meinschaftlich agiren lassen, so wären bedeutende Erfolge zu erwar- ten gewesen. Aber damals war Demades aufgetreten, hatte dem Volke vorgestellt, daß, wenn es seine Schiffe ausrüsten wolle, es sich selbst das Geld zu Festschmaus und Dionysosfeier entzöge, und dadurch so viel erreicht, daß von Seiten Athens nichts geschah79). Die anderen Bundesstaaten wagten nicht, ohne Athens Vorgang die beschwo- renen Verträge zu brechen, und durch den Beistand einiger Tyran- nen und Oligarchen auf den Inseln war die Persische Seemacht nicht im Stande gewesen, sich genug zu verstärken, um es gegen Am- photerus und Hegelochus auszuhalten. Dennoch wurde es in Grie- chenland nicht ruhig; weder die fortwährenden Siege Alexanders und seiner Admirale, noch die Nähe des bedeutenden Heeres, das der Reichsverweser in Macedonien unter den Waffen hielt, hatten die noch immer zahlreiche und einflußreiche Parthei der Mißvergnüg- ten einzuschüchtern vermocht; unzufrieden mit allem, was geschehen war und noch geschah, und noch immer in dem Wahne, daß es möglich sei, die Demokratie im alten Sinne und Ansehen gegen die Uebermacht der Macedonischen Monarchie aufrecht zu erhalten, benutzten sie jede Gelegenheit, in der leichtsinnigen und leichtgläu- bigen Menge Misgunst, Besorgniß, Erbitterung zu nähren; The- bens unglückliches Ende war ein unerschöpflicher Quell zu Dekla- mationen, den Korinthischen Bundestag nannten sie eine schlecht- berechnete Illusion; alles was von Macedonien ausging, selbst Eh- ren und Geschenke, wurde verdächtigt oder als Schmach für freie Staaten bezeichnet: man wolle nichts Anderes, als die Gesandten der einzelnen Staaten beim Bundestage selbst zu Werkzeugen der Macedonischen Despotie machen; die Einheit der Hellenen sei eher im Hasse gegen Macedonien als im Kampfe gegen Persien zu fin- den; ja die Siege über Persien seien für Macedonien nur ein Mittel mehr, die selbstständige Freiheit der Hellenischen Staaten auszurotten. Natürlich war die Rednerbühne Athens der rechte Ort, dieses Misvergnügen in unerschöpflichen Deklamationen zur Schau zu stellen; nirgends standen sich die beiden Partheien schär- fer gegenüber; und das Volk, bald von Demosthenes, bald von
79)Plut. praec. reip. ger.; cf. Boekh Staatshaushaltung I. 182. II. 246.
meinſchaftlich agiren laſſen, ſo wären bedeutende Erfolge zu erwar- ten geweſen. Aber damals war Demades aufgetreten, hatte dem Volke vorgeſtellt, daß, wenn es ſeine Schiffe ausrüſten wolle, es ſich ſelbſt das Geld zu Feſtſchmaus und Dionyſosfeier entzöge, und dadurch ſo viel erreicht, daß von Seiten Athens nichts geſchah79). Die anderen Bundesſtaaten wagten nicht, ohne Athens Vorgang die beſchwo- renen Verträge zu brechen, und durch den Beiſtand einiger Tyran- nen und Oligarchen auf den Inſeln war die Perſiſche Seemacht nicht im Stande geweſen, ſich genug zu verſtärken, um es gegen Am- photerus und Hegelochus auszuhalten. Dennoch wurde es in Grie- chenland nicht ruhig; weder die fortwährenden Siege Alexanders und ſeiner Admirale, noch die Nähe des bedeutenden Heeres, das der Reichsverweſer in Macedonien unter den Waffen hielt, hatten die noch immer zahlreiche und einflußreiche Parthei der Mißvergnüg- ten