die Zukunft geknüpft, und statt der Asiatischen Herrschaft, die we- nigstens in demselben Welttheile erwachsen war, ein fremdes, un- natürliches, doppelt schweres Joch über Asien gekommen. Die Ant- wort auf diese Fragen bezeichnet die Katastrophe in Alexanders Heldenleben, es ist der Wermuth in dem Becher seiner Freuden, der Wurm, der an der Wurzel seiner Größe nagt, das Verhängniß seiner Siege, das ihn besiegt. Während der König Persiens die letzten Wege flieht, beginnt Alexander sich mit dem Glanze des Persischen Königthums zu schmücken, die Großen Persiens um sich zu sammeln, sich mit dem Namen, den er bekämpft und vernichtet, zu versöhnen. Er mußte es; König in Abend- und Morgenland mußte er dem Macedonischen Adel einen Adel des Morgenlandes hinzufügen, und der Adel Asiens war nach der Natur der Dinge, nach der Ansicht der Völker und dem Bedürfniß des neuen König- thums der letzte herrschende Stamm Asiens, die Perser. Es wäre Wahnsinn gewesen, plötzlich alle Verhältnisse umgestalten, alle Zu- stände in Frage stellen, aller Gewohnheit und allem Vorurtheil mit einem Machtworte entgegentreten zu wollen. Was auch der Hochmuth der Hellenen und der Siegerstolz der Macedonier sagen mochte, Alexander mußte, wenn er dem Diadem Macedoniens die Tiara der Asiatischen Herrschaft hinzufügen wollte, nach der gro- ßen Weltscheidung von Osten und Westen, die in Babylon ihr Centrum hatte, fortan Macedonier und Asiate zugleich sein, Mace- donischen und Asiatischen Adel in gleichem Rechte anerkennen, den Völkern des Abend- und Morgenlandes gleich befreundet und gleich erhaben sein, und nur das Heer, mit dem er noch weite Strecken zu erobern hatte, durfte und mußte Macedonisch und dem Könige in alter Kameradschaft vertraulich sein. Wenn in irgend etwas, so verdient Alexander hierin die höchste Bewunderung, und die Ge- schichte hat bis auf diesen Tag die Richtigkeit seiner Grundsätze be- stätigt; er hat bewiesen, was den Europäern in Asien und wie es ihnen möglich ist, und vielleicht zeigt seine Lösung des großen Räthsels, daß es unauflöslich ist.
Stets, wenn in sich wahre und nothwendige Gedanken in die Wirklichkeit treten, bewähren sie sich zugleich als die nützlichsten Maximen und als die unter den jedesmaligen Umständen zweckmä- ßigsten Mittel. Nicht ohne pragmatischen Scharfsinn hat man be-
die Zukunft geknüpft, und ſtatt der Aſiatiſchen Herrſchaft, die we- nigſtens in demſelben Welttheile erwachſen war, ein fremdes, un- natürliches, doppelt ſchweres Joch über Aſien gekommen. Die Ant- wort auf dieſe Fragen bezeichnet die Kataſtrophe in Alexanders Heldenleben, es iſt der Wermuth in dem Becher ſeiner Freuden, der Wurm, der an der Wurzel ſeiner Größe nagt, das Verhängniß ſeiner Siege, das ihn beſiegt. Während der König Perſiens die letzten Wege flieht, beginnt Alexander ſich mit dem Glanze des Perſiſchen Königthums zu ſchmücken, die Großen Perſiens um ſich zu ſammeln, ſich mit dem Namen, den er bekämpft und vernichtet, zu verſöhnen. Er mußte es; König in Abend- und Morgenland mußte er dem Macedoniſchen Adel einen Adel des Morgenlandes hinzufügen, und der Adel Aſiens war nach der Natur der Dinge, nach der Anſicht der Völker und dem Bedürfniß des neuen König- thums der letzte herrſchende Stamm Aſiens, die Perſer. Es wäre Wahnſinn geweſen, plötzlich alle Verhältniſſe umgeſtalten, alle Zu- ſtände in Frage ſtellen, aller Gewohnheit und allem Vorurtheil mit einem Machtworte entgegentreten zu wollen. Was auch der Hochmuth der Hellenen und der Siegerſtolz der Macedonier ſagen mochte, Alexander mußte, wenn er dem Diadem Macedoniens die Tiara der Aſiatiſchen Herrſchaft hinzufügen wollte, nach der gro- ßen Weltſcheidung von Oſten und Weſten, die in Babylon ihr Centrum hatte, fortan Macedonier und Aſiate zugleich ſein, Mace- doniſchen und Aſiatiſchen Adel in gleichem Rechte anerkennen, den Völkern des Abend- und Morgenlandes gleich befreundet und gleich erhaben ſein, und nur das Heer, mit dem er noch weite Strecken zu erobern hatte, durfte und mußte Macedoniſch und dem Könige in alter Kameradſchaft vertraulich ſein. Wenn in irgend etwas, ſo verdient Alexander hierin die höchſte Bewunderung, und die Ge- ſchichte hat bis auf dieſen Tag die Richtigkeit ſeiner Grundſätze be- ſtätigt; er hat bewieſen, was den Europäern in Aſien und wie es ihnen möglich iſt, und vielleicht zeigt ſeine Löſung des großen Räthſels, daß es unauflöslich iſt.
