Alexander hatte seine Truppen einige Tage in Ragä rasten lassen; am Morgen des sechsten Tages brach er wieder auf; Ta- ges darauf stand er innerhalb der Pässe am Saume der Haide, über die der Weg ostwärts nach der Parthischen Hauptstadt Heka- tompylos, dem Mittelpunkt der Heerstraße gen Hyrkanien, Baktrien und Ariana, führt. Während das Heer hier lagerte und sich ei- nige Haufen in der Gegend zerstreueten, um für den Weg durch die Steppe zu fouragiren, kamen gegen Abend Bagisthanes und Ar- tabelus in das Macedonische Lager, unterwarfen sich der Gnade des Königs und sagten aus, daß Bessus und Nabarzanes sich der Per- son des Großkönigs bemächtigt hätten und eiligst gen Baktrien zögen, was weiter geschehen, wüßten sie nicht. Mit desto größerer Eile beschloß Alexander die Fliehenden zu verfolgen; indem er den größeren Theil der Truppen unter Kraterus und mit dem Befehl, langsam nachzurücken, zurück ließ, eilte er selbst mit den Edelschaa- ren, den Plänkerern, den leichtesten und kräftigsten vom Fußvolk den Fliehenden nach. So die Nacht hindurch bis zum folgenden Mittag; und wieder nach wenigen Stunden Rast die zweite Nacht hindurch, mit Sonnenaufgang erreichte man Thara, wo vier Tage früher Darius von den Meuterern gefangen genommen war. Hier erfuhr Alexander von des Großkönigs Dolmetscher Melon, der krank zurückgeblieben war 64), daß Artabazus und die Griechen sich nördwärts in die Tapurischen Berge zurückgezogen hätten, daß Bessus an Darius Statt die Ge- walt in Händen habe und von den Persern und Baktrianern als Gebieter anerkannt werde, daß der Plan der Verschworenen sei, sich in die Ostprovinzen zurückzuziehen, und dem Könige Alexander gegen den ungestörten und unabhängigen Besitz des Persischen Ostens die Auslieferung des Darius anzubieten, wenn er dagegen weiter vordringe, ein möglichst großes Heer zusammenzubringen und sich gemeinschaftlich im Besitz der Herrschaft, die sie hätten, zu be- haupten, vorläufig aber die Führung des Ganzen in Bessus Hän- den zu lassen, angeblich wegen seiner Verwandtschaft mit dem kö- niglichen Hause und seines nächsten Anrechts auf den Thron 65).
Alles
Persischen Lager; seine Angaben sind, wenn auch ausgeschmückt, doch in sich wahrscheinlich.
64)Curt. V. 13. 7.
65)Arrian. III. 21. 9. fügt hinzu: "und weil alles das in Bessus Satrapie geschehen
Alexander hatte ſeine Truppen einige Tage in Ragä raſten laſſen; am Morgen des ſechsten Tages brach er wieder auf; Ta- ges darauf ſtand er innerhalb der Päſſe am Saume der Haide, über die der Weg oſtwärts nach der Parthiſchen Hauptſtadt Heka- tompylos, dem Mittelpunkt der Heerſtraße gen Hyrkanien, Baktrien und Ariana, führt. Während das Heer hier lagerte und ſich ei- nige Haufen in der Gegend zerſtreueten, um für den Weg durch die Steppe zu fouragiren, kamen gegen Abend Bagiſthanes und Ar- tabelus in das Macedoniſche Lager, unterwarfen ſich der Gnade des Königs und ſagten aus, daß Beſſus und Nabarzanes ſich der Per- ſon des Großkönigs bemächtigt hätten und eiligſt gen Baktrien zögen, was weiter geſchehen, wüßten ſie nicht. Mit deſto größerer Eile beſchloß Alexander die Fliehenden zu verfolgen; indem er den größeren Theil der Truppen unter Kraterus und mit dem Befehl, langſam nachzurücken, zurück ließ, eilte er ſelbſt mit den Edelſchaa- ren, den Plänkerern, den leichteſten und kräftigſten vom Fußvolk den Fliehenden nach. So die Nacht hindurch bis zum folgenden Mittag; und wieder nach wenigen Stunden Raſt die zweite Nacht hindurch, mit Sonnenaufgang erreichte man Thara, wo vier Tage früher Darius von den Meuterern gefangen genommen war. Hier erfuhr Alexander von des Großkönigs Dolmetſcher Melon, der krank zurückgeblieben war 64), daß Artabazus und die Griechen ſich nördwärts in die Tapuriſchen Berge zurückgezogen hätten, daß Beſſus an Darius Statt die Ge- walt in Händen habe und von den Perſern und Baktrianern als Gebieter anerkannt werde, daß der Plan der Verſchworenen ſei, ſich in die Oſtprovinzen zurückzuziehen, und dem Könige Alexander gegen den ungeſtörten und unabhängigen Beſitz des Perſiſchen Oſtens die Auslieferung des Darius anzubieten, wenn er dagegen weiter vordringe, ein möglichſt großes Heer zuſammenzubringen und ſich gemeinſchaftlich im Beſitz der Herrſchaft, die ſie hätten, zu be- haupten, vorläufig aber die Führung des Ganzen in Beſſus Hän- den zu laſſen, angeblich wegen ſeiner Verwandtſchaft mit dem kö- niglichen Hauſe und ſeines nächſten Anrechts auf den Thron 65).