einzuſchüchtern vermocht; unzufrieden mit allem, was geſchehen war und noch geſchah, und noch immer in dem Wahne, daß es möglich ſei, die Demokratie im alten Sinne und Anſehen gegen die Uebermacht der Macedoniſchen Monarchie aufrecht zu erhalten, benutzten ſie jede Gelegenheit, in der leichtſinnigen und leichtgläu- bigen Menge Misgunſt, Beſorgniß, Erbitterung zu nähren; The- bens unglückliches Ende war ein unerſchöpflicher Quell zu Dekla- mationen, den Korinthiſchen Bundestag nannten ſie eine ſchlecht- berechnete Illuſion; alles was von Macedonien ausging, ſelbſt Eh- ren und Geſchenke, wurde verdächtigt oder als Schmach für freie Staaten bezeichnet: man wolle nichts Anderes, als die Geſandten der einzelnen Staaten beim Bundestage ſelbſt zu Werkzeugen der Macedoniſchen Despotie machen; die Einheit der Hellenen ſei eher im Haſſe gegen Macedonien als im Kampfe gegen Perſien zu fin- den; ja die Siege über Perſien ſeien für Macedonien nur ein Mittel mehr, die ſelbſtſtändige Freiheit der Helleniſchen Staaten auszurotten. Natürlich war die Rednerbühne Athens der rechte Ort, dieſes Misvergnügen in unerſchöpflichen Deklamationen zur Schau zu ſtellen; nirgends ſtanden ſich die beiden Partheien ſchär- fer gegenüber; und das Volk, bald von Demoſthenes, bald von
79)Plut. praec. reip. ger.; cf. Boekh Staatshaushaltung I. 182. II. 246.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0285"n="271"/>
meinſchaftlich agiren laſſen, ſo wären bedeutende Erfolge zu erwar-<lb/>
ten geweſen. Aber damals war Demades aufgetreten, hatte dem Volke<lb/>
vorgeſtellt, daß, wenn es ſeine Schiffe ausrüſten wolle, es ſich ſelbſt<lb/>
das Geld zu Feſtſchmaus und Dionyſosfeier entzöge, und dadurch<lb/>ſo viel erreicht, daß von Seiten Athens nichts geſchah<noteplace="foot"n="79)"><hirendition="#aq">Plut. praec. reip. ger.; cf.</hi> Boekh Staatshaushaltung <hirendition="#aq">I.</hi> 182.<lb/><hirendition="#aq">II.</hi> 246.</note>. Die<lb/>
anderen Bundesſtaaten wagten nicht, ohne Athens Vorgang die beſchwo-<lb/>
renen Verträge zu brechen, und durch den Beiſtand einiger Tyran-<lb/>
nen und Oligarchen auf den Inſeln war die Perſiſche Seemacht<lb/>
nicht im Stande geweſen, ſich genug zu verſtärken, um es gegen Am-<lb/>
photerus und Hegelochus auszuhalten. Dennoch wurde es in Grie-<lb/>
chenland nicht ruhig; weder die fortwährenden Siege Alexanders<lb/>
und ſeiner Admirale, noch die Nähe des bedeutenden Heeres, das<lb/>
der Reichsverweſer in Macedonien unter den Waffen hielt, hatten<lb/>
die noch immer zahlreiche und einflußreiche Parthei der Mißvergnüg-<lb/>
ten einzuſchüchtern vermocht; unzufrieden mit allem, was geſchehen<lb/>
war und noch geſchah, und noch immer in dem Wahne, daß es<lb/>
möglich ſei, die Demokratie im alten Sinne und Anſehen gegen<lb/>
die Uebermacht der Macedoniſchen Monarchie aufrecht zu erhalten,<lb/>
benutzten ſie jede Gelegenheit, in der leichtſinnigen und leichtgläu-<lb/>
bigen Menge Misgunſt, Beſorgniß, Erbitterung zu nähren; The-<lb/>
bens unglückliches Ende war ein unerſchöpflicher Quell zu Dekla-<lb/>
mationen, den Korinthiſchen Bundestag nannten ſie eine ſchlecht-<lb/>
berechnete Illuſion; alles was von Macedonien ausging, ſelbſt Eh-<lb/>
