zunächſt die Arachoſier und Bergindier 27); ihnen folgte eine Maſſe Perſer, die aus Reuterei und Fußvolk ge- miſcht war, dann die Suſier und die Kaduſier, welche ſich an das
26)Curt. IV. 14. 12.
27)Arrian. III. 11. An dieſer Stelle ſcheint Arrian die Arier ausgelaſſen zu haben, die er in dem erſten Katalog c. 8. mit aufführt; die dort genannten Bergindier ſtanden wohl neben den Arachoſiern, unter deren Satrapen ſie gehörten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0237"n="223"/>
Reihen ſeines Heeres, vor denen kein Charidemus oder Amyntas<lb/>
dem dichten Häuflein der Macedonier den nur zu gerechten Vorzug<lb/>
zu geben wagte, endlich in den eigenen Wünſchen, die ſich ſo gern<lb/>
mit Blindheit ſtatt mit beſonnener Kraft waffnen und die ſüßen Worte<lb/>
der Schmeichler lieber hören, als die ernſten Mahnungen des ſchon<lb/>
Geſchehenen, fand der Perſerkönig bald Beruhigung und Zuverſicht;<lb/>ſeine Großen überzeugten ihn leicht, daß er bei Iſſus nicht dem<lb/>
Feinde, ſondern dem engen Raume erlegen ſei, jetzt ſei Raum für<lb/>
die Kampfluſt ſeiner Hunderttauſende, für die Senſen ſeiner Kriegs-<lb/>
wagen, jetzt ſei die Zeit gekommen, dem Macedonier zu zeigen,<lb/>
was ein Perſiſches Reichsheer ſei. — Da ſah man am Morgen<lb/>
des 30ſten auf der Hügelreihe nordwärts das Macedoniſche Heer<lb/>
geordnet und wie zur Schlacht geſchaart heranrücken; man erwar-<lb/>
tete, daß ſofort die Schlacht beginnen würde; auch die Perſiſchen<lb/>
Völker ordneten ſich über die weite Ebene hin zur Schlacht. Es<lb/>
erfolgte kein Angriff, man ſah die Feinde ſich lagern; Alles blieb<lb/>
ruhig, nur ein Reuterhaufe mit einigen Schaaren leichten Fußvolkes<lb/>
untermiſcht, zog von den Hügeln herab, durch die Ebene hin, und,<lb/>
ohne ſich der Linie der Perſer zu nahen, wieder zum Lager zurück.<lb/>
Der Abend kam; beabſichtigten die Feinde einen nächtlichen Ueber-<lb/>
fall? Das Perſiſche Lager, ohne Wall und Graben, hätte nicht<lb/>
Schutz gegen einen Ueberfall gewährt; ſo erhielten die Völker den<lb/>
Befehl, die Nacht hindurch unter den Waffen und in Schlachtord-<lb/>
nung zu bleiben, die Pferde geſattelt neben ſich bei den Wachtfeuern<lb/>
zu halten <noteplace="foot"n="26)"><hirendition="#aq">Curt. IV.</hi> 14. 12.</note>. Darius ſelbſt ritt während der Nacht an den Linien<lb/>
entlang, um die Völker durch ſein Antlitz und ſeinen Gruß zu begeiſtern.<lb/>
Auf dem äußerſten linken Flügel ſtanden die Reutervölker des Beſſus,<lb/>
namentlich die Maſſagetiſchen Scythen, tauſend erleſene Baktrianer,<lb/>
dann die übrigen Baktrianer, die Daer und Sogdianer, vor ihnen hun-<lb/>
dert Senſenwagen; jenen zunächſt die Arachoſier und Bergindier <noteplace="foot"n="27)"><hirendition="#aq">Arrian. III.</hi> 11. An dieſer Stelle ſcheint<lb/>
Arrian die Arier ausgelaſſen zu haben, die er in dem erſten Katalog <hirendition="#aq">c.</hi> 8.<lb/>
mit aufführt; die dort genannten Bergindier ſtanden wohl neben den<lb/>
Arachoſiern, unter deren Satrapen ſie gehörten.</note>;<lb/>
ihnen folgte eine Maſſe Perſer, die aus Reuterei und Fußvolk ge-<lb/>
miſcht war, dann die Suſier und die Kaduſier, welche ſich an das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[223/0237]
Reihen ſeines Heeres, vor denen kein Charidemus oder Amyntas
dem dichten Häuflein der Macedonier den nur zu gerechten Vorzug
zu geben wagte, endlich in den eigenen Wünſchen, die ſich ſo gern
mit Blindheit ſtatt mit beſonnener Kraft waffnen und die ſüßen Worte
der Schmeichler lieber hören, als die ernſten Mahnungen des ſchon
Geſchehenen, fand der Perſerkönig bald Beruhigung und Zuverſicht;
ſeine Großen überzeugten ihn leicht, daß er bei Iſſus nicht dem
Feinde, ſondern dem engen Raume erlegen ſei, jetzt ſei Raum für
die Kampfluſt ſeiner Hunderttauſende, für die Senſen ſeiner Kriegs-
wagen, jetzt ſei die Zeit gekommen, dem Macedonier zu zeigen,
was ein Perſiſches Reichsheer ſei. — Da ſah man am Morgen
des 30ſten auf der Hügelreihe nordwärts das Macedoniſche Heer
geordnet und wie zur Schlacht geſchaart heranrücken; man erwar-
tete, daß ſofort die Schlacht beginnen würde; auch die Perſiſchen
Völker ordneten ſich über die weite Ebene hin zur Schlacht. Es
erfolgte kein Angriff, man ſah die Feinde ſich lagern; Alles blieb
ruhig, nur ein Reuterhaufe mit einigen Schaaren leichten Fußvolkes
untermiſcht, zog von den Hügeln herab, durch die Ebene hin, und,
ohne ſich der Linie der Perſer zu nahen, wieder zum Lager zurück.
Der Abend kam; beabſichtigten die Feinde einen nächtlichen Ueber-
fall? Das Perſiſche Lager, ohne Wall und Graben, hätte nicht
Schutz gegen einen Ueberfall gewährt; ſo erhielten die Völker den
Befehl, die Nacht hindurch unter den Waffen und in Schlachtord-
nung zu bleiben, die Pferde geſattelt neben ſich bei den Wachtfeuern
zu halten 26). Darius ſelbſt ritt während der Nacht an den Linien
entlang, um die Völker durch ſein Antlitz und ſeinen Gruß zu begeiſtern.
Auf dem äußerſten linken Flügel ſtanden die Reutervölker des Beſſus,
namentlich die Maſſagetiſchen Scythen, tauſend erleſene Baktrianer,
dann die übrigen Baktrianer, die Daer und Sogdianer, vor ihnen hun-
dert Senſenwagen; jenen zunächſt die Arachoſier und Bergindier 27);
ihnen folgte eine Maſſe Perſer, die aus Reuterei und Fußvolk ge-
miſcht war, dann die Suſier und die Kaduſier, welche ſich an das
26) Curt. IV. 14. 12.
27) Arrian. III. 11. An dieſer Stelle ſcheint
Arrian die Arier ausgelaſſen zu haben, die er in dem erſten Katalog c. 8.
mit aufführt; die dort genannten Bergindier ſtanden wohl neben den
Arachoſiern, unter deren Satrapen ſie gehörten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/237>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.