Feinde endete, vor der Fronte das Thal, das sich zur Ebene des Araxes, über den hin der Weg nach Persepolis führt, ausbreitet, im Rücken die mächtigen Gebirge, die, mit Mühe überschritten, vielleicht bei irgend einem Unfalle den Rückweg, die Rettung un- möglich machten. Alexander theilte nach einiger Rast sein Heer; er ließ Amyntas, Polysperchon, Könus, Philotas mit ihren Corps in die Ebene hinab gehen, sowohl um auf dem Wege nach Perse- polis über den Fluß eine Brücke zu schlagen 49), als auch um den Persern, wenn sie bewältigt wären, den Rückzug auf Persepolis zu sperren; er selbst rückte mit seinen Hypaspisten, mit der Phalanx Perdikkas, mit dem Geleit der Ritterschaft und zwei anderen Ge- schwadern, mit den Schützen und Agrianern rechts gegen die Pässe hin; ein höchst beschwerlicher Marsch, durch die Waldung des Ber- ges, durch den heftigen Sturm, durch das Dunkel der Nacht dop- pelt schwierig. Vor Tagesanbruch traf man die ersten Vorposten der Perser, sie wurden niedergemacht; man nahete den zweiten, we- nige entkamen zu der dritten Postenreihe, um sich mit diesen nicht in das Lager, sondern in die Berge zu flüchten. Im Persischen Lager ahnete man nichts von dem, was vorging, man glaubte die Macedonier unten im Thale, man hielt sich in diesem winterlichen Sturmwetter in den Zelten, überzeugt, daß Sturm und Schnee dem Feinde das Angreifen unmöglich machen werde; so war Alles im Lager ruhig, als plötzlich, es war in der Frühstunde, rechts auf den Höhen die Macedonischen Trompeten schmetterten, und von den Höhen herab, aus dem Thale herauf zugleich der Sturm- ruf ertönte. Und schon war Alexander, der sich mit dem größeren Theile seines Heeres in den Rücken der Perser hinabgezogen hatte, gegen diese Seite des Lagers im Anmarsch, während Ptolemäus mit zweitausend Mann von der Höhe herabstürmte; auch Kraterus hatte vom Thale herauf den Sturm gewagt und die in der Ver- wirrung schlecht vertheidigten Eingänge erbrochen; so trafen von allen Seiten die Macedonier im Lager zusammen. Hier begann ein gräßliches Gemetzel, Fliehende stürzten den Macedoniern in die
49) Unmöglich kann der Araxes gemeint sein, der ja kaum eine Stunde weit von Persepolis vorüberfließt; eher dürfte der Arosisfluß bei Sul überbrückt worden sein.
Feinde endete, vor der Fronte das Thal, das ſich zur Ebene des Araxes, über den hin der Weg nach Perſepolis führt, ausbreitet, im Rücken die mächtigen Gebirge, die, mit Mühe überſchritten, vielleicht bei irgend einem Unfalle den Rückweg, die Rettung un- möglich machten. Alexander theilte nach einiger Raſt ſein Heer; er ließ Amyntas, Polyſperchon, Könus, Philotas mit ihren Corps in die Ebene hinab gehen, ſowohl um auf dem Wege nach Perſe- polis über den Fluß eine Brücke zu ſchlagen 49), als auch um den Perſern, wenn ſie bewältigt wären, den Rückzug auf Perſepolis zu ſperren; er ſelbſt rückte mit ſeinen Hypaspiſten, mit der Phalanx Perdikkas, mit dem Geleit der Ritterſchaft und zwei anderen Ge- ſchwadern, mit den Schützen und Agrianern rechts gegen die Päſſe hin; ein höchſt beſchwerlicher Marſch, durch die Waldung des Ber- ges, durch den heftigen Sturm, durch das Dunkel der Nacht dop- pelt ſchwierig. Vor Tagesanbruch traf man die erſten Vorpoſten der Perſer, ſie wurden niedergemacht; man nahete den zweiten, we- nige entkamen zu der dritten Poſtenreihe, um ſich mit dieſen nicht in das Lager, ſondern in die Berge zu flüchten. Im Perſiſchen Lager ahnete man nichts von dem, was vorging, man