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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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In Prophthasia gingen indeß die Untersuchungen fort, mehrere
Hinrichtungen folgten der des Philotas; ihm waren die Söhne des
Stymphäers Andromenes sehr befreundet gewesen; es kam dazu,
daß Polemon, der jüngste von den Brüdern, der in den Geschwa-
dern der Ritterschaft stand, sich, sobald er von der Gefangennehmung
seines Generals Philotas gehört, in blinder Angst auf die Flucht
begeben hatte; seine und seiner Brüder Theilnahme an der Ver-
schwörung schien so gut wie erwiesen; Amyntas, Simmias, Attalus,
alle drei Generale der Phalanx, wurden vorgeführt, und namentlich
gegen Amyntas mehrfache Beschuldigungen geltend gemacht. Dieser
vertheidigte sich und seine Brüder dergestalt, daß die Macedonier
ihn aller Schuld freisprachen; dann bat er um die Vergünstigung,
seinen entflohenen Bruder zurückbringen zu dürfen; der König ge-
stattete es; er reiste noch desselben Tages ab, und brachte Polemon
zurück; das und der rühmliche Tod, den er bald darauf in einem
Gefecht fand, benahmen dem Könige den letzten Verdacht gegen die
edlen Brüdern, die fortan von ihm auf mannigfache Weise ausge-
zeichnet wurden.

Bemerkenswerth ist, daß bei Gelegenheit dieser Untersuchungen
die Sache des Lynkestiers Alexanders, der vier Jahre früher in
Kleinasien einen Anschlag auf des Königs Leben gemacht hatte, da-
mals aber auf ausdrücklichen Befehl Alexanders nur festgenommen
war, jetzt zur Sprache gebracht wurde; mag es wahr sein, daß
das Heer seine Hinrichtung forderte, jedenfalls mußte es dem Könige
genehm sein, einen Mann, den er mit Rücksicht auf seine Ver-
schwägerung mit dem Reichsverweser in Macedonien bisher der ge-
rechten Strafe vorenthalten, von der öffentlichen Stimme gezwungen,
seinen Richtern hinzugeben. Indeß ist es nicht unwahrscheinlich,
daß neue Anlässe hinzukamen, gerade jetzt ihn vor Gericht zu stel-
len; leider berichten unsere Quellen nichts Genaueres. Aber, wenn
der Zweck der Verschwörung, wie Philotas eingestand, Alexanders
Ermordung war, so mußte natürlich die erste und im Voraus

wie ein Werk des verruchtesten Despotismus, ja die Verschwörung
selbst wie eine polizeiliche Fiction im Geschmack der neusten Zeit er-
scheint, die Alexander zur Unterdrückung einer ihm lästigen Opposition
zu ersinnen sich erniedrigt hätte.

In Prophthaſia gingen indeß die Unterſuchungen fort, mehrere
Hinrichtungen folgten der des Philotas; ihm waren die Söhne des
Stymphäers Andromenes ſehr befreundet geweſen; es kam dazu,
daß Polemon, der jüngſte von den Brüdern, der in den Geſchwa-
dern der Ritterſchaft ſtand, ſich, ſobald er von der Gefangennehmung
ſeines Generals Philotas gehört, in blinder Angſt auf die Flucht
begeben hatte; ſeine und ſeiner Brüder Theilnahme an der Ver-
ſchwörung ſchien ſo gut wie erwieſen; Amyntas, Simmias, Attalus,
alle drei Generale der Phalanx, wurden vorgeführt, und namentlich
gegen Amyntas mehrfache Beſchuldigungen geltend gemacht. Dieſer
vertheidigte ſich und ſeine Brüder dergeſtalt, daß die Macedonier
ihn aller Schuld freiſprachen; dann bat er um die Vergünſtigung,
ſeinen entflohenen Bruder zurückbringen zu dürfen; der König ge-
ſtattete es; er reiſte noch deſſelben Tages ab, und brachte Polemon
zurück; das und der rühmliche Tod, den er bald darauf in einem
Gefecht fand, benahmen dem Könige den letzten Verdacht gegen die
edlen Brüdern, die fortan von ihm auf mannigfache Weiſe ausge-
zeichnet wurden.

