Tod der Sieg bei Kunaxa vergeblich wurde und der Lydische Sa- trap Tissaphernes selbst auf der Küste des Aegäischen Meeres die Persische Macht geltend zu machen wußte, wenn auch Agesilaus, nach glücklichen Unternehmungen in Lydien und Phrygien, durch Kriege in Griechenland, die durch Persisches Gold befördert wurden, aus Asien, ohne bleibenden Einfluß errungen zu haben, zurückgerufen wurde, so war doch gerade diese widernatürliche Verbindung Per- siens mit dem Volke der Freiheit und besonders jener Cnidische Sieg einer Persischen Flotte unter Führung des Atheners Conon ein deutli- ches Zeichen, daß die Persermacht, die, unfähig sich durch sich selbst zu retten und emporzuheben, Griechischen Soldaten und Griechischen Feldherrn sich anvertraute, schon den eignen Untergang in sich hegte und pflegte. Der Antalcidische Friede gab dem großen Könige zwar die Tribute der reichen Jonischen Städte zurück, aber nur, um ihn fortan in den heftigen Kampf der Griechischen Staaten desto mehr zu verwickeln, und den natürlichen Feinden Persiens eine Stelle mehr zu bieten, an der jede Wunde tödtlich wirkte. Der König Artaxerxes erlangte von dem Fürsten in Cypern durch zehnjährige Kämpfe nichts, als daß dieser wieder den alten Tribut zahlte; die Kadusier am Kaspischen Meere vermochte er mit aller Anstrengung nicht zu unterwerfen, und der Fürst von Aegypten be- hauptete gegen die Persische Macht, die unter den Befehl des Atheners Iphikrates gestellt war, glücklich das Feld; die Empörung sämmtlicher Satrapen Kleinasiens, denen sich der Dynast von Ka- rien, desgleichen die Jonier, Lycier, Pisidier, Pamphylier, Cilicier, Syrer, Phönicier anschlossen, und selbst die Spartaner und Athener ihren Beistand zusagten, scheiterte nur durch den Verrath des Rheomithres und Orontes, und durch Artabazus unerschütterliche Treue, der des Königs Ansehn gegen die Empörer behauptete. Noch trauriger offenbarte sich Artaxerxes Unfähigkeit zu herr- schen im Bereich seines königlichen Hofes; die Kabalen seiner wilden Mutter Parysatis sind das Scheußlichste, was jemals ein Asiatischer Harem gesehen hat; der König, eben so schwach wie gut- müthig, eben so voll Mistrauen wie ohne Character, war ein Spiel- ball in den Händen seiner Sklavinnen und Eunuchen. Nun war er ein Greis und sah mit tiefer Bekümmerniß, wie sich schon jetzt seine Söhne um die Thronfolge beneideten, und der Hof in
Tod der Sieg bei Kunaxa vergeblich wurde und der Lydiſche Sa- trap Tiſſaphernes ſelbſt auf der Küſte des Aegäiſchen Meeres die Perſiſche Macht geltend zu machen wußte, wenn auch Ageſilaus, nach glücklichen Unternehmungen in Lydien und Phrygien, durch Kriege in Griechenland, die durch Perſiſches Gold befördert wurden, aus Aſien, ohne bleibenden Einfluß errungen zu haben, zurückgerufen wurde, ſo war doch gerade dieſe widernatürliche Verbindung Per- ſiens mit dem Volke der Freiheit und beſonders jener Cnidiſche Sieg einer Perſiſchen Flotte unter Führung des Atheners Conon ein deutli- ches Zeichen, daß die Perſermacht, die, unfähig ſich durch ſich ſelbſt zu retten und emporzuheben, Griechiſchen Soldaten und Griechiſchen Feldherrn ſich anvertraute, ſchon den eignen Untergang in ſich hegte und pflegte. Der Antalcidiſche Friede gab dem großen Könige zwar die Tribute der reichen Joniſchen Städte zurück, aber nur, um ihn fortan in den heftigen Kampf der Griechiſchen Staaten deſto mehr zu verwickeln, und den natürlichen Feinden Perſiens eine Stelle mehr zu bieten, an der jede Wunde tödtlich wirkte. Der König Artaxerxes erlangte von dem Fürſten in Cypern durch zehnjährige Kämpfe nichts, als daß dieſer wieder den alten Tribut zahlte; die Kaduſier am Kaspiſchen Meere