glaubte die Macedonier unten im Thale, man hielt ſich in dieſem winterlichen Sturmwetter in den Zelten, überzeugt, daß Sturm und Schnee dem Feinde das Angreifen unmöglich machen werde; ſo war Alles im Lager ruhig, als plötzlich, es war in der Frühſtunde, rechts auf den Höhen die Macedoniſchen Trompeten ſchmetterten, und von den Höhen herab, aus dem Thale herauf zugleich der Sturm- ruf ertönte. Und ſchon war Alexander, der ſich mit dem größeren Theile ſeines Heeres in den Rücken der Perſer hinabgezogen hatte, gegen dieſe Seite des Lagers im Anmarſch, während Ptolemäus mit zweitauſend Mann von der Höhe herabſtürmte; auch Kraterus hatte vom Thale herauf den Sturm gewagt und die in der Ver- wirrung ſchlecht vertheidigten Eingänge erbrochen; ſo trafen von allen Seiten die Macedonier im Lager zuſammen. Hier begann ein gräßliches Gemetzel, Fliehende ſtürzten den Macedoniern in die
49) Unmöglich kann der Araxes gemeint ſein, der ja kaum eine Stunde weit von Perſepolis vorüberfließt; eher dürfte der Aroſisfluß bei Sul überbrückt worden ſein.
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Feinde endete, vor der Fronte das Thal, das ſich zur Ebene des
Araxes, über den hin der Weg nach Perſepolis führt, ausbreitet,
im Rücken die mächtigen Gebirge, die, mit Mühe überſchritten,
vielleicht bei irgend einem Unfalle den Rückweg, die Rettung un-
möglich machten. Alexander theilte nach einiger Raſt ſein Heer;
er ließ Amyntas, Polyſperchon, Könus, Philotas mit ihren Corps
in die Ebene hinab gehen, ſowohl um auf dem Wege nach Perſe-
polis über den Fluß eine Brücke zu ſchlagen 49), als auch um den
Perſern, wenn ſie bewältigt wären, den Rückzug auf Perſepolis zu
ſperren; er ſelbſt rückte mit ſeinen Hypaspiſten, mit der Phalanx
Perdikkas, mit dem Geleit der Ritterſchaft und zwei anderen Ge-
ſchwadern, mit den Schützen und Agrianern rechts gegen die Päſſe
hin; ein höchſt beſchwerlicher Marſch, durch die Waldung des Ber-
ges, durch den heftigen Sturm, durch das Dunkel der Nacht dop-
pelt ſchwierig. Vor Tagesanbruch traf man die erſten Vorpoſten
der Perſer, ſie wurden niedergemacht; man nahete den zweiten, we-
nige entkamen zu der dritten Poſtenreihe, um ſich mit dieſen nicht
in das Lager, ſondern in die Berge zu flüchten. Im Perſiſchen
Lager ahnete man nichts von dem, was vorging, man glaubte die
Macedonier unten im Thale, man hielt ſich in dieſem winterlichen
Sturmwetter in den Zelten, überzeugt, daß Sturm und Schnee
dem Feinde das Angreifen unmöglich machen werde; ſo war Alles
im Lager ruhig, als plötzlich, es war in der Frühſtunde, rechts
auf den Höhen die Macedoniſchen Trompeten ſchmetterten, und
von den Höhen herab, aus dem Thale herauf zugleich der Sturm-
ruf ertönte. Und ſchon war Alexander, der ſich mit dem größeren
Theile ſeines Heeres in den Rücken der Perſer hinabgezogen hatte,
gegen dieſe Seite des Lagers im Anmarſch, während Ptolemäus
mit zweitauſend Mann von der Höhe herabſtürmte; auch Kraterus
hatte vom Thale herauf den Sturm gewagt und die in der Ver-
wirrung ſchlecht vertheidigten Eingänge erbrochen; ſo trafen von
allen Seiten die Macedonier im Lager zuſammen. Hier begann
ein gräßliches Gemetzel, Fliehende ſtürzten den Macedoniern in die
49) Unmöglich kann der Araxes gemeint ſein, der ja kaum eine
Stunde weit von Perſepolis vorüberfließt; eher dürfte der Aroſisfluß
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/259>, abgerufen am 21.11.2024.
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