Bemerkenswerth iſt, daß bei Gelegenheit dieſer Unterſuchungen
die Sache des Lynkeſtiers Alexanders, der vier Jahre früher in
Kleinaſien einen Anſchlag auf des Königs Leben gemacht hatte, da-
mals aber auf ausdrücklichen Befehl Alexanders nur feſtgenommen
war, jetzt zur Sprache gebracht wurde; mag es wahr ſein, daß
das Heer ſeine Hinrichtung forderte, jedenfalls mußte es dem Könige
genehm ſein, einen Mann, den er mit Rückſicht auf ſeine Ver-
ſchwägerung mit dem Reichsverweſer in Macedonien bisher der ge-
rechten Strafe vorenthalten, von der öffentlichen Stimme gezwungen,
ſeinen Richtern hinzugeben. Indeß iſt es nicht unwahrſcheinlich,
daß neue Anläſſe hinzukamen, gerade jetzt ihn vor Gericht zu ſtel-
len; leider berichten unſere Quellen nichts Genaueres. Aber, wenn
der Zweck der Verſchwörung, wie Philotas eingeſtand, Alexanders
Ermordung war, ſo mußte natürlich die erſte und im Voraus

wie ein Werk des verruchteſten Despotismus, ja die Verſchwörung
ſelbſt wie eine polizeiliche Fiction im Geſchmack der neuſten Zeit er-
ſcheint, die Alexander zur Unterdrückung einer ihm läſtigen Oppoſition
zu erſinnen ſich erniedrigt hätte.
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[297/0311] In Prophthaſia gingen indeß die Unterſuchungen fort, mehrere Hinrichtungen folgten der des Philotas; ihm waren die Söhne des Stymphäers Andromenes ſehr befreundet geweſen; es kam dazu, daß Polemon, der jüngſte von den Brüdern, der in den Geſchwa- dern der Ritterſchaft ſtand, ſich, ſobald er von der Gefangennehmung ſeines Generals Philotas gehört, in blinder Angſt auf die Flucht begeben hatte; ſeine und ſeiner Brüder Theilnahme an der Ver- ſchwörung ſchien ſo gut wie erwieſen; Amyntas, Simmias, Attalus, alle drei Generale der Phalanx, wurden vorgeführt, und namentlich gegen Amyntas mehrfache Beſchuldigungen geltend gemacht. Dieſer vertheidigte ſich und ſeine Brüder dergeſtalt, daß die Macedonier ihn aller Schuld freiſprachen; dann bat er um die Vergünſtigung, ſeinen entflohenen Bruder zurückbringen zu dürfen; der König ge- ſtattete es; er reiſte noch deſſelben Tages ab, und brachte Polemon zurück; das und der rühmliche Tod, den er bald darauf in einem Gefecht fand, benahmen dem Könige den letzten Verdacht gegen die edlen Brüdern, die fortan von ihm auf mannigfache Weiſe ausge- zeichnet wurden. Bemerkenswerth iſt, daß bei Gelegenheit dieſer Unterſuchungen die Sache des Lynkeſtiers Alexanders, der vier Jahre früher in Kleinaſien einen Anſchlag auf des Königs Leben gemacht hatte, da- mals aber auf ausdrücklichen Befehl Alexanders nur feſtgenommen war, jetzt zur Sprache gebracht wurde; mag es wahr ſein, daß das Heer ſeine Hinrichtung forderte, jedenfalls mußte es dem Könige genehm ſein, einen Mann, den er mit Rückſicht auf ſeine Ver- ſchwägerung mit dem Reichsverweſer in Macedonien bisher der ge- rechten Strafe vorenthalten, von der öffentlichen Stimme gezwungen, ſeinen Richtern hinzugeben. Indeß iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß neue Anläſſe hinzukamen, gerade jetzt ihn vor Gericht zu ſtel- len; leider berichten unſere Quellen nichts Genaueres. Aber, wenn der Zweck der Verſchwörung, wie Philotas eingeſtand, Alexanders Ermordung war, ſo mußte natürlich die erſte und im Voraus 19) 19) wie ein Werk des verruchteſten Despotismus, ja die Verſchwörung ſelbſt wie eine polizeiliche Fiction im Geſchmack der neuſten Zeit er- ſcheint, die Alexander zur Unterdrückung einer ihm läſtigen Oppoſition zu erſinnen ſich erniedrigt hätte.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/311>, abgerufen am 23.11.2024.