Alles
Perſiſchen Lager; ſeine Angaben ſind, wenn auch ausgeſchmückt, doch in ſich wahrſcheinlich.
64)Curt. V. 13. 7.
65)Arrian. III. 21. 9. fügt hinzu: „und weil alles das in Beſſus Satrapie geſchehen
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Alexander hatte ſeine Truppen einige Tage in Ragä raſten
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über die der Weg oſtwärts nach der Parthiſchen Hauptſtadt Heka-
tompylos, dem Mittelpunkt der Heerſtraße gen Hyrkanien, Baktrien
und Ariana, führt. Während das Heer hier lagerte und ſich ei-
nige Haufen in der Gegend zerſtreueten, um für den Weg durch
die Steppe zu fouragiren, kamen gegen Abend Bagiſthanes und Ar-
tabelus in das Macedoniſche Lager, unterwarfen ſich der Gnade des
Königs und ſagten aus, daß Beſſus und Nabarzanes ſich der Per-
ſon des Großkönigs bemächtigt hätten und eiligſt gen Baktrien
zögen, was weiter geſchehen, wüßten ſie nicht. Mit deſto größerer
Eile beſchloß Alexander die Fliehenden zu verfolgen; indem er den
größeren Theil der Truppen unter Kraterus und mit dem Befehl,
langſam nachzurücken, zurück ließ, eilte er ſelbſt mit den Edelſchaa-
ren, den Plänkerern, den leichteſten und kräftigſten vom Fußvolk den
Fliehenden nach. So die Nacht hindurch bis zum folgenden Mittag;
und wieder nach wenigen Stunden Raſt die zweite Nacht hindurch, mit
Sonnenaufgang erreichte man Thara, wo vier Tage früher Darius von
den Meuterern gefangen genommen war. Hier erfuhr Alexander von
des Großkönigs Dolmetſcher Melon, der krank zurückgeblieben war 64),
daß Artabazus und die Griechen ſich nördwärts in die Tapuriſchen
Berge zurückgezogen hätten, daß Beſſus an Darius Statt die Ge-
walt in Händen habe und von den Perſern und Baktrianern als
Gebieter anerkannt werde, daß der Plan der Verſchworenen ſei,
ſich in die Oſtprovinzen zurückzuziehen, und dem Könige Alexander
gegen den ungeſtörten und unabhängigen Beſitz des Perſiſchen
Oſtens die Auslieferung des Darius anzubieten, wenn er dagegen
weiter vordringe, ein möglichſt großes Heer zuſammenzubringen und
ſich gemeinſchaftlich im Beſitz der Herrſchaft, die ſie hätten, zu be-
haupten, vorläufig aber die Führung des Ganzen in Beſſus Hän-
den zu laſſen, angeblich wegen ſeiner Verwandtſchaft mit dem kö-
niglichen Hauſe und ſeines nächſten Anrechts auf den Thron 65).
Alles
63)
64) Curt. V. 13. 7.
65) Arrian. III.
21. 9. fügt hinzu: „und weil alles das in Beſſus Satrapie geſchehen
63) Perſiſchen Lager; ſeine Angaben ſind, wenn auch ausgeſchmückt, doch
in ſich wahrſcheinlich.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/270>, abgerufen am 22.11.2024.
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