vermochte er mit aller Anſtrengung nicht zu unterwerfen, und der Fürſt von Aegypten be- hauptete gegen die Perſiſche Macht, die unter den Befehl des Atheners Iphikrates geſtellt war, glücklich das Feld; die Empörung ſämmtlicher Satrapen Kleinaſiens, denen ſich der Dynaſt von Ka- rien, desgleichen die Jonier, Lycier, Piſidier, Pamphylier, Cilicier, Syrer, Phönicier anſchloſſen, und ſelbſt die Spartaner und Athener ihren Beiſtand zuſagten, ſcheiterte nur durch den Verrath des Rheomithres und Orontes, und durch Artabazus unerſchütterliche Treue, der des Königs Anſehn gegen die Empörer behauptete. Noch trauriger offenbarte ſich Artaxerxes Unfähigkeit zu herr- ſchen im Bereich ſeines königlichen Hofes; die Kabalen ſeiner wilden Mutter Paryſatis ſind das Scheußlichſte, was jemals ein Aſiatiſcher Harem geſehen hat; der König, eben ſo ſchwach wie gut- müthig, eben ſo voll Mistrauen wie ohne Character, war ein Spiel- ball in den Händen ſeiner Sklavinnen und Eunuchen. Nun war er ein Greis und ſah mit tiefer Bekümmerniß, wie ſich ſchon jetzt ſeine Söhne um die Thronfolge beneideten, und der Hof in
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[21/0035]
Tod der Sieg bei Kunaxa vergeblich wurde und der Lydiſche Sa-
trap Tiſſaphernes ſelbſt auf der Küſte des Aegäiſchen Meeres die
Perſiſche Macht geltend zu machen wußte, wenn auch Ageſilaus,
nach glücklichen Unternehmungen in Lydien und Phrygien, durch
Kriege in Griechenland, die durch Perſiſches Gold befördert wurden,
aus Aſien, ohne bleibenden Einfluß errungen zu haben, zurückgerufen
wurde, ſo war doch gerade dieſe widernatürliche Verbindung Per-
ſiens mit dem Volke der Freiheit und beſonders jener Cnidiſche Sieg
einer Perſiſchen Flotte unter Führung des Atheners Conon ein deutli-
ches Zeichen, daß die Perſermacht, die, unfähig ſich durch ſich ſelbſt
zu retten und emporzuheben, Griechiſchen Soldaten und Griechiſchen
Feldherrn ſich anvertraute, ſchon den eignen Untergang in ſich
hegte und pflegte. Der Antalcidiſche Friede gab dem großen Könige
zwar die Tribute der reichen Joniſchen Städte zurück, aber nur,
um ihn fortan in den heftigen Kampf der Griechiſchen Staaten
deſto mehr zu verwickeln, und den natürlichen Feinden Perſiens
eine Stelle mehr zu bieten, an der jede Wunde tödtlich wirkte.
Der König Artaxerxes erlangte von dem Fürſten in Cypern durch
zehnjährige Kämpfe nichts, als daß dieſer wieder den alten Tribut
zahlte; die Kaduſier am Kaspiſchen Meere vermochte er mit aller
Anſtrengung nicht zu unterwerfen, und der Fürſt von Aegypten be-
hauptete gegen die Perſiſche Macht, die unter den Befehl des
Atheners Iphikrates geſtellt war, glücklich das Feld; die Empörung
ſämmtlicher Satrapen Kleinaſiens, denen ſich der Dynaſt von Ka-
rien, desgleichen die Jonier, Lycier, Piſidier, Pamphylier, Cilicier,
Syrer, Phönicier anſchloſſen, und ſelbſt die Spartaner und Athener
ihren Beiſtand zuſagten, ſcheiterte nur durch den Verrath des
Rheomithres und Orontes, und durch Artabazus unerſchütterliche
Treue, der des Königs Anſehn gegen die Empörer behauptete.
Noch trauriger offenbarte ſich Artaxerxes Unfähigkeit zu herr-
ſchen im Bereich ſeines königlichen Hofes; die Kabalen ſeiner
wilden Mutter Paryſatis ſind das Scheußlichſte, was jemals ein
Aſiatiſcher Harem geſehen hat; der König, eben ſo ſchwach wie gut-
müthig, eben ſo voll Mistrauen wie ohne Character, war ein Spiel-
ball in den Händen ſeiner Sklavinnen und Eunuchen. Nun
war er ein Greis und ſah mit tiefer Bekümmerniß, wie ſich ſchon
jetzt ſeine Söhne um die Thronfolge beneideten, und der Hof in
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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