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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Sechstes Kapitel.
Der Feldzug in Ariana und Turan.

Um die Zeit der Spartanischen Niederlage stand Alexander in Hyr-
kanien, am Nordabhange jenes Gebirgwalles, der Iran und Turan
von einander scheidet, vor ihm die Wege nach Baktrien und Indien,
nach dem unbekannten Meere, das er jenseits beider Länder als
Grenze seines Reiches zu finden hoffte, hinter ihm die Hälfte des
Perserreichs, und Hunderte von Meilen rückwärts die Hellenische Hei-
math. Er wußte von Agis Kämpfen, vom Abfall der Peloponnesischen
Staaten, von der unsichern Stimmung im übrigen Griechenland,
welche die Alternativen des Kriegsglückes doppelt gefährlich machte;
er kannte die Macht seines Gegners und dessen Vorsicht, dessen
Thätigkeit. Und doch ging er weiter und weiter gen Osten, ohne
Unterstützung an Antipater abzusenden oder günstige Nachrichten
abzuwarten. Wenn nun Agis gesiegt hätte? oder trotzte Alexander
auf sein Glück? verachtete er die Gefahr, der er nicht mehr begeg-
nen konnte? wagte er nicht, um Griechenland zu retten, die Königs-
mörder mit halb soviel Truppen zu verfolgen, als zu den Siegen
von Issus und Arbela hingereicht hatten? Nichts von alle dem; einst
war freilich Griechenlands Ruhe und die Anerkenntniß der Macedo-
nischen Hegemonie die wesentliche Grundlage seiner Macht und sei-
ner Siege gewesen; jetzt garantirten ihm seine Siege die Ruhe
Griechenlands, und der Besitz Asiens die Anerkenntniß einer Hege-
monie, die ihm streitig zu machen mehr thöricht als gefährlich gewe-
sen wäre. Unterlag Antipater, so waren die Satrapen in Lydien
und Phrygien, in Syrien und Aegypten bereit, nicht Erde und
Wasser, wohl aber Genugthuung für Treubruch und Verrath im

Sechstes Kapitel.
Der Feldzug in Ariana und Turan.

Um die Zeit der Spartaniſchen Niederlage ſtand Alexander in Hyr-
kanien, am Nordabhange jenes Gebirgwalles, der Iran und Turan
von einander ſcheidet, vor ihm die Wege nach Baktrien und Indien,
nach dem unbekannten Meere, das er jenſeits beider Länder als
Grenze ſeines Reiches zu finden hoffte, hinter ihm die Hälfte des
Perſerreichs, und Hunderte von Meilen rückwärts die Helleniſche Hei-
math. Er wußte von Agis Kämpfen, vom Abfall der Peloponneſiſchen
Staaten, von der unſichern Stimmung im übrigen Griechenland,
welche die Alternativen des Kriegsglückes doppelt gefährlich machte;
er kannte die Macht ſeines Gegners und deſſen Vorſicht, deſſen
Thätigkeit. Und doch ging er weiter und weiter gen Oſten, ohne
Unterſtützung an Antipater abzuſenden oder günſtige Nachrichten
abzuwarten. Wenn nun Agis geſiegt hätte? oder trotzte Alexander
auf ſein Glück? verachtete er die Gefahr, der er nicht mehr begeg-
nen konnte? wagte er nicht, um Griechenland zu retten, die Königs-
mörder mit halb ſoviel Truppen zu verfolgen, als zu den Siegen
von Iſſus und Arbela hingereicht hatten? Nichts von alle dem; einſt
war freilich Griechenlands Ruhe und die Anerkenntniß der Macedo-
niſchen Hegemonie die weſentliche Grundlage ſeiner Macht und ſei-
ner Siege geweſen; jetzt garantirten ihm ſeine Siege die Ruhe
Griechenlands, und der Beſitz Aſiens die Anerkenntniß einer Hege-
monie, die ihm ſtreitig zu machen mehr thöricht als gefährlich gewe-
ſen wäre. Unterlag Antipater, ſo waren die Satrapen in Lydien
und Phrygien, in Syrien und Aegypten bereit, nicht Erde und
Waſſer, wohl aber Genugthuung für Treubruch und Verrath im

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[[279]/0293] Sechstes Kapitel. Der Feldzug in Ariana und Turan. Um die Zeit der Spartaniſchen Niederlage ſtand Alexander in Hyr- kanien, am Nordabhange jenes Gebirgwalles, der Iran und Turan von einander ſcheidet, vor ihm die Wege nach Baktrien und Indien, nach dem unbekannten Meere, das er jenſeits beider Länder als Grenze ſeines Reiches zu finden hoffte, hinter ihm die Hälfte des Perſerreichs, und Hunderte von Meilen rückwärts die Helleniſche Hei- math. Er wußte von Agis Kämpfen, vom Abfall der Peloponneſiſchen Staaten, von der unſichern Stimmung im übrigen Griechenland, welche die Alternativen des Kriegsglückes doppelt gefährlich machte; er kannte die Macht ſeines Gegners und deſſen Vorſicht, deſſen Thätigkeit. Und doch ging er weiter und weiter gen Oſten, ohne Unterſtützung an Antipater abzuſenden oder günſtige Nachrichten abzuwarten. Wenn nun Agis geſiegt hätte? oder trotzte Alexander auf ſein Glück? verachtete er die Gefahr, der er nicht mehr begeg- nen konnte? wagte er nicht, um Griechenland zu retten, die Königs- mörder mit halb ſoviel Truppen zu verfolgen, als zu den Siegen von Iſſus und Arbela hingereicht hatten? Nichts von alle dem; einſt war freilich Griechenlands Ruhe und die Anerkenntniß der Macedo- niſchen Hegemonie die weſentliche Grundlage ſeiner Macht und ſei- ner Siege geweſen; jetzt garantirten ihm ſeine Siege die Ruhe Griechenlands, und der Beſitz Aſiens die Anerkenntniß einer Hege- monie, die ihm ſtreitig zu machen mehr thöricht als gefährlich gewe- ſen wäre. Unterlag Antipater, ſo waren die Satrapen in Lydien und Phrygien, in Syrien und Aegypten bereit, nicht Erde und Waſſer, wohl aber Genugthuung für Treubruch und Verrath im

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. [279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/293>, abgerufen am 21.11.2024.