ren und Geſchenke, wurde verdächtigt oder als Schmach für freie<lb/>
Staaten bezeichnet: man wolle nichts Anderes, als die Geſandten<lb/>
der einzelnen Staaten beim Bundestage ſelbſt zu Werkzeugen der<lb/>
Macedoniſchen Despotie machen; die Einheit der Hellenen ſei eher<lb/>
im Haſſe gegen Macedonien als im Kampfe gegen Perſien zu fin-<lb/>
den; ja die Siege über Perſien ſeien für Macedonien nur ein<lb/>
Mittel mehr, die ſelbſtſtändige Freiheit der Helleniſchen Staaten<lb/>
auszurotten. Natürlich war die Rednerbühne Athens der rechte<lb/>
Ort, dieſes Misvergnügen in unerſchöpflichen Deklamationen zur<lb/>
Schau zu ſtellen; nirgends ſtanden ſich die beiden Partheien ſchär-<lb/>
fer gegenüber; und das Volk, bald von Demoſthenes, bald von<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[271/0285]
meinſchaftlich agiren laſſen, ſo wären bedeutende Erfolge zu erwar-
ten geweſen. Aber damals war Demades aufgetreten, hatte dem Volke
vorgeſtellt, daß, wenn es ſeine Schiffe ausrüſten wolle, es ſich ſelbſt
das Geld zu Feſtſchmaus und Dionyſosfeier entzöge, und dadurch
ſo viel erreicht, daß von Seiten Athens nichts geſchah 79). Die
anderen Bundesſtaaten wagten nicht, ohne Athens Vorgang die beſchwo-
renen Verträge zu brechen, und durch den Beiſtand einiger Tyran-
nen und Oligarchen auf den Inſeln war die Perſiſche Seemacht
nicht im Stande geweſen, ſich genug zu verſtärken, um es gegen Am-
photerus und Hegelochus auszuhalten. Dennoch wurde es in Grie-
chenland nicht ruhig; weder die fortwährenden Siege Alexanders
und ſeiner Admirale, noch die Nähe des bedeutenden Heeres, das
der Reichsverweſer in Macedonien unter den Waffen hielt, hatten
die noch immer zahlreiche und einflußreiche Parthei der Mißvergnüg-
ten einzuſchüchtern vermocht; unzufrieden mit allem, was geſchehen
war und noch geſchah, und noch immer in dem Wahne, daß es
möglich ſei, die Demokratie im alten Sinne und Anſehen gegen
die Uebermacht der Macedoniſchen Monarchie aufrecht zu erhalten,
benutzten ſie jede Gelegenheit, in der leichtſinnigen und leichtgläu-
bigen Menge Misgunſt, Beſorgniß, Erbitterung zu nähren; The-
bens unglückliches Ende war ein unerſchöpflicher Quell zu Dekla-
mationen, den Korinthiſchen Bundestag nannten ſie eine ſchlecht-
berechnete Illuſion; alles was von Macedonien ausging, ſelbſt Eh-
ren und Geſchenke, wurde verdächtigt oder als Schmach für freie
Staaten bezeichnet: man wolle nichts Anderes, als die Geſandten
der einzelnen Staaten beim Bundestage ſelbſt zu Werkzeugen der
Macedoniſchen Despotie machen; die Einheit der Hellenen ſei eher
im Haſſe gegen Macedonien als im Kampfe gegen Perſien zu fin-
den; ja die Siege über Perſien ſeien für Macedonien nur ein
Mittel mehr, die ſelbſtſtändige Freiheit der Helleniſchen Staaten
auszurotten. Natürlich war die Rednerbühne Athens der rechte
Ort, dieſes Misvergnügen in unerſchöpflichen Deklamationen zur
Schau zu ſtellen; nirgends ſtanden ſich die beiden Partheien ſchär-
fer gegenüber; und das Volk, bald von Demoſthenes, bald von
79) Plut. praec. reip. ger.; cf. Boekh Staatshaushaltung I. 182.
II. 246.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/285>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.