Stets, wenn in ſich wahre und nothwendige Gedanken in die Wirklichkeit treten, bewähren ſie ſich zugleich als die nützlichſten Maximen und als die unter den jedesmaligen Umſtänden zweckmä- ßigſten Mittel. Nicht ohne pragmatiſchen Scharfſinn hat man be-
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die Zukunft geknüpft, und ſtatt der Aſiatiſchen Herrſchaft, die we-
nigſtens in demſelben Welttheile erwachſen war, ein fremdes, un-
natürliches, doppelt ſchweres Joch über Aſien gekommen. Die Ant-
wort auf dieſe Fragen bezeichnet die Kataſtrophe in Alexanders
Heldenleben, es iſt der Wermuth in dem Becher ſeiner Freuden,
der Wurm, der an der Wurzel ſeiner Größe nagt, das Verhängniß
ſeiner Siege, das ihn beſiegt. Während der König Perſiens die
letzten Wege flieht, beginnt Alexander ſich mit dem Glanze des
Perſiſchen Königthums zu ſchmücken, die Großen Perſiens um ſich
zu ſammeln, ſich mit dem Namen, den er bekämpft und vernichtet,
zu verſöhnen. Er mußte es; König in Abend- und Morgenland
mußte er dem Macedoniſchen Adel einen Adel des Morgenlandes
hinzufügen, und der Adel Aſiens war nach der Natur der Dinge,
nach der Anſicht der Völker und dem Bedürfniß des neuen König-
thums der letzte herrſchende Stamm Aſiens, die Perſer. Es wäre
Wahnſinn geweſen, plötzlich alle Verhältniſſe umgeſtalten, alle Zu-
ſtände in Frage ſtellen, aller Gewohnheit und allem Vorurtheil
mit einem Machtworte entgegentreten zu wollen. Was auch der
Hochmuth der Hellenen und der Siegerſtolz der Macedonier ſagen
mochte, Alexander mußte, wenn er dem Diadem Macedoniens die
Tiara der Aſiatiſchen Herrſchaft hinzufügen wollte, nach der gro-
ßen Weltſcheidung von Oſten und Weſten, die in Babylon ihr
Centrum hatte, fortan Macedonier und Aſiate zugleich ſein, Mace-
doniſchen und Aſiatiſchen Adel in gleichem Rechte anerkennen, den
Völkern des Abend- und Morgenlandes gleich befreundet und gleich
erhaben ſein, und nur das Heer, mit dem er noch weite Strecken
zu erobern hatte, durfte und mußte Macedoniſch und dem Könige
in alter Kameradſchaft vertraulich ſein. Wenn in irgend etwas, ſo
verdient Alexander hierin die höchſte Bewunderung, und die Ge-
ſchichte hat bis auf dieſen Tag die Richtigkeit ſeiner Grundſätze be-
ſtätigt; er hat bewieſen, was den Europäern in Aſien und wie es
ihnen möglich iſt, und vielleicht zeigt ſeine Löſung des großen
Räthſels, daß es unauflöslich iſt.
Stets, wenn in ſich wahre und nothwendige Gedanken in die
Wirklichkeit treten, bewähren ſie ſich zugleich als die nützlichſten
Maximen und als die unter den jedesmaligen Umſtänden zweckmä-
ßigſten Mittel. Nicht ohne pragmatiſchen Scharfſinn hat man be-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/250>, abgerufen am 22.11